USA: Elf Menschen bei Schüssen an Synagoge in Pittsburgh getötet
Es gibt Hinweise, dass die Tat antisemitisch motiviert war. Ein Verdächtiger wurde festgenommen. Trump sprach von "boshaftem Akt des Massenmords".
Neun Tage vor den Zwischenwahlen in den USA erschüttert ein weiteres Hassverbrechen das Land. An einer Synagoge in Pittsburgh (Pennsylvania) hat ein Mann während des Gottesdienstes am Samstag elf Menschen erschossen und sechs weitere verletzt, darunter vier Polizisten. Der Angriff ereigneten sich während einer Taufzeremonie. Kinder wurden jedoch nach offiziellen Angaben nicht verletzt.
Der Schütze, der am Tatort festgenommen wurde, wurde als der 46-jähriger Amerikaner Robert B. identifiziert. Sein Social-Media-Profil deutet darauf hin, dass es sich um einen Waffennarren mit rechtsgerichteter Gesinnung handelt. Sein inzwischen gesperrtes Twitter-Konto ist Medienberichten zufolge voll mit antisemitischen Parolen. Demnach soll der Angreifer zudem bei seiner Attacke „Alle Juden müssen sterben!“ gerufen haben. Auch nach Angaben von US-Präsident Donald Trump hatte der Angriff einen antisemitischen Hintergrund. Es dürfe „keine Toleranz für den Antisemitismus“ geben, sagte Trump während eines Besuchs im Bundesstaat Indiana. Er nannte die Tat einen "boshaften Akt des Massenmords". Nach offiziellen Angaben wird der mutmaßliche Täter im Krankenhaus behandelt. Möglicherweise wurde er von Polizisten angeschossen.
Nach Angaben von US-Justizminister Jeff Sessions könnte ihm die Todesstrafe drohen. Die Bundesstaatsanwaltschaft erhob noch in der Nacht Anklage in insgesamt 29 Punkten gegen den Mann.
Besonderen Hass soll B. der jüdischen Flüchtlingsorganisation HIAS entgegengebracht haben, die seit Trumps Wahlsieg immer wieder gegen dessen Einwanderungspolitik protestiert. Vor seinem Angriff soll der Schütze demnach getweetet haben: „HIAS bringt Invasoren herein, die unsere Leute ermorden. Ich kann nicht tatenlos mit ansehen, wie mein Volk abgeschlachtet wird…“
Ermittler sind schockiert
„Es ist sehr schlimm“, sagte Wendel Hissrich, Direktor für Öffentliche Sicherheit bei der Stadt Pittsburgh. „Ich habe viel gesehen, auch Flugzeugabstürze“, betonte er. Die Szenen in der Synagoge gehörten zu den schlimmsten, die er bisher gesehen habe.
FBI-Agent Bob Jones sagte: „Es ist der schlimmste Tatort, den ich in 22 Jahren Berufserfahrung gesehen habe.“ Die Tat wird von den Behörden als Hassverbrechen eingestuft. Der Angreifer hatte mehrere Schusswaffen bei sich. Nach ersten Erkenntnissen besaß er sie legal.
Die Schüsse sollen im zweiten Stock des Gotteshauses gefallen sein. Ob es auch zu Schusswechseln außerhalb des Gebäudes kam, war unklar. Fernsehbilder zeigten große Polizeipräsenz im Stadtteil Squirrel Hill, einer Gegend, wo auch viele Menschen jüdischen Glaubens wohnen. Menschen wurden von Feuerwehrleuten und Polizeibeamten in Sicherheit gebracht.
"Im Gebiet Wilkins und Shady gibt es einen aktiven Schützen", warnte die städtische Zivilschutzbehörde, zu der auch die örtliche Polizei gehört, am Samstag beim Kurzmitteilungsdienst Twitter.
Trump: Bewaffnete Sicherheitskräfte in Gotteshäusern nötig
Der Zeitpunkt der Tat ist wegen des Wahlkampfs besonders brisant, da Trump vorgeworfen wird, mit Attacken auf Asylsuchende, Medien und Demokraten die Stimmung aufzuheizen. Erst am Vortag war in Florida ein Mann festgenommen worden, der 14 Briefbomben an Trump-Gegner versandt haben soll.
Trump verurteilte am Samstag zwar den „Hass“ in den USA, forderte dann aber schnellere Todesurteile für Mörder. „Sie sollten wirklich den ultimativen Preis zahlen“, sagte er über Menschen, die Gläubige in Gotteshäusern erschießen. Er sprach sich zudem für bewaffnetes Sicherheitspersonal bei Gottesdiensten aus. „Ein Verrückter ging hinein, und sie hatten keinen Schutz“, sagte mit Blick auf die Gläubigen.
