Überteuerte Sanierung des Segelschulschiffs: Das Drama um die Gorch Fock
Die Sanierung der Gorch Fock ist zum finanziellen Debakel geworden – und die Werft ein Sanierungsfall. Aus schwierigen Tagen für ein deutsches Symbol.
Im Rumpf der Gorch Fock klafft ein letztes großes Loch. Nun soll auch das geschlossen und die rostrote, nackte Außenhaut mit Stahlplatten zugeschweißt werden. Fieberhaft arbeitet die Werft daran, das Schmuckstück der Marine, nationales Symbol, zum Schwimmen zu bringen. Derzeit aufgebahrt in einem Trockendock in Bremerhaven, den Blicken der Öffentlichkeit durch Planen und Gerüste entzogen.
Denn schön ist es nicht, wie der ausgeweidete Segler sich präsentiert. Ohne Masten und Takelage. Ruderanlage, elektronische Geräte, Kabel und Versorgungsleitungen ausgebaut, Innenverkleidungen herausgerissen. Am 21. Juni soll das Gefährt zu Wasser gelassen werden und das Trockendock verlassen können, dessen Nutzung jeden Tag 10.000 Euro kostet.
Die Werft sagt, dass es klappt. Die Marine meint, dass es klappen müsste, und im Verteidigungsministerium hofft man, dass es klappt, weil es endlich mal eine gute Nachricht wäre.
Haben sich Marine und Werft übernommen?
Doch Kurt Wiechmann glaubt nicht daran. Im Winter ist der 75-jährige ehemalige Chef der Elsflether Werft noch selbst im Bauch der Gorch Fock herumgestiefelt, die er kennt wie kaum ein anderer. Er hat das Chaos gesehen, wie die Decks bis auf das Stahlgerippe entkernt waren und die Technik in Einzelstücke zerlegt auf ihren Wiedereinbau wartete. Und da beschlichen ihn Zweifel. Ob sich Marine und Werft gehörig übernommen hatten?
Spätestens seit ein Korruptionsfall die Instandsetzung der Gorch Fock überschattet, ist sie zu einem Symbol für Missmanagement und Betrug geworden. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt gegen zwei ehemalige Werftvorstände wegen des Verdachts der Untreue und gegen einen Mitarbeiter des Marinearsenals wegen möglicher Bestechlichkeit.
Im Dezember 2018 drehte die Marine den Geldhahn zu und legte damit vorübergehend sämtliche Zahlungsketten des aufwändigen Projekts trocken. In der Folge glitt die federführende Elsflether Werft in die Insolvenz, und die Bredo-Werft in Bremerhaven reklamiert das Schiff jetzt wegen ausstehender Forderungen als „Pfand“ für sich.
Das Ende einer Ära
Es könnte das Ende einer Ära bedeuten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen muss das berühmte Schiff nun erst mal auslösen. Seine Wiederindienststellung hat sie bereits davon abhängig gemacht, dass der Kostenrahmen von 128 Millionen Euro eingehalten wird.
Die Strudel dieser Affäre wirbeln einiges durcheinander. Sie drohen auch das Lebenswerk von Kurt Wiechmann fortzuspülen. Er war es, der die Gorch Fock im Jahr 2000 zum ersten Mal „nach Elsfleth“ holte und das Unternehmen als Hauswerft des Schiffes etablierte. Alle zwei Jahre wurde die „white lady“ mehr oder weniger umfangreich aufgemöbelt, nie verließ sie die Reparaturwerft als das Schiff, als das sie gekommen war.
Wiechmanns Lebensgeschichte ist also eng mit der Gorch Fock verknüpft, und die Werft ist es auch. Und dann ist da noch eine dritte Dimension des Gorch- Fock-Dramas, die berührt sein Innerstes: seine Familie und die heikle Frage, ob ein Vater seinem Sohn trauen kann, den er als seinen Nachfolger aufgebaut hat und der nun tief verstrickt ist in den Korruptionsskandal. Der Verdacht besteht, dass der Junior an überhöhten Rechnungen von Subunternehmern mitverdient habe.
