Zutrittsverbote und Einkommensverlust: Das haben Impfverweigerer in den Bundesländern zu erwarten
Um möglichst unbeschwert durch den Winter zu kommen, haben sich viele Bundesländer Pandemie-Konzepte überlegt. Am strengsten sind die Regeln in Rheinland-Pfalz.
Deutschland ist in vielen Lebensbereich wieder zur Normalität zurückgekehrt. Die Menschen können wieder in Restaurants, Bars oder ins Kino gehen. Doch viele Virologen warnen: Ohne Pandemie-Konzept kämen wir nicht gut durch den Winter. Die meisten Politiker, darunter auch die drei Kanzlerkandidaten, haben einen erneuten Lockdown im Winter ausgeschlossen. Was also tun, wenn Inzidenz und Hospitalisierungsrate weiter steigen?
Einige Bundesländer arbeiten schon an Konzepten, wie sie immunisierten Menschen so viele Freiheiten wie möglich lassen können, denn die Träger der Pandemie sind momentan die Ungeimpften. Das ist zum Beispiel an der Sieben-Tage-Inzidenz in Hessen zu erkennen. Das Bundesland teilt bei den gemeldeten Fällen pro 100.000 Einwohnern auch mit, wie viele auf geimpfte beziehungsweise auf ungeimpfte Personen zurückzuführen sind. Bei einer allgemeinen Inzidenz von 103,9 liegt die der Ungeimpften bei 274,2 und die der vollständig Geimpften bei 14,8.
Die Landesregierung in Hessen versucht nun auf diese Zahlen zu reagieren. So will Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) die 2G-Regel für Gastronomen und Veranstalter zulassen. Wirte und Friseure können in Zukunft also selbst entscheiden, ob sie nur Geimpften und Genesenen (2G) oder zusätzlich auch Getesteten (3G) den Zutritt zu ihren Räumen zu erlauben.
Als erstes hat das 2G-Modell in Hamburg Anklang gefunden. Auch dort können Veranstalter negativ Getestete ausschließen. Sie müssen es zwar nicht, beim 3G-Modell herrschen dann jedoch strengere Regeln.
In Berlin hat sich der Senat statt für eine generelle Einführung von 2G für ein Optionsmodell entschieden. Dieses besagt, dass es bestimmten Einrichtungen künftig selbst überlassen sein wird, ob sie die 2G oder 3G Regeln erlauben.
In einigen Bereichen wird jedoch ausschließlich 2G zugelassen. Laut Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci treffe das auf Tanzveranstaltungen, Saunen mit Aufgüssen, Dampfbäder sowie „Prostitutionsveranstaltungen” zu. Die Verordnung wird voraussichtlich am 18. September in Kraft treten. Ausnahmen von der 2G-Regelung soll es nicht geben. So ist es unter der 2G-Regel nur möglich Personal zu beschäftigen, das ebenfalls geimpft oder genesen ist.
Niedersachsen wird ab dem 22. September eine optionale 2G-Regel einführen, so dass etwa Restaurantbetreiber, Kinos, Kultureinrichtungen, Sportveranstalter und die gesamte Veranstaltungswirtschaft künftig grundsätzlich wählen dürfen, ob sie die 3G-Regel anwenden (geimpft, genesen oder getestet) oder ob sie nur noch geimpften und genesenen Personen Zutritt gewähren.
Auch Sachsen will mit der neuen Corona-Schutzverordnung das sogenannte 2G-System als Optionsmodell einführen. Demnach sollen nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu Restaurants, Einrichtungen oder Events von bis zu 5000 Menschen erhalten, wenn der Veranstalter das für sich selbst entscheidet, gab Staatskanzleichef Oliver Schenk (CDU) am Dienstag in Dresden bekannt
Gastronomen und Veranstalter in Sachsen-Anhalt können künftig selbst entscheiden, ob sie nur noch geimpfte und genesene Gäste empfangen oder auch weiterhin auf das 3G-Modell setzen, das auch getestete Personen einschließt. Die optionale 2G-Regel ist in der neuen Corona-Schutzverordnung vorgesehen, wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nach der regulär letzten Kabinettssitzung der laufenden Legislaturperiode am Dienstag in Magdeburg sagte. Die inzwischen fünfte Änderung der 14. Eindämmungsverordnung gegen das Coronavirus gilt bis zum 7. Oktober.
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Auch die Landesregierung in Baden-Württemberg hat ab diesem Montag neue Auflagen beschlossen, bei denen ab einer bestimmten Alarmstufe strengere 2G-Regeln gelten. Ab einer Hospitalisierungsrate von 12 Personen pro 100.000 Einwohner und Woche oder sobald 390 Intensivbetten im Bundesland mit COVID-19-Erkrankten belegt sind, sind negativ Getestete von Aktivitäten wie Restaurantbesuchen ausgeschlossen.
PCR-Tests in Baden-Württemberg
Eine vorherige Warnstufe schließt negativ Getestete zwar nicht aus, sie müssen dann jedoch einen PCR-Tests vorlegen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben – gewöhnliche Schnelltests reichen nicht mehr aus. Sie gilt ab einer Hospitalisierungsrate von 8 oder sobald 250 Intensivbetten mit COVID-19-Erkrankten belegt sind. Ausnahmen gelten für Läden der Grundversorgung, etwa Supermärkte und Tankstellen.