Nach der Festnahme im Fall der Briefbomben machte Trump klar, dass er seine Rhetorik nicht abmildern will. Obwohl der 56-jährige Verdächtige ein großer Fan des Präsidenten ist und dessen verunglimpfende Zitate auf Twitter zitierte, wies Trump alle Verantwortung von sich. Er habe seine Rhetorik ja bereits entschärft, behauptete er. Bei einer Rallye wenig später attackierte er Medien und Opposition wieder scharf.
Die „Tree-of-Life“-Synagoge gilt als ein konservatives jüdisches Gotteshaus, das jedoch offen für Neuerungen sei, wie der Präsident der jüdischen Gemeinde im Großraum Pittsburgh, Jeff Finkelstein, am Ort des Geschehens sagte. Normalerweise finden sich dort am Samstagmorgen rund 50 bis 60 Gläubige ein. Auch in anderen Gegenden der USA wurden sofort die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen erweitert.
In Squirrel Hill, wo die Synagoge steht, leben seinen Angaben zufolge rund 50 Prozent der im Großraum Pittsburgh ansässigen Juden. Finkelstein zeigte sich erschüttert: „So etwas sollte nicht passieren, nicht in einer Synagoge, nicht in unserem Viertel.“
Jüdischer Weltkongress spricht von "abscheulichem Terrorakt"
Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat sich schockiert von den Schüssen an einer Synagoge in der US-Metropole Pittsburgh mit mehreren Toten gezeigt. Bei dem Vorfall handele es sich um einen „abscheulichen Terrorakt“, sagte WJC-Präsident Ronald Lauder laut Mitteilung am Samstag in New York. „Das war ein Angriff nicht nur auf die jüdische Gemeinde, sondern auf ganz Amerika.“
Lauder bedankte sich bei den Rettungskräften. „Unsere Gedanken und Gebete sind mit den Opfern, ihren Familien und allen Menschen in Pittsburgh.“ Der WJC sieht sich als Vertretung der nicht in Israel lebenden Juden. An der „Tree-of-Life“-Synagoge in Pittsburgh waren am Samstag mehrere Menschen erschossen worden. Zur genauen Zahl gab es zunächst keine Angaben.
Netanjahu verurteilt Angriff
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu verurteilte die Schüsse scharf. „Mein Herz ist gebrochen, und ich bin angewidert von der mörderischen Attacke auf eine Synagoge in Pittsburgh“, erklärte er. „Das gesamte israelische Volk trauert mit den Familien der Toten.“ Er sicherte den Betroffenen und Hinterbliebenen Unterstützung zu. „Wir stehen zusammen mit dem amerikanischen Volk im Angesicht dieser furchtbaren antisemitischen Brutalität“, sagte er. Der israelische Generalkonsul in New York, Dani Dayan, hatte zuvor erklärt, das Geschehen werde als innere Angelegenheit Israels betrachtet, auch wenn es Tausende Kilometer von Israel entfernt passiert sei.
Auch Angela Merkel nimmt Stellung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Attacke auf eine Synagoge in Pittsburgh in den USA verurteilt. "Ich trauere um die Toten von Pittsburgh, die offenbar Opfer von blindem antisemitischem Hass wurden", erklärte Merkel über ihren Sprecher beim Kurzbotschaftendienst Twitter am Samstag. "Wir alle müssen uns dem Antisemitismus entschlossen entgegenstellen - überall."
Die Schüsse von Pittsburgh sind der vorläufige Höhepunkt einer Reihe antisemitischer Straftaten in den vergangenen Jahren. In Europa gab es in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrere Anschläge auf jüdische Einrichtungen. Bei einem Terroranschlag auf eine Synagoge im tunesischen Djerba wurden 2002 21 Menschen getötet, darunter 12 Deutsche.
2012 griff ein Mann eine jüdische Schule in Toulouse an und ermordete drei Kinder, einen Lehrer und drei Soldaten. Der Angreifer starb dann im Kugelhagel der Polizei. Er hatte sich selbst als Al-Kaida-Anhänger bezeichnet. 2014 verübte ein Islamist einen Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel, vier Menschen kamen ums Leben. In Paris tötete ein Islamist 2015 vier Menschen in einem jüdischen Supermarkt. (mit dpa, AFP, Reuters)