Die Gründe für das Fiasko reichen weit zurück
Kurt Wiechmann parkt sein Mercedes-Coupé am Ufer der Weser, wenige Autominuten von Elsfleth entfernt. Das abfließende Wasser legt Schlickbänke frei und gelegentlich schiebt sich ein Küstenschiff durchs Bild, um seine Ladung flussabwärts zu bringen. Das Bild gehört zu einem Lokal mit Aussichtsterrasse. Der frühere Werftchef, seit 2011 im Ruhestand, nach mehr als 50 Jahren im Betrieb, hat sich den Platz ausgeguckt, um ungestört zu reden.
Mit seiner Ruhe ist es nicht mehr so weit her, seit ihn halb Elsfleth auf der Straße meidet und selbst ehemals enge Mitarbeiter verstohlen in den Maibaum starren, statt ihn zu grüßen, wie er es gewohnt ist und wohl auch erwartet. Er, der Patriarch im hellbraunen Veloursleder-Jackett, die krummen Beine eines Malochers, Metallstaub auf der Zunge, die Stimme rau und weich. Einer, der viel verlangte, für seine Leute jedoch dagewesen sei. In einer Klarsichthülle hat er Zeitungsartikel und Dokumente mitgebracht.
Er zögerte, bevor er dem Treffen zustimmte. Beim ersten Telefonat meinte er, dass die Gründe für das gegenwärtige Gorch-Fock-Fiasko weit zurückreichen würden, viel könne er da erzählen, aber irgendwann käme man doch an den Punkt, da man über die Zukunft von Werft und Schiff sprechen müsse. Würden seine Worte nicht die Existenz von 120 Werftarbeitern und ihren Familien aufs Spiel setzen?
Steht es so schlimm, Herr Wiechmann?
„Schauen Sie sich um“, sagt er und deutet auf die Wiesen hinterm Deich, „sehr viel gibt es hier nicht, was einen ernährt.“
Mit jedem Schiff kreieren Werftarbeiter einen Organismus
Schiffe gehörten immer dazu. Doch sein Vater wollte ihn vor dem Elend dieser Schwerstarbeit bewahren, die es bedeutet, aus Stahl etwas zu formen, das dem Meer standhält. Aber da war die Werksirene um 6.45 Uhr, die seiner Kindheit einen vertrauten Ton gab, da waren Schiffe, wenn er aus dem Fenster sah, und er erinnert sich an die Tage, an denen die Arbeiter ihren Lohn ausbezahlt bekamen und es laut wurde auf der Straße.
Mit 13 ging Wiechmann zur Werft. Seine erste Lektion: Da stand eine Schubkarre randvoll beladen mit leeren Bierflaschen in der Gießerei. Die hatte er morgens zur Kantine zu bringen und aufzufüllen für die Männer der Hitze. Wiechmann stellte sich geschickt an als Zeichner und kam in die Konstruktionsabteilung. 1962 übergab er sein erstes Schiff an die Marine. Tender Weser, 18 000 PS, 24 Knoten Höchstgeschwindigkeit, ein Hightech-Gefährt.
Wie er davon erzählt, spricht aus ihm Stolz. Denn mit jedem Schiff kreieren Werftarbeiter einen Organismus, den nur sie selbst wirklich durchdringen. Wenn nach den Erprobungsfahrten letzte Fehlerquellen beseitigt, die Maschinen aufeinander abgestimmt sind und die Arbeiter das Schiff endgültig verlassen, geht mit ihnen auch das Wissen von Bord, wie alles mit allem zusammenhängt. Mit dem Evangelium des Kapitalismus, dass jeder Mensch ersetzbar ist, haben Werftarbeiter wie Wiechmann deshalb wenig zu schaffen. Wer ihren Stolz verletzt, der bekommt ein Problem.
