Demoskop Richard Hilmer zu AfD: "Das geht bis tief in die Mittelschicht hinein"
Nach den zweistellige Ergebnissen bei den Landtagswahlen fragen viele: Wer wählt eigentlich die AfD? Und etabliert sich die Partei jetzt dauerhaft? Ein Gespräch mit dem Demoskopen Richard Hilmer.
Herr Hilmer, die AfD hat bei den Landtagswahlen in allen drei Bundesländern zweistellige Ergebnisse eingefahren. Woran liegt das?
Es liegt an der Flüchtlingspolitik. Die Wähler in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren mit ihrer Landesregierung durchaus zufrieden. Wenn das nicht für eine Wiederwahl ausreicht, muss es mit der Bundespolitik zu tun haben. Dabei hält aber nur ein geringer Teil der Bürger die AfD tatsächlich für eine gute Alternative. Viele andere wollten eine Botschaft an die beiden großen Parteien senden, die Flüchtlingspolitik besser zu machen und zu erklären.
Wer sind denn die AfD-Wähler?
Die Wähler der AfD sind in hohem Maße verunsichert. Sie haben Angst um ihre eigene Position und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Im Osten Deutschlands ist dieses Gefühl sehr viel stärker anzutreffen als im Westen. Interessant ist aber, dass es nicht nur die unteren Schichten betrifft. Die AfD ist keine Prekariatspartei wie die NPD - im Gegenteil. Die AfD-Wählerschaft reicht bis tief in die Mittelschicht hinein.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass sich die AfD dauerhaft etabliert wie die FPÖ in Österreich oder der Front National in Frankreich?
Wir haben bisher die Erfahrung gemacht, dass populistische Parteien oft an sich selbst und inneren Widersprüchen scheitern. Auch in der AfD gibt es verschiedene Strömungen: von der Nähe zur Rechtsradikalität in Sachsen-Anhalt bis hin zu bürgerlichen Erscheinungsformen in Baden-Württemberg. Das unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach. Der kleinste gemeinsame Nenner ist die Ablehnung der Flüchtlingspolitik, die auch von ihren Wählern geteilt wird.
Glauben Sie also wie einige Politiker, dass die AfD wieder verschwindet, wenn Europa die Flüchtlingskrise in den Griff bekommt?
Darauf würde nicht unbedingt hoffen. Tatsächlich ist das Parteienspektrum sehr stark in die Mitte gerückt, so dass rechts von der CDU ein Vakuum entstanden ist. Das lässt Platz für neue Gruppierungen, zumal es die AfD versteht, vernachlässigte Themen in den Mittelpunkt zu rücken. Das betrifft nicht nur die Flüchtlingspolitik, sondern auch Familienpolitik und Kriminalität. Wenn sich die AfD sich hier positionieren kann, ist das attraktiv für bürgerliche Wähler und es besteht die Gefahr, dass sie zu einer Konkurrenz wird, die längerfristig besteht.
Wie sollen die etablierten Parteien Ihrer Meinung nach mit der AfD umgehen?
Man muss die AfD hart anpacken und zeigen, dass ihre Lösungsvorschläge keine sind. Gleichzeitig muss die Politik deutlicher machen, wie sie die Integration der Flüchtlinge bewältigen will. Denn wenn man den Fokus nur auf die Außenpolitik richtet, dann ist das keine Antwort auf die Probleme hier im Lande. Jetzt wo die Zahlen der ankommenden Flüchtlinge zurückgeht, bietet das außerdem die Möglichkeit, die liegen gebliebenen Asylanträge aufzuholen. Es ist eine schwierige Aufgabe, die gelingen kann. Die Botschaft "Wir schaffen das" alleine reicht aber nicht, es kommt jetzt darauf an, überzeugende Integrationskonzepte vorzulegen.
Können die etablierten Parteien die verlorenen Wähler von der AfD wieder zurückgewinnen?
Ja, sie sind schließlich alles andere als überzeugt von deren Politikangebot. Zumal es passieren kann, dass ihr Auftreten in den Parlamenten der Partei nicht unbedingt zur Ehre gereichen wird. Man hat es ja beispielsweise bei der Schill-Partei und Hamburg oder der DVU in Sachsen-Anhalt gesehen. Damals waren die Wähler teilweise schockiert, wen sie da gewählt hatten. Ihr Auftreten in den Parlamenten wird zur Nagelprobe für die AfD. Wenn sie ihre Rechtslastigkeit nach außen trägt und der Höckesche Flügel dominiert, wird das einen Großteil ihrer Wähler abschrecken.
Richard Hilmer war bis 2015 Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap. Anschließend gründete er das Unternehmen Policy Matters, das unter anderem Parteien, Verbände und Unternehmen berät.