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Der Fahrdienst plant den Gang an die Börse
© AFP/Oliver Berg

Aggressiver Digitalkonzern: Das Unbehagen gegen Uber wächst zu Recht

Uber steht für aggressiven Digitalkapitalismus. Doch wenn das Unternehmen weiter die Staatlichkeit untergräbt, wird das sein Untergang sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Der Unternehmensname Uber war lange vor allem mit einem Adjektiv verbunden: aggressiv. Uber wächst aggressiv, es hat eine aggressive Unternehmenskultur, es stellt sich aggressiv gegen Regulierungsversuche. Jetzt will Uber an die Börse, es will sich sozusagen vergesellschaften. Vielleicht wird dieser Schritt rückblickend einmal symbolhaft wirken.

Denn die Stimmen mehren sich, die eine Re-Vergesellschaftung, eine Wiederannäherung von Unternehmen an die Gesellschaft, fordern. Es formiert sich eine Gegenbewegung gegen die aggressivsten Formen des Digitalkapitalismus – und der Fall Uber wird vielleicht einmal als Teil davon gesehen werden.

Uber hat vor allem in den USA und aufstrebenden Wirtschaften wie Indien die Idee der Plattformökonomie auf die Spitze getrieben: ein Unternehmen, das sich nur als Vermittler von Arbeit sieht und damit die Arbeitenden aus jeder Art Absicherung entlässt – natürlich nicht ohne trotzdem an deren Arbeit zu verdienen. Bestehende Regulierungen ignorierte das Unternehmen mancherorts schlicht – in Europa machte erst der Europäische Gerichtshof dem Geschäftsmodell 2017 den Garaus.

Verbunden war die Rundum-Uber-Aggression vor allem mit dem Gründer und CEO Travis Kalanick, der das Unternehmen in einen Skandal nach dem nächsten jagte. 2017 musste er zurücktreten. Übernommen hat Dara Khosrowshahi, der nun Dinge sagt wie: „Wir haben wohl Wachstum eingetauscht gegen Das-Richtige-Tun.“ Investoren und Aufsichtsräte könnten die Mäßigung fördern.

Notwendigkeit einer Digitalsteuer

Der Ökonom Paul Collier beklagt in seinem neuen Buch ein Auseinanderfallen von Gesellschaft und Ökonomie. Kurzfristige Unternehmensstrategien würden langfristige ablösen, das Gefühl, der Gemeinschaft auch etwas zurückgeben zu müssen, gehe verloren. Er ist nicht die einzige mahnende Stimme. Rutger Bregman, ein junger niederländischer Historiker, provozierte das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos, indem er forderte, die anwesenden Unternehmenslenker möchten doch dafür sorgen, dass Unternehmen endlich wirklich Steuern zahlen.

Der Widerhall war groß, das Bregman-Video ging viral. In den USA haben – aus amerikanischer Perspektive als sozialistisch empfundene – Kandidaten wie Bernie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez Zulauf. Bei der Europawahl werden viele Wahlkampagnen auf die Notwendigkeit einer Digitalsteuer abheben.

Das Unbehagen wächst zu Recht

Ist das schon eine Bewegung? Aufseiten der Wirtschaft wird es offenbar durchaus als solche registriert. Der Gründer eines großen Hedgefonds sagte kürzlich, die wachsende Ungleichheit in den USA werde noch zu „einer Form von Revolution führen“. Deshalb sei es besser, etwas dagegen zu tun. Selbstregulierung aus Angst vor einem neuen Sozialismus.

Um eine neue sozialistische Bewegung auszurufen, ist es zu früh, doch das Unbehagen wächst, zu Recht. Unternehmen existieren nicht losgelöst von der Gesellschaft. Sie profitieren von funktionierender Staatlichkeit. Wenn sie diese Staatlichkeit systematisch unterminieren, wie Uber, werden sie mituntergehen.

Sicher, Aggression ist nötig, um überkommene Strukturen zu erneuern, zu verbessern. „Disruption“ ist ein schmerzhafter Prozess, der am Ende kreativ sein kann. Doch der Begriff ist in vielen Fällen tatsächlich nur noch Verbrämerei von schlichter Profitgier. Es braucht sie wirklich: eine neue Vergesellschaftung.

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