zum Hauptinhalt
Frauen demonstrieren in Los Angeles (Kalifornien, USA) gegen sexuelle Gewalt und Belästigung.
© Damian Dovarganes/AP/dpa

Sexuelle Gewalt: Das Schweigen der Männer

Die Vorwürfe gegen den Regisseur Dieter Wedel sowie US-Filmproduzent Harvey Weinstein wiegen schwer. Der Kreis der Mitwisser war offenbar groß. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Vergewaltiger repräsentieren ihr Geschlecht, sie handeln im Namen des Mann-Seins. Geschützt werden sie auch durch ein Image von Maskulinität, für das Begriffe wie „Schwerenöter“, „ungezügelter Draufgänger“, „kein Kostverächter“, „Virilität“ stehen. Das Gegenteil davon sind „Ranschmeißer“, „Frauenversteher“, „Latzhosenträger“, „Sitzpinkler“. Sexuelle Gewalt wird meistens von Männern an Frauen verübt. Es gibt auch Männer, die zu Opfern wurden, aber das sind Ausnahmen.

Wenn nun Männer als Männer Verbrechen an Frauen verüben, stellt sich die Frage: Warum schweigen andere Männer dazu? Jenes Schweigekartell, das jetzt in vielen Fällen beklagt wird, bilden ja nicht allein Frauen, deren Angst davor, an die Öffentlichkeit zu gehen, oft verständlich und nachvollziehbar ist. Nein, auch Männer waren Mitwisser, sie hörten von den Verbrechen, haben sie gedeckt oder zumindest nicht thematisiert. Warum?

Bandenmentalität von Geschlechtsgenossen

Harvey Weinstein und Dieter Wedel, die derzeit im Fadenkreuz der Öffentlichkeit stehen, konnten sich offenbar auf eine Art Bandenmentalität ihrer Geschlechtsgenossen verlassen. Die Taten, derer sie bezichtigt werden, erschüttern. Die Feigheit anderer Männer, die mutmaßlichen Täter dafür zur Rechenschaft zu ziehen, sind schwere Unterlassungssünden. Sie trugen dazu bei, das Unrechtsregime zu festigen.

Wo Opfer, da sind Täter. Der Antisemitismus, so heißt es zu Recht, geht nicht nur Juden etwas an. Der Rassismus, so heißt es zu Recht, geht nicht nur Minderheiten etwas an. Von Muslimen wird oft verlangt, sich von Terroristen zu distanzieren, die sich auf den Islam berufen. Aber welcher Mann distanziert sich von Verbrechern, die in seinem Namen gewalttätig wurden? Wer nennt ihre Namen unter dem Hashtag #metoo ?

Jeder Vergewaltiger versündigt sich an seinem Opfer. Er versündigt sich aber auch als Mann. Er besudelt das Image von Maskulinität. Es ist höchste Zeit, dass auch Männer ihr Schweigen brechen. Viele wissen mehr, als bekannt ist.

Zur Startseite