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Vor einem Gedenkgottesdienst für die Opfer des Verbrechens.
© Gene J. Puskar,dpa

Angriff auf Synagoge in Pittsburgh: Das Massaker am Schabbat

Pittsburgh erlebt das schlimmste antisemitische Verbrechen in der US-Geschichte. Kritiker werfen Donald Trump eine Mitverantwortung für die Gewalt vor.

Es sollte ein Tag der Freude werden und wurde zu einem Tag der Trauer. Ein kleiner Junge sollte an diesem Morgen in der „Tree of Life“-Synagoge in Pittsburgh (Pennsylvania) seinen hebräischen Namen erhalten, am jüdischen Schabbat, der vom Freitag- bis zum Samstagabend dauert. Doch um 9.30 Uhr stürmt ein schwer bewaffneter Mann in den gerade begonnenen Gottesdienst, ruft „Alle Juden müssen sterben“ und eröffnet das Feuer. Eine halbe Stunde später sind elf Menschen tot, sechs weitere verletzt, darunter vier Polizisten.

Der Vorfall in Pittsburgh ist nach Zählung des Gun-Violence-Archivs das 294. Massaker mit Schusswaffen in den USA in diesem Jahr. Und er ist das schlimmste antisemitische Verbrechen in der Geschichte des Landes – eine Tat, die das Sicherheitsgefühl der amerikanischen Juden wohl für immer verändern wird.

Joseph Black, ein Rabbi aus Denver im Bundesstaat Colorado, wird später zu Protokoll geben, man habe immer gewusst, dass so etwas passieren wird. Nur nicht wann. Dann sagt er im Interview mit einem lokalen TV-Sender etwas, was den Kern der politischen Debatte in dieser Woche trifft: „Wir müssen auf die Rhetorik schauen, die gewalttätige Menschen ermuntert, und wir müssen verstehen, dass Worte Konsequenzen haben. Unsere Politiker müssen lernen, dass sie mit ihren Verhalten, ihrer Sprache und der Art, wie sie andere behandeln, ein Zeichen setzen.“

US-Präsident Donald Trump wird vorgeworfen, mit seiner Rhetorik im Wahlkampf vor den wichtigen Zwischenwahlen am 6. November die Menschen aufzuhetzen und ein Klima des Hasses zu erzeugen, in dem solche Taten möglich sind.

Briefbomben für Gegner des Präsidenten

Trump bestreitet das und verweist stattdessen darauf, dass er selbst ja am allermeisten von Hetze betroffen sei. Ob er die verbleibenden acht Tage Wahlkampf in gemäßigterer Form absolvieren wird, wird sich zeigen. Erst am Freitag war in Florida ein Mann festgenommen worden, der 14 Briefbomben an prominente Trump-Gegner, unter anderem an Ex-Präsident Barack Obama und die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, versandt haben soll. Der Mann ist ein überzeugter Trump-Anhänger.

Nachdem der US-Präsident in seiner ersten Reaktion auf den Angriff auf die Synagoge eine Verschärfung der Todesstrafe und mehr Waffen in Gotteshäusern gefordert hatte, verurteilte er später die Tat in deutlichen Worten. Es dürfe „keine Toleranz für den Antisemitismus“ oder andere Formen des Hasses auf Religionen geben, sagte er. „Diese bösartige antisemitische Attacke ist ein Angriff auf uns alle.“ Der Präsident kündigte einen Besuch in Pittsburgh an und ordnete an, die Flaggen vor öffentlichen Gebäuden in den USA bis Mittwoch auf Halbmast zu setzen.

Einen Tag nach der Tat gibt es offiziell immer noch keine Angaben zum Motiv des Schützen, der nach Angaben der Ermittler ein 46-jähriger weißer Mann aus Pittsburgh mit dem Namen Robert Bowers ist. Aber es gibt viele Informationen über ihn, aus denen man Rückschlüsse auf seine Gesinnung ziehen kann. Bowers ist nicht vorbestraft, aber ein eingetragener Waffenbesitzer, seit 1996 soll er mindestens sechs Schusswaffen gekauft haben. Bei der Tat hatte er laut Ermittlern ein halbautomatisches Sturmgewehr und mindestens drei Handfeuerwaffen dabei.

Auf sozialen Netzwerken hetzte er gegen Juden, Muslime und Einwanderer. Auch zeigte er sich enttäuscht von Trump, der zu wenig tue, um die Weißen in Amerika zu schützen. So schrieb er nach Angaben der „New York Times“ auf dem inzwischen geschlossenen rechtsgerichteten Portal Gab.com: „Trump ist ein Globalist, kein Nationalist.“ Amerika werde nicht großartig, solange es von Juden befallen sei. Darum habe er Trump nicht gewählt.

Justizministerium will Todesstrafe

Nach seiner Festnahme wurde der Schütze zunächst ins Krankenhaus eingeliefert. Wenn er wieder gesund ist, will ihn das Justizministerium wegen mehrfachen Mordes und wegen antisemitisch motivierter Verbrechen anklagen. Das Ministerium machte deutlich, was das Ziel ist: die Todesstrafe. Ob es dazu kommt, ist offen. Laut dem „Death Penalty Information Center“ in Pennsylvania gibt es dort seit 2015 ein Moratorium für Hinrichtungen.

Die Juden in Amerika stehen derweil unter Schock. Nach Angaben der auf Beobachtung und Bekämpfung des Antisemitismus spezialisierten US-Organisation Anti-Defamation League (ADL) hat die Zahl antisemitischer Übergriffe in den USA im vergangenen Jahr um 57 Prozent zugenommen. Das ist der höchste Anstieg, seitdem die ADL diese Daten erhebt. „Ich traue mich kaum zu sagen, dass wir möglicherweise am Anfang dessen stehen, was in Europa passiert ist. Ich fürchte, das Schlimmste kommt noch“, zitierte die „New York Times“ den Rabbi Marvin Hier, Gründer des Simon Wiesenthal Centers. Hier hatte bei Trumps Amtseinführung ein Gebet gesprochen.

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