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Alice Weidel und Alexander Gauland, die Fraktionsvorsitzenden der AfD. Böse? Vielleicht. Banal? Wahrscheinlich.
© Wolfgang Kumm/dpa

Trump, Brexit, AfD: Das Ende des Rechtspopulismus

Donald Trump schwächelt, der Brexit produziert nur Chaos, und Flüchtlinge kommen kaum noch. Warum die Angst vor Rechten übertrieben ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht gemahnt und gewarnt wird. Die gut gemeinte Dauerbesorgnis erinnert an die achtziger Jahre, als es um die Zerstörung der Welt durch Atomwaffen und die Vernichtung der Wälder durch sauren Regen ging. Heute sind angeblich die Fundamente der Zivilisation bedroht, die Demokratie, der Liberalismus, die westliche Wertegemeinschaft. Der Gegner scheint mächtig zu sein und immer mehr Menschen in seinen Bann zu ziehen. Wer ist dieser Gegner? Sein Wesen charakterisieren drei Stichworte: Brexit, Trump, Rechtspopulismus.

Beginnen wir von hinten. In Europa hat der Rechtspopulismus sein Wähler-Reservoir offenbar ausgeschöpft. Emmanuel Macron setzte sich klar gegen Marine Le Pen durch, Geert Wilders blieb hinter den Erwartungen zurück, Italien wird von einer linksrechtspopulistischen Koalition regiert, die mal Hü, mal Hott sagt, die AfD ist in jüngsten Umfragen auf elf Prozent abgesackt. Der voraussichtliche Erfolg der AfD bei den drei Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen wird zwar labile Gemüter erneut in Entsetzen versetzen, aber die Ausnahme von der Regel sein. Das Schwächeln der AfD liegt vor allem daran, dass die Propaganda der Partei zunehmend ins Leere läuft, weil die Quelle ihrer Ressentiments versiegt. In den Jahren 2015 und 2016 stellten mehr als 1,2 Millionen Menschen in Deutschland einen Asylantrag, ein Jahr später waren es noch 222.683, im vergangenen Jahr nur noch 185.853. Das sind weniger als 2014 und weniger als jene 200.000, die von der CSU stets als Obergrenze verlangt worden waren. Bilder von überfüllten Turnhallen, überbelegten Asylunterkünften und langen Registrierungsschlangen sind rar geworden.

Populismus ist wie Fast Food. Einfach zu konsumieren, aber ungesund.

schreibt NutzerIn al.dente

Zigtausende offene Stellen müssen besetzt werden

Die Integration wiederum läuft besser als erwartet, sagt etwa Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Angela Merkel habe mit ihrem Satz „Wir schaffen das“ recht behalten. Viele Flüchtlinge hätten schnell einen Ausbildungs- oder sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz gefunden. Außerdem könnten die meisten jungen Migranten nach einem Jahr Unterricht so gut Deutsch, dass sie dem Berufsschulunterricht folgen könnten. Auch die Bundesagentur für Arbeit zieht eine positive Bilanz.

Die Tendenz hält an. In diesem Jahr sei ein neuer Beschäftigungsrekord zu erwarten, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, die Arbeitslosenquote werde auf 4,9 Prozent sinken, die Nettolöhne würden um 4,8 Prozent steigen. Zigtausende offene Stellen müssen besetzt werden. Besonders in der Industrie, auf dem Bau und in der Pflege fehlen Arbeitskräfte. Fast flehentlich bitten Unternehmen auf Bussen und Bahnen, Bannern und Plakaten um Bewerbungen.

Entgegengesetzt fallen die Prognosen dort aus, wo der Rechtspopulismus an die Macht kam – wie in den USA. Trumps gigantische Steuersenkung, insbesondere für Großkonzerne, hat das Staatsdefizit aufgebläht, das anschließende Wirtschaftswachstum wird wohl ein Strohfeuer gewesen sein. Der Beginn der nächsten Rezession, sagen Experten, zeichne sich für Ende 2019 oder Anfang 2020 ab.

Mehr Gelassenheit und Augenmaß tut Not

Und sonst? Trump hat nie eine Mehrheit der Wähler hinter sich gehabt, seine Popularitätswerte sind miserabel, bei den letzten Wahlen zum Repräsentantenhaus stimmten 9,4 Millionen Wähler mehr für die Demokraten als für die Republikaner. Im jüngsten Haushaltsstreit hat der Präsident gepokert, geblufft und verloren.

Für rational urteilende Menschen dürfte der real existierende Trumpismus ungefähr so attraktiv sein wie der real existierende Brexit in Großbritannien. Auch dort haben sich durch Rechtspopulisten vor allem Wut, Zerknirschung und Polarisierung ausgebreitet.

Ist der Rechtspopulismus eine immer stärker werdende kulturelle Gegenrevolution? Klar ist, dass den Rechtspopulisten ein solches Image ganz gelegen kommt, weil es ihnen übergroße Macht verleiht. Umso unverständlicher, dass diese Legende auch vom „Establishment“ verbreitet wird. Mit dem Vorwurf, an der Spitze einer brandgefährlichen Bewegung zu stehen, lebt es sich für AfDler doch ganz gut. Kritisch wird es für sie erst, wenn die Öffentlichkeit dahinter kommt, was für mediokre Hanseln sie sind.

Etwas mehr Selbstbewusstsein, Gelassenheit und Augenmaß tut Not. Ist die AfD wirklich ein Fall für den Verfassungsschutz? Oder hilft ein solcher Popanz der Partei, sich als verfolgte Unschuld zu inszenieren? Eine Gesellschaft, die wegen Alice Weidel und Alexander Gauland in existenzielle Ängste gerät, produziert ihre eigene Schwäche.

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