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In der Kölner Innenstadt tragen schon jetzt einige Besucher im Freien Masken.
© dpa

Corona-Ampel, Bußgeld, Ausschankverbot: Das sind die Forderungen vor dem Corona-Gipfel - der Bund macht Vorschläge

Vor dem Corona-Gipfel am Dienstag diskutieren die Länderchefs über einheitlicher Regeln. Der Bund schlägt eine Personen-Beschränkung bei privaten Festen vor.

Dafür, dass es Zufall wäre, ist es jetzt zu oft passiert. Immer wenn ein Corona-Treffen mit den Ministerpräsidenten vor der Tür steht, warnt Angela Merkel im CDU-Präsidium vor der Gefährlichkeit der Pandemie. An diesem Montag fiel die Warnung allerdings besonders drastisch aus: Wenn es so weitergehe mit den Zahlen, dann werde Deutschland zu Weihnachten bei 19 200 Infektionen am Tag ankommen.

Man müsse lokale Herde entschieden eindämmen; namentlich den Berliner Senat fand die Kanzlerin zu lasch: „Es muss in Berlin was passieren!“ Und ganz in Merkels Sinn ergänzte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: „Die Menschen wünschen sich von der Politik eine gemeinsame Linie.“

Mit der ist es vor der Bund-Länder-Videoschalte am Dienstag aber nicht so weit her. Zwar sind sich diesmal Markus Söder und Armin Laschet in der Forderung einig, eine bundesweite „Corona-Ampel“ „Corona-Ampel“ mit der Maßgabe strengerer Maßnahmen einzuführen, sobald lokal Richtwerte überschritten werden. Der Nordrhein-Westfale kam, gestützt auf eine Empfehlung seines Expertenrats, dem Bayern sogar zuvor.

Auch andere Länderchefs wie Malu Dreyer (SPD) aus Rheinland-Pfalz befürworten im Prinzip solche bundesweiten Richtmaße. Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager (CDU), bittet ausdrücklich um möglichst niedrige Obergrenzen für private Feiern: Ab 50 Teilnehmern werde es logistisch extrem schwierig, die Kontakte nachzuverfolgen, wenn ein Positiver dabei sei – eine Sichtweise, die viele Fachleute teilen. Um eine korrekte Kontaktnachverfolgung zu ermöglichen, sollen nach Vorstellung des Bundes Ordnungsbehörden Verstöße etwa bei falschen persönlichen Angaben in Restaurants mit einem Mindestbußgeld von 50 Euro belegen können,

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Doch ob es dafür bundesweite Vorgaben braucht, ist seit Monaten ein Politikum. Die CDU-Regierungschefs von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Rainer Haseloff, führen die Front der Eigenwilligen an. Kretschmer hob zuletzt hervor, er setze auf Eigenverantwortlichkeit statt Zwang.

Haseloff verwies darauf, dass die Infektionen in Sachsen-Anhalt von niedrigem Niveau nur leicht nach oben gingen – kein Grund, jetzt über schärfere Maßnahmen nachzudenken. Wie viel von dieser Skepsis der Epidemiologie geschuldet ist und wie viel der Landtagswahl im nächsten März, ist schwer zu sagen. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, wird auch unter Epidemiologen, Virologen und Praktikern im Detail oft kontrovers diskutiert.

Dabei geht es weniger darum, was die Wahrscheinlichkeit einer Keimübertragung senkt oder die Rückverfolgung der Kontakte besser macht. Für die Praxis erscheint oft die Frage wichtiger: Wie gut funktionieren Regeln und Maßnahmen?

Wenn etwa, wie derzeit vielerorts, Supermarktmitarbeiter nicht das Recht haben, ein Attest zur Befreiung von der Maske einzusehen, kommt jeder Maskenverweigerer mit der Behauptung davon. Auch bei Begrenzungen der Gästezahl bei Familienfeiern stellt sich die Frage, wer das kontrollieren soll, wie hoch die Strafe ausfällt und wer sie effektiv und unanfechtbar verhängen kann – waren es wirklich 52 Gäste und nicht nur 48?

Für einheitliche Regeln spricht, dass die Pandemie kompliziert genug ist

Rein mathematisch dagegen gilt eine solche Begrenzung als sinnvoll, und das nicht nur, weil mit jedem zusätzlichen Gast die Wahrscheinlichkeit steigt, dass einer infektiös ist. Auch die Möglichkeiten zur effektiven Nachverfolgung sinken mit steigender Zahl. Selbst die vielerorts geltende Obergrenze von 50 Personen für nicht extra angemeldete Feiern halten viele Fachleute schon für problematisch.

Deshalb schlägt der Bund für Feiern in privaten Räumen eine Beschränkung auf maximal 25 Teilnehmer vor. In öffentlichen Räumen solle die Beschränkung bei maximal 50 Teilnehmern liegen, heißt es in einem Entwurf für die Beschlussvorlage des Bundes. Offen ist, ob dies nur bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte bei den Neuinfektionen gelten soll. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung über die Zahlen berichtet.

Eine generelle Maskenpflicht im Freien wäre wahrscheinlich wenig sinnvoll. Das zeigen die Studien über die Orte, an denen Infektionen häufig stattfinden. Sie kommen bisher zu dem Ergebnis, dass im Freien die Übertragungswahrscheinlichkeit mindestens zwanzigfach geringer sein dürfte als in geschlossenen Räumen. Eine Auswertung von mehr als 7000 Infektionsfällen in China konnte nur bei einem einzigen Patienten eine solche Ansteckung einigermaßen sicher nachweisen.

Nur Menschen mit ausgeprägten Atemwegskrankheiten gelten derzeit draußen als möglicherweise gefährdet – und Menschen, die sich bei Kundgebungen oder Feiern so eng und lange aufeinanderdrängeln, dass auch die Frischluft das Virus nicht genügend zerstreut.

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Auch über Alkoholverbote in der Öffentlichkeit wird dabei debattiert. Dahinter steckt die Erfahrung und Sorge, dass Alkohol enthemmt und dazu beiträgt, Abstands- und Kontaktregeln nicht mehr so streng zu befolgen. Wie effektiv solch ein Verbot wäre, darüber liegen keine klaren Befunde vor. Sicher ist nur, dass Abstinenz allein keine Infektion verhindert. Der Bund schlägt vor, den Alkoholausschank in besonders betroffenen Regionen unter bestimmten Bedingungen befristet zu begrenzen - Stichwort "Ausschankverbot".

Die Frage, ob es bundeseinheitliche Regeln braucht, ist wohl ohnehin primär eine psychologisch-soziologische. Dafür spricht, dass die Pandemie an sich schon kompliziert genug ist. Einheitliche Vorgaben sind über Medien und Behörden leichter zu kommunizieren und speziell für Reisende leichter umzusetzen als ein föderaler Vorschriftendschungel.

Die Kritiker verweisen so wie Haseloff auf die unterschiedliche Infektionslage. Sie sehen die Gefahr, dass persönliche Freiheit wie ökonomische Aktivität vielerorts unverhältnismäßig eingeschränkt würden und dass der Anreiz entfiele, Auflagen durch eigene Anstrengung überflüssig zu machen. Die Anhänger der Corona-Ampel versuchen diesen Einwänden Rechnung zu tragen: Es gehe um ein einheitliches Grenz- und Regelwerk – über konkrete Maßnahmen müsse weiter lokal entschieden werden.

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