Die Rettung war purer Zufall
Seinen letzten Neubau lieferte Wiechmann 1994 ab, ein Segelschiff für die Deilmann-Reederei, die das „Traumschiff“ betrieb und glaubte, dass ein Dreimaster sich gut machen würde in ihrem Programm. Hundert Millionen D-Mark kostete der Kreuzfahrtsegler. Für die Werft war es ein ruinöses Projekt. Sie ging darüber pleite. Damals stand sie an demselben Punkt, an den die Gorch Fock sie nun abermals gebracht hat.
Die Rettung war purer Zufall. Eine Reederin aus Hamburg setzte sich - zunächst eher widerwillig - an die Spitze eines Konsortiums, das die Werft aus der Insolvenzmasse herauslöste. Geld brachte Brigitte Rohden nicht mit. Vor allem ihr Mann, ein Kapitän, war finanziell involviert. Wiechmann wurde Geschäftsführer. Er konzentrierte sich auf das frühere Kerngeschäft, Marine-Aufträge, entwickelte überdies, wie er sagt, ziemliches Geschick darin, Werftgewinne vor dem Zugriff der Eigentümerin zu verbergen.
Eines Tages wurde ihm ein junger Anwalt vorgestellt, an den Brigitte Rohden ihre Villa an der Elbchaussee verkauft hatte, für den Preis einer Leibrente: Marcus Reinberg war von nun an Rohdens „Berater“ („den müssen Sie schon akzeptieren“) und derjenige, „der immer Geld haben wollte“, wie Wiechmann sagt. Der knurrige, entschlossene Mann sträubte sich hartnäckig gegen Bürgschaften und Darlehen, die zulasten der Werft gegangen wären. Und er entwickelte einen feinen Sinn für die Gefahren, die der Werft drohten. Von dem Einflüsterer an Rohdens Seite und von der Marine, die bald 90 Prozent des Umsatzes ausmachte.
Vor der Gorch Fock hatte man ihn gewarnt
Vor der Gorch Fock hatte man ihn gewarnt. Die sei zu groß für Elsfleth. Trotzdem setzte sich Wiechmann 1999 gegen mehr als ein Dutzend Mitbewerber durch, bekam den Auftrag. Die Kosten stiegen von 19 auf 54 Millionen Mark. Der Bundesrechnungshof bemängelte das. Doch waren im Verlauf der Sanierung eine ganze Reihe „sicherheitsrelevanter Aspekte“ zutage getreten. Die Bullaugen mussten vergrößert, Kabinen für weibliche Besatzungsmitglieder eingebaut und eine Teerschicht beseitigt werden, die ursprünglich als Rostschutz aufgetragen worden war.
Wie sich zeigen sollte, hatte Wiechmann jetzt zwar einen riesigen Auftrag, aber kein Geld. Denn die Marine zahlte nicht. Der Werftchef verpfändete sein Haus, um seine Angestellten bezahlen zu können. Wenn er daran zurückdenkt, schüttelt er seinen massigen Schädel. Der Deal mit der Bank ging ohne Papiere über die Bühne. „Wie hätte ich die Rückzahlungen auf mein Konto erklären sollen, wenn das herausgekommen wäre?“
Es ging gut. „Man wird ja immer schlitzohriger“, sagt Wiechmann in einem Anflug von Selbsterkenntnis, „und man wird immer vollkommener.“
Das Schiff wurde immer moderner
Mit jeder weiteren Werftliegezeit der Gorch Fock wurde das Schiff moderner. Eine Klimaanlage kam hinzu, eine Schmutzwasseraufbereitung. Stets wurden die besten Navigationsgeräte angeschafft, ein Bordcomputer wurde so konfiguriert, dass er Segelzahl, Ballastverteilung und Maschinenantrieb für eine gewünschte Geschwindigkeit berechnete.
