zum Hauptinhalt
Ein Kampfflugzeug an Deck der U.S. Navy Nimitz.
© Jeff Sherman/Reuters

Drohnenangriff auf saudische Raffinerien: Das kann die Bundesregierung tun, um einen Krieg zu verhindern

Es droht eine militärische Eskalation zwischen dem Iran und den USA. Die deutsche Außenpolitik muss auf die Konfliktparteien einwirken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Welt steht am Rande eines Kriegs im Mittleren Osten, und die deutsche Außenpolitik schläft. Dieser drohende Konflikt zwischen dem Iran und den USA, unter Beteiligung Saudi-Arabiens, würde die Ölpreise steigen lassen, die ohnehin schwächelnde Weltwirtschaft in eine Krise stürzen und Europa in eine Rezession. Es ist nur ein geringer Trost, dass die beiden Hauptkontrahenten einen offenen Krieg gar nicht wollen.

Die Eskalation mittels militärischer Nadelstiche ist zentraler Bestandteil der Strategie des Irans. Das ist brandgefährlich und nur schwer unter Kontrolle zu bekommen, wenn die Eskalationsspirale erst einmal in Gang ist.

Die Bundesregierung sollte der Öffentlichkeit klar sagen, wen sie für den Treiber der Kriegsgefahr hält und gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien auf den Iran und die USA einwirken. Gewiss gibt es keine hundertprozentigen, gerichtsfesten Beweise, welche anonyme Macht mit Minen westliche Handelsschiffe im Golf angegriffen hat oder wer hinter den jüngsten Drohnenangriffen auf das Herz der saudischen Öl- und Gasproduktion steckt.

Huthi-Rebellen als Urheber eines koordinierten Luftangriffs?

Indizien gibt es freilich mehr als genug, dass der Iran direkt - oder indirekt über die von ihm abhängigen Milizen im Jemen, im Irak, im Libanon und weiteren Konflikten der Region - die Angriffe ausgeführt hat. Einerseits werden Drohnen zunehmend zur neuen "Kalaschnikow der Rebellen". Andererseits ist schwer zu glauben dass jemenitische Huthis aus eigener Kraft das Knowhow, die Finanzen und die technischen Fähigkeiten haben, um einen koordinierten Angriff mit mindestens 17 Flugkörpern über mehrere hundert Kilometer auszuführen. Erste Untersuchungen des Schauplatzes haben zudem ergeben, dass die Drohnen von Nordwesten kamen, also nicht aus dem südlich gelegenen Jemen.

Die gezielte Vernebelung der Urheberschaft und die Irreführung der westlichen Öffentlichkeiten durch falsche Fährten sind Teil der psychologischen Kriegsführung: Nicht zuordenbare Kämpfer auf Schnellbooten, die westliche Handelsschiffe in der Straße von Hormuz angreifen, oder jetzt die Selbstbezichtigung der von Iran gesteuerten Hutu-Milizen im Jemen folgen dem gleichen Muster wie "grüne Männchen" ohne Hoheitszeichen an den Uniformen bei der Annexion der Krim oder Mörder georgischer Dissidenten in Berlin, die mit gefälschten Ausweisen einreisen.

Die Strategie funktioniert, zumal in Deutschland. Das Argument, man wisse ja gar nicht genau, wer dahinter stecke, wird zur willkommenen Ausrede, um sich um eine unmissverständliche Verurteilung der mutmaßlichen Angreifer zu drücken.

Iran leidet unter US-Sanktionen und will umgekehrt Schmerz zufügen

Dabei sind die Dynamiken des Konflikts am Golf offenkundig. Donald Trump hat das Atomabkommen gekündigt, das Deutschland, Frankreich und Großbritannien 2015 mit dem Iran geschlossen hatten, unter Billigung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Statt der versprochenen Linderung der Sanktionen erlebt der Iran spürbare wirtschaftliche Nöte durch das anhaltende Embargo. Sie setzen das Regime zusätzlich innenpolitisch unter Druck. Es reagiert mit Gegendruck. Eines der wenigen Mittel, die die Mullahs haben, um den USA und anderen westlichen Industriestaaten spürbare Schmerzen zuzufügen, sind Angriffe auf die Energieversorgung.

Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, dass die Abhängigkeit der USA und auch Deutschlands von saudischem Öl (und generell Öl aus der Golfregion) in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken und heute marginal sind. Wenn die saudische Produktion durch die Schäden für Wochen und Monate halbiert wird oder der Iran den Öltransport durch die Straße von Hormus einschränkt, steigen die Ölpreise an allen Energiebörsen weltweit. Und zwar auch für das Öl und Gas, das gar nicht vom Golf kommt.

Trump droht verbal, riskiert bisher aber keine Militärschläge

Die Frage ist nun, wie Donald Trump reagiert. Er will einerseits in den 14 Monaten bis zur Wahl keinen militärischen Konflikt mit dem Iran, der seine Wiederwahl gefährdet, weil er den Verlauf nicht kontrollieren kann. Andererseits riskiert er Ansehensverfall und Wahlniederlage ebenso, wenn er sich von einer Mittelmacht wie dem Iran vorführen lässt, ohne zurückzuschlagen.

Befiehlt er jedoch einen Gegenangriff, hat der Iran einige Eskalationsmöglichkeiten, die Trump weiter in die Defensive bringen können. Sie reichen von offenen iranischen Angriffen auf westliche Tanker im Golf, auf US-Stützpunkte in der Region oder auf Israel bis zu Anschlägen und Angriffen seiner Proxy-Milizen im Irak, im Jemen, in Libanon und in Gaza. Bisher hat Trump verbal gedroht, aber keinen klassischen Militärschlag riskiert.

Trump hat zudem den Fehler begangen, sich einseitig mit dem saudischen Könighaus zu verbünden, das die USA seit Jahren zu einem Krieg gegen den Iran überreden möchte. Das Könighaus ist eine Diktatur, die Hass und Konflikte schürt, indem sie die Ausbreitung einer aggressiven Interpretation des Islams unterstützt und finanziert; die Menschen-, Bürger- und Frauenrechte missachtet; und die Kritiker wie Kanada samt seiner Außenministerin Chrystia Freeland mit Wirtschaftsboykott und Sanktionen mundtot zu machen versucht.

Schon deshalb darf Saudi-Arabien kein enger Verbündeter für eine westliche Demokratie sein. Seine Bedeutung als unverzichtbarer Öllieferant hat es weitgehend verloren. Saudi-Arabien ist also strategisch nicht mehr ganz so wichtig wie früher, allenfalls noch als einflussreicher Nachbar im Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Umso erstaunlicher wirkt, mit wie viel Rücksicht Trump, aber auch die Bundesregierung diese dunkle Macht behandelt. Trump wohl auch mit Blick auf Israel, Berlin mit Blick auf die saudische Beteiligung an deutschen Wirtschaftskonzernen.

Was Deutschland tun kann - und muss

Deutschland muss sich endlich zu einer nüchternen und interessengeleiteten Politik im Mittleren Osten durchringen. Iran und Saudi-Arabien sind, jeder auf seine Weise, dunkle Mächte, mit denen man umgehen muss, die man aber nicht wie Verbündete behandeln kann. Wenn Trump zu nett mit den Saudis umgeht, ist das noch lange kein Grund für Deutschland zu ähnlich einseitiger Freundlichkeit gegenüber Teheran. Der Iran ist kein unschuldiges Opfer böswilliger US-Hegemonie, sondern eine aggressive Diktatur, die internationalen Terror finanziert und Bürgerkriege in der Region mit ihren Soldaten anheizt.

In der aktuellen Kriegsgefahr geht die militärische Eskalation vom Iran aus. Trump hingegen hat nicht einmal auf den Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne durch Irans Revolutionsgarden mit einem Gegenschlag reagiert. Teheran scheut nicht einmal davor zurück, Schiffe der europäischen Vertragspartner, die das Atomabkommen einhalten, anzugreifen wie die deutsch-japanisch gereederte "Kouka Courageous" im Juni sowie zwei britische Tanker im Juli. Die erste Attacke scheiterte, die zweite gelang.

Deutschland kann durchaus etwas tun, um die Kriegsgefahr zu reduzieren: eine gemeinsame Intervention mit Frankreich und Großbritannien in Teheran mit dem Ziel, ein nachgebessertes Atomabkommen zu erreichen, das zumindest einige der berechtigten Kritikpunkte Trumps aufnimmt. Dazu gehört dann freilich auch der Mut, Druck auf Trump auszuüben, damit er einen verbesserten Vertrag akzeptiert und die Sanktionen lindert.

Zur Startseite