Außenpolitik auf dem SPD-Parteitag: Rückendeckung von den neuen Chefs kann Maas nicht erwarten
Außenminister Heiko Maas betont den Wert militärischer Zurückhaltung. Das geht Walter-Borjans nicht weit genug. Ein Bericht vom dritten Tag des SPD-Parteitags.
Außenminister Heiko Maas hat auf dem SPD-Parteitag vor einer Militarisierung der deutschen Außenpolitik gewarnt. „Es war immer Kern unserer Politik, sich Verantwortung nicht zu verweigern, aber nicht zuerst auf militärische Lösungen zu setzen“, sagte Maas am Sonntag unter dem Beifall der Delegierten.
Die sozialdemokratische Außenpolitik sei eine, „bei der militärische Zurückhaltung ein Kernelement ist und bleiben wird“. Ohne Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu erwähnen, die sich für mehr und robustere Auslandseinsätze ausgesprochen hatte, versicherte der Außenminister, er bemühe sich in vielen Konflikten um Vermittlung und Lösungen. „Wir übernehmen Verantwortung, wenn es darum geht, am Verhandlungstisch Frieden zu sichern“, sagte er. Dort werde Frieden gesichert „und nicht auf den Schlachtfeldern“. Als Beispiele nannte er Libyen, Jemen und Afghanistan.
Obwohl der Außenminister nicht nur sozialdemokratische Grundwerte ansprach, sondern zwischen den Zeilen auch zu Realpolitik mahnte, konnte er mit dem Beifall zufrieden sein. Wie es um seine Autorität und Beliebtheit in der Partei tatsächlich bestellt ist, hatte sich am Samstag gezeigt.
Maas, der wie viele seiner Vorgänger im Auswärtigen Amt laut der Umfragen in der Bevölkerung beliebt ist, wurde erst im zweiten Wahlgang in den Parteivorstand gewählt.
Von Parteichefin Andrea Nahles, die vor einem halben Jahr zurücktrat, wusste Maas sich unterstützt. Nahles war gemeinsam mit Vizekanzler Olaf Scholz der Überzeugung, dass Russland unter Präsident Wladimir Putin aktiv gegen die Einheit der EU arbeite und deshalb neben allen Gesprächsangeboten eine klare, harte Haltung geboten sei.
Die neuen Chefs haben sich kaum mit Außenpolitik beschäftigt
Von den neuen Parteichefs kann der Außenminister eine solche Rückendeckung nicht erwarten – im Gegenteil.
Beiden scheinen zentrale Begriffe bundesdeutscher Außen- und Sicherheitspolitik fremd. Diese Themen standen bisher schlicht nicht im Mittelpunkt ihrer Argumentation. Esken äußerte sich während des Wahlkampfes kritisch gegenüber Rüstungsexporten. Walter-Borjans machte in seiner Antrittsrede auf dem Parteitag deutlich, dass er für Außen- und Europapolitik zuständig sein will. Mit seinen dauernden Bezügen auf Willy Brandt erweckte er allerdings nicht den Eindruck, über die internationale Realität des 21. Jahrhunderts zu sprechen, in der China und Russland den Westen herausfordern.
Frieden, Abrüstung, Absage an Militarismus, mehr deutsches Geld für Europa und internationale Solidarität waren Walter-Borjans Stichworte, ohne dass er erklärte, wie er diese Ziele erreichen will. Dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben erteilte er eine Total-Abfuhr, sprach sich stattdessen für mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit aus. Maas ist als Außenminister dagegen der Nato-Abmachung verpflichtet, der auch der damalige SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier zugestimmt hatte.
Schon vor der Wahl von Esken und Walter-Borjans waren dem Handlungsspielraum des Außenministers durch die eigene Bundestagsfraktion Grenzen gesetzt worden. Mit seinem härteren Kurs gegenüber Moskau hatte Maas zu Anfang seiner Amtszeit Teile seiner eigenen Partei und Fraktion verärgert.
Fraktionschef Rolf Mützenich, ein Vertreter des linken Parteiflügels, kommt aus der Tradition der Friedensforschung und Dritte-Welt-Solidarität, will lieber Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden statt neuen zuzustimmen. Als Maas im Fall des Giftanschlags auf Sergej Skripal in Großbritannien im Schulterschluss mit den westlichen Partnern russische Diplomaten auswies, kritisierte der damalige Vizefraktionschef Mützenich das öffentlich – ein Affront.
Die neue Parteiführung dürfte es Maas nun noch schwieriger machen, sein Amt nach eigenen Vorstellungen auszufüllen. Zumindest eine Befürchtung dürfte den Minister nun nicht mehr umtreiben. Er sei erleichtert, dass statt der wenig kalkulierbaren Esken wenigstens der gemäßigte Walter-Borjans die Außen- und Europapolitik für sich reklamiert habe, sagte ein langjähriger sozialdemokratischer Außenpolitiker am Rande des Parteitags. Hans Monath