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Wegen einer Krankschreibung ins Risiko? Lieber noch nicht.
© Mike Wolff

Corona-Ausnahme sollte verlängert werden: Das Ende der telefonischen Krankschreibung ist fahrlässig

Ab Montag müssen hustende Patienten wieder für eine Krankschreibung in eine Praxis gehen. Das ist gefährlich, denn die Coronakrise ist lange nicht vorbei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Es ist schon heftig, wenn sich in unserem Gesundheitswesen mitten in einer hochgefährlichen Pandemie Arbeitgeber und Krankenkassen mit ihren Interessen gegen den Sachverstand von Ärzten, Krankenhäusern und Patientenvertretern durchsetzen. So geschehen am vergangenen Freitag. 

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Die Kassen haben im höchsten Selbstverwaltungs-Gremium, dem Gemeinsamen Bundesausschuss, mithilfe von dessen Vorsitzenden erzwungen, dass die Ausnahmeregelung, wonach sich Versicherte mit Atemwegsinfekten wegen der Coronakrise auch telefonisch krankschreiben lassen können, gestoppt wird.

Und zwar unverzüglich. Von diesem Montag an müssen sich alle Arbeitnehmer, die sich zu schlapp für die Arbeit fühlen, erstmal wieder in eine Arztpraxis setzen, um zuhause bleiben oder im Homeoffice pausieren zu dürfen. 

Sie kommen vielleicht mit Mundschutz, vielleicht auch nicht. Sie werden Türgriffe berühren, herumhusten, ihre Ärzte und deren Helferinnen in Schutzkleidung zwingen, sofern vorhanden. Und ob das Abstandsgebot in jedem Wartezimmer eingehalten werden kann, ist auch die Frage.

Die Ärzte haben recht mit ihrer Kritik

Viele Mediziner fanden die Regelung, dass in dieser Ausnahmesituaton füt eine Krankschreibung auch ein Anruf genügt, hilfreich - und empfinden das plötzliche Ende dieser Vorsichtsmaßnahme als verfrüht. Auch viele Politikexperten warnen, parteiübergreifend übrigens.

Sie haben recht. Durch den erzwungenen Kontakt in Arztpraxen können neue Infektionsherde entstehen. Patienten und das Personal der Praxen, die sich auf die kurzfristig veränderte Situation nicht vorbereiten konnten, werden gefährdet. 

Kranke könnten sich nicht in die Praxen trauen

Und Menschen mit anderen ernsthaften Erkankungen trauen sich nun womöglich noch weniger zum Arzt, obwohl sie dort dringend hingehören würden. Nein, die Coronakrise ist längst nicht vorbei, sie befindet sich grade am Scheitelpunkt. Da kann schnell wieder was kippen. 

Das oberste Gremium der Selbstverwaltung mit seinem Vorsitzenden sollte die Größe haben, den voreiligen Beschluss zu revidieren und die Ausnahmeregel verlängern. Notfalls muss Gesundheitsminister Jens Spahn ein Machtwort sprechen.

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