Weshalb es durchaus irreführend ist, von einem „Oldtimer“ zu sprechen. Altertümlich sind nur die manuelle Bedienung und die Unterbringung der Kadetten in Hängematten. Dennoch: Der Nachwuchs lernt, dass der Mensch auf See an Grenzen stößt, die er nicht überwinden kann. Wenn die Offiziersanwärter später ein Kommando haben, soll ihnen diese Erfahrung helfen, die richtigen Entscheidungen zu fällen. Wie viel diese Ausbildung noch zählt, ist im politischen Berlin heftig umstritten.
Als die Sanierungskosten 2015 auf 9,8 Millionen Euro taxiert wurden, wusste man in Elsfleth aus Erfahrung, dass es bei dieser Summe nicht bleiben würde. Sieben Mal war die Gorch Fock zuvor von der Werft betreut worden. Und immer hatte die Marine ihre Wunschliste nachträglich erweitert. So kam es jetzt wieder. Ein erster Baustopp wurde im Oktober 2016 verhängt, da war der Betrag auf knapp 35 Millionen angewachsen. Ein zweiter Baustopp erfolgte im Januar 2018, da waren 128 Millionen erreicht.
Wäre ein Neubau wirtschaftlicher gewesen?
Der Bundestagsabgeordnete der Grünen Tobias Lindner vergleicht die Situation mit der Renovierung eines Hauses, in das man Handwerker geschickt habe, ohne zu wissen, was sie reparieren sollen. In der Tat hatten sich die schiffbaulichen Untersuchungen zunächst auf Stichproben beschränkt. Erst allmählich ging das Marinearsenal systematisch vor. So kam es, dass Teile demontiert wurden, die bereits neu eingebaut worden waren.
Lindner glaubt, dass ein Neubau womöglich wirtschaftlicher gewesen wäre, und er beruft sich auf Baukosten von 15 Millionen Euro, die eine niederländische Werft für einen ähnlich großen Segler bekommen habe. Als Wiechmann vom Rüstungsamt in Koblenz vor Jahren gebeten wurde, die Kosten für einen Neubau zu beziffern, kam er auf 300 Millionen Euro.
Trotzdem wundern ihn die Kostensprünge. Wie das angehen könne, wollte Wiechmann im Herbst von einem Inspektor des Marineunterstützungskommandos (MUKdo) erfahren, den er in Hamburg auf einer Schiffbaumesse traf. Sie kannten einander von früheren Projekten, Wiechmann habe ihn gewohnt flapsig gefragt, ob er die Gorch Fock „vergolden“ wolle. Warum denn neue Masten nötig seien, die allein mit 3,8 Millionen zu Buche schlügen? Darauf sei der andere wütend geworden. Was ihm denn einfalle, das Schiff sei Baujahr 1954 und marode, alles Schrott. Außerdem habe er noch keinen Werftmenschen erlebt, der so etwas von sich gebe. Er, Wiechmann, solle doch froh sein, dass seine Werft einen solchen Auftrag erhalten habe. Wiechmann fragt: „Ist das normal?“
Organisierte Verantwortungslosigkeit im Ministerium
Seine Anekdote soll eine Mentalität anschaulich machen, mit der man es bei der Marine zwangsläufig zu tun bekommt. „Es gibt niemanden, der dem verschwenderischen Gebaren die Grenzen aufzeigen würde“, sagt Wiechmann. „Wer widerspricht schon einem, der behauptet, das muss neu? Keiner will die Verantwortung für etwas übernehmen, das er nicht versteht.“ Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagt: „In der Regel wird den Empfehlungen der Sachverständigen des MUKdo gefolgt.“
Der MUKdo-Experte hatte auf der Werft den Namen „Monsieur 200 000“ weg, erzählt Wiechmann. Immer, wenn er erschien, war der Vertragsumfang um 200 000 Euro größer geworden.
Heute weiß man, dass sich die organisierte Verantwortungslosigkeit bis in die Spitze des Verteidigungsministeriums hineinzieht. Der Bundesrechnungshof hat die „Verschwendung von Ressourcen“ scharf kritisiert. Von der Leyen sagt, dass sie falsch informiert worden sei, als sie die Fortsetzung der Arbeiten genehmigte.