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In Thüringen prüft das Gesundheitsministerium die Einführung einer 2G-Regelung für bestimmte Bereiche. In Schleswig-Holstein will die Regierung am Mittwoch eine neue Verordnung beschließen, wonach ab 20. September Vorgaben zu Abstand und Masken für Geimpfte, Genesene und negativ Getestete entfallen. Im Fall einer Verschärfung der Corona-Lage ist generell „ein Übergang zu einer 2G-Regelung mit 3G-Option vorgesehen“ - und bei 3G würden verstärkte Auflagen gelten.
Brandenburg plant ebenfalls die Einführung der „2G-Regel“. Veranstalter und Betreiber können demnach nur Geimpften, Genesenen und Kindern bis 12 Jahren Zutritt gewähren, einzelne Corona-Auflagen sollen entfallen.
In Nordrhein-Westfalen ist 2G noch nicht geplant. Zwar spricht sich der Arbeitgeberpräsident für weitgehende 2G-Regelungen in Betrieben aus: „Ich bin überzeugt, dass sich das 2G-Prinzip in vielen Bereichen des täglichen Lebens durchsetzen wird. Wer sich nicht impfen lassen will, wird auf Dauer Einschränkungen in Kauf nehmen müssen, auch am Arbeitsplatz“, sagte Kirchhoff dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Doch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hält vorerst an der 3G-Regel fest. Er wolle erst einmal beim Testen bleiben und sehen, wie sich die Situation auf den Intensivstation entwickele.
Deutlich strengere Auflagen gibt es in Rheinland-Pfalz. Dort gilt eine sogenannte 2G-Plus-Regelung mit Einschränkungen für Ungeimpfte. „Für Geimpfte und Genesene bleibt es bei einem sehr großen Stück Normalität“, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Laut Verordnung gibt es drei neue Warnstufen, die sich aus der Sieben-Tage-Inzidenz, dem Sieben-Tage-Hospitalisierungswert und dem Anteil der mit Covid-19-Erkrankungen belegten Intensivbetten zusammensetzen.
Wenn mindestens zwei der Indikatoren über drei Tage am Stück bestimmte Werte erreichten, wird die nächsthöhere Stufe ausgerufen. In der ersten Warnstufe dürfen sich beispielsweise maximal 25 ungeimpfte Menschen im öffentlichen Raum treffen, in der zweiten nur noch zehn und in der dritten noch fünf Personen.
Kein Lohn für Ungeimpfte in Quarantäne
Außerdem hat Rheinland-Pfalz beschlossen, dass Ungeimpfte zum 1. Oktober keine Entschädigungszahlungen mehr bekommen, wenn sie wegen einer Quarantäne nicht arbeiten können. Die Regierung begründet dies damit, dass eine Quarantäne durch eine Corona-Impfung häufig vermieden werden könne. Baden-Württemberg zahlt in diesem Fall schon ab dem 15. September keine Lohnentschädigung mehr.
Auch andere Bundeländer spielen mit dem Gedanken, die Entschädigungszahlungen für Ungeimpfte auszusetzen. Angestoßen hatte den Vorschlag Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Ich sehe nicht ein, warum auf Dauer andere zahlen sollen, wenn sich jemand nicht für die kostenlose Impfung entscheidet, wenn er könnte“, sagte Spahn der „Bild“.
Einige Bundesländer folgten Spahns Rat: Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen kündigten entsprechende Maßnahmen an. In NRW soll die Regel am 11. Oktober in Kraft treten. Davon ausgenommen seien Menschen, die sich nicht impfen lassen können. NRW-Gesundheitsminister Laumann sagte: „Wer sich also die Freiheit herausnimmt, sich nicht impfen zu lassen, obwohl medizinisch nichts dagegen spricht, steht für die Folgen seiner Entscheidung selbst ein – nicht der Arbeitgeber, nicht die Solidargemeinschaft.“ Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist von alledem unabhängig. Wer krank ist, auch als Ungeimpfter mit Corona-Symptomen, erhält seinen Lohn im Krankheitsfall auch weiterhin.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte die Vorhaben der Landesregierungen. Er warnte, dass sich Ungeimpfte eventuell nicht testen lassen würden, um weiterhin bezahlt zu werden: „Die Idee, dass Ungeimpfte erst für ihren Corona-Schnelltest selbst zahlen, dann einen PCR-Test machen und danach in unbezahlte Quarantäne gehen, ist zu schön, um wahr zu sein“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Lauterbach schlägt deshalb vor, in Innenräumen konsequent die 2G-Regel durchzusetzen, um sicherer durch die kalten Jahreszeiten zu kommen. Auch wenn dies im Wahlkampf ein unbeliebtes Thema sei, sei es „nur konsequent, wenn an Orten mit hohem Infektionsrisiko die 2G-Regel gilt“, schrieb der Epidemiologe auf Twitter.