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Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die beiden neuen Bundesvorsitzenden der SPD.
© Michael Kappeler/dpa

Schwierige Groko-Verhandlungen: Das neue SPD-Duo hat wenig in der Hand

Die SPD hat nun zwei Machtzentren: Vertreter der Regierung und die koalitionskritische neue Führung. Das macht die Arbeit der Groko kompliziert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Wenn Kanzlerin Angela Merkel bald mit ihrem Vize und den neuen SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Kanzleramt zusammensitzt, wäre man gerne dabei. Muss sie dann ihren Blick zur Seite wenden und sich erstmal bei Olaf Scholz rückversichern, ob das jetzt die Meinung der SPD sei – oder ob es hier am Tisch zwei SPD-Meinungen gibt?

Zwei Machtzentren

Die SPD hat seit Freitag zwei Machtzentren. Auf der einen Seite das Lager der Regierungs-SPD mit Ministern, Bundestagsabgeordneten und Ministerpräsidenten, die treu zur großen Koalition bis 2021 stehen. Und auf der anderen Seiten die koalitionskritische neue Führung und ihre Unterstützer um den Vizechef Kevin Kühnert. Das macht die Zusammenarbeit für die Union komplizierter und unberechenbarer – zugleich kann sie sich als Hort der Stabilität präsentieren und einen Bruch – so er je kommen sollte – der SPD überlassen.

Der kritische Zeitrahmen für das Szenario ist das nächste halbe Jahr. Wird das überstanden, wird die Koalition auch bis 2021 halten. Denn dann beginnt die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, und während der Zeit wird niemand die Regierung platzen lassen.

Warum sollten also Merkel und die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bei den nun geforderten Nachverhandlungen der SPD weit entgegenkommen, nur weil die eine neue Spitze hat? Als erst die CSU und dann auch die CDU während der Legislatur ihre Parteiführung auswechselten, gab es auch keine Nachverhandlungen.

Dass dennoch Änderungen denkbar sind, jedenfalls beim Klimapaket, liegt nur daran, dass auch Unions-Ministerpräsidenten unzufrieden mit dem Ausgehandelten sind. Doch warum darüberhinaus an der schwarzen Null rütteln, wenn es heute schon weniger an Geld für Investitionen mangelt, als an Planungs- und Baukapazitäten?

Die SPD hat auch nach ihrem unerwartet ausgegangenen Führungswechsel wenig in der Hand, das sie als großes neues Koalitionsprojekt anbieten kann. Und bei allen Forderungen, die sie erheben könnte, würde die Union sofort die Abschaffung des „Soli“ auch für Besserverdiener fordern. Was natürlich nicht im Sinne der neuen Parteiführung sein kann. Es wird nun wieder nervenaufreibende Koalitionsausschüsse geben, mit überschaubarem Ertrag – dabei dreht sich die Welt immer schneller.

Erneuerung und andere Akzente

Esken und Walter-Borjans sind gewählt worden, weil sie mehr „SPD pur“, die nächste Erneuerung und andere Akzente versprechen. Und sie haben viel Gespür für die bange Seele ihrer „Jein“-Partei. Mehr als Olaf Scholz. Aber so, wie in den Gängen beim Parteitag über das neue Duo hergezogen wurde, wie es an Genossen anderer Lager mangelt, die an die „neue Zeit“, an Aufbruch, glauben, kann es kaum besser werden in Partei und Koalition.

Das geht nur, wenn wirklich mal zusammengehalten würde. Wenn die Neuen aber die Koalition akzeptieren und nicht ständig mit Bruch drohen, könnten sie sogar stabilisierend wirken – und die Arbeit der Koalition verbessern. Der einhellige Beschluss, die Koalition erstmal fortzusetzen, wäre so nicht gefallen, wenn Scholz und Klara Geywitz die neuen Chefs geworden wären.

Der Vernunftpolitiker Scholz ist eine solche Projektionsfläche für allen Unmut über den bisherigen Kurs, dass der Parteitag bei seiner Wahl zum Ausgleich die Koalition beendet hätte. Der Bruch ist ausgeblieben – aber die neue Zeit ist so fragil wie die alte.

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