Schwieriger Friedensprozess in Kolumbien: Das späte Geständnis der Farc-Rebellen
Von Entführungen bis Zwangsabtreibungen: Kolumbiens ehemalige Guerilla bekennt sich zu Verbrechen. Damit will sie einen Beitrag zum Frieden leisten.
Im Krieg ist die Wahrheit bekanntlich immer das erste Opfer. Um so mutiger und bemerkenswerter ist der Umgang der ehemals größten Guerilla-Organisation Lateinamerikas mit ihrer eigenen Rolle im jahrzehntelangen Bürgerkrieg in Kolumbien. In dieser Woche räumte Farc-Chef Rodrigo Londono, der früher den Kampfnamen Timochenko trug, viele unbequeme Wahrheiten ein.
Besonders sensibel ist das Thema der Zwangsabtreibungen, zu den schwangere Guerilla-Kämpferinnen gedrängt wurden: „Ich habe nicht verstanden, warum das passiert ist“, sagte Londono. „Man muss das als ein Verbrechen anerkennen.“
Es gab in der Vergangenheit immer wieder Berichte über Zwangsabtreibungen in Reihen der Farc, sowie über den Missbrauch von Kämpferinnen durch ranghohe Kommandanten. Hintergrund dieser Maßnahmen war offenbar, dass die Guerilleras auch weiterhin als Kämpferinnen zur Verfügung stehen und nicht als Mütter ausfallen sollten.
Bislang wies die Guerilla dies stets als Propaganda zurück. Ebenso wie die Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten, die Londono nun ebenfalls einräumte.
Zur Praxis der Entführungen mit der die Farc teilweise auch von der armen Landbevölkerung Geld für den bewaffneten Kampf erpresste, hieß es in einem Schreiben der Farc-Spitze: „Wir können uns den tiefen Schmerz und die Qualen der Söhne und Töchter derer vorstellen, die von der Farc entführt wurden.“
Ein schwerer Fehler
Dies sei ein schwerer Fehler gewesen, der nur Verletzungen in der Seele der Betroffenen hinterlassen habe und gleichzeitig die Glaubwürdigkeit und Legitimität der Farc beschädigt habe. In einem Radio-Interview sagte Londono auch, es gäbe künftig weitere Erklärungen, die noch für einigen Wirbel sorgen würden.
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Mit dieser schonungslosen Abrechnung geht die Farc bei der Wahrheitsfindung in Vorleistung. Die langjährige Farc-Geisel und ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt hatte die Guerilla zuvor aufgefordert, sich zu ihrer Verantwortung zu bekennen.
Der Vorsitzende der Wahrheitskommission, Pater Francisco De Roux, begrüßte die Einlassungen der Farc. Dies öffne die Türen zur Wahrheit des Konfliktes. Mit der Wahrheit gewinne die Farc ein Ausmaß Legitimation, die sie zuvor nie hatte, so De Roux weiter. Eine Vergebung könne aber von den Opfern nicht erzwungen werden.
Druck aufs rechte Lager
Zugleich erhöhte die Farc damit den Druck auf das Lager des ehemaligen Konfliktgegners um den Präsidenten Alvaro Uribe. Denn nach ihrer Entwaffnung erfüllt die Farc nun auch einen zweiten wesentlichen Teil des Friedensprozesses: Sie leistet einen erheblichen Beitrag zur Wahrheitsfindung.
In weiten Teilen der kolumbianischen Gesellschaft verfestigt sich der Eindruck, dass die Farc im Friedensprozess liefere, das rechte Lager aber nicht. Dem rechtsgerichteten Uribe werden schwere Menschenrechtsverletzungen im Kampf gegen die Farc vorgeworfen.
Uribe soll zumindest von Massakern gegen die Zivilbevölkerung und dem Fälschen von Beweisen gewusst haben. Die Armee soll unschuldige Zivilisten umgebracht haben, um sie anschließend als Guerilleros auszugeben. Hintergrund der Morde waren Prämien für getötete Guerilleros.
Uribe weigert sich bislang seinen Part der Verantwortung zu übernehmen und über die Vorfälle des Krieges auszusagen. Damit gerät er in Kolumbien zunehmend in eine politische Isolation, vom harten Kern seiner Anhänger abgesehen.
Einige Kämpfer verweigern sich dem Frieden
Im November 2016 hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos nach vierjährigen Verhandlungen ein Friedensabkommen mit der größten Rebellenorganisation des Landes unterzeichnet. Es beendete den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg.
Die entwaffnete Farc sitzt inzwischen als politische Partei im Parlament. Ein Teil ihrer Kämpfer verweigert sich allerdings heute dem Friedensprozess und setzt den bewaffneten Kampf fort. Ihnen wird vorgeworfen, tief in den Drogenhandel verstrickt zu sein.
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