Aber kann das stimmen? Die Kosten seien von der Werft nach jeder Umfangerweiterung an das Ministerium weitergeleitet worden, sagt ein mit dem Vorgang vertrauter Werftmitarbeiter. Vor der letzten Kostenexplosion bekam die Marine kalte Füße und wollte einen Pauschalpreis vereinbaren. Sie drohte, das Projekt zu stoppen, wenn die Elsflether Werft sich nicht auf einen verbindlichen Kostenrahmen festlegte. Das wäre das Ende der Werft gewesen, sagt ein Beteiligter.
Ärger war programmiert
Der technische Vorstand Klaus Wiechmann schätzte den Arbeitsumfang auf 128 Millionen Euro. Die Marine erklärte diese Summe zur Obergrenze. Doch gab es offenbar keine exakte Leistungsbeschreibung, die dieser Zahl entsprochen hätte. Die Marine wusste nicht, was sie für die Summe bekam, die Werft wusste nicht, wie viel sie insgesamt leisten sollte. Ärger war programmiert.
Die Selbstanzeige des Kostenprüfers G. im Dezember 2018 brachte dann jedoch viel mehr ins Wanken als einen Sanierungsauftrag: Der Mann des Marinearsenals, dessen Büro sich auf dem Werftgelände in Bremerhaven befand, hatte sich 800.000 Euro von der Werft geliehen, ohne entsprechende Sicherheiten anzubieten. War es womöglich „Schweigegeld“, um die Abzocke mit den überhöhten Rechnungen durchzuwinken, wie Insider heute vermuten?
„Mein Sohn hat sicher auch Fehler gemacht“, sagt Kurt Wiechmann über Klaus Wiechmann, der ihm in der Werftleitung nachgefolgt war und das Darlehen an Peter G. veranlasst hat. Das sei „naiv“ und „dumm“ gewesen, sagt der Alte. Ihm selbst war der Marineprüfer schon 1994 aufgefallen, er sei von ihm ebenfalls um Geld angegangen worden, ohne Erfolg. Sein Wissen behielt er für sich.
Es lief gut. Zu gut vielleicht
Dass sich Klaus Wiechmann persönlich bereichert haben soll, so der Vorwurf, weist der entschieden zurück. Der 50-jährige hatte am 31. Januar in seinem Büro gerade das Messer in der Hand, mit dem er eine Geburtstagstorte anschneiden wollte, da bekam er Besuch. Mehrere Herren aus Hamburg nahmen ihm die Büroschlüssel ab und wollten wissen, wie viel Geld sich auf den Firmenkonten befand. Das könne er ihnen nicht sagen, meinte Klaus Wiechmann. Auch wie hoch die Außenstände waren, wusste er nicht. Es lief ja gut. Zu gut vielleicht. Er nahm es nicht genau. Macht ihn das zum Betrüger?
In der Werft sah man das wohl so. Zuvor hatte man sich dort hilfesuchend an die Rohden-Töchter gewandt, um von den verdeckten Geldtransfers zu berichten. Seit die Reederin ihr Vermögen 2009 in eine Stiftung hatte einfließen lassen und Reinberg zu ihrem Testamentsvollstrecker und Generalbevollmächtigten ernannt hatte, war, was mit ihrem Geld passierte, jeder Kontrolle von außen entzogen. Im Januar 2018 starb Brigitte Rohden im Alter von 77 Jahren. Nach dem Hinweis aus Elsfleth informierten ihre Töchter im September die Hamburger Stiftungsaufsicht, doch ihr Bericht blieb dort drei Monate unbeachtet. Erst der Korruptionsfall in Elsfleth verschaffte ihnen Gehör.
Es zeigte sich, dass Reinberg als alleiniger Vorstand der Rohden-Stiftung seit Jahren elementare Dokumentationspflichten vernachlässigte. Für 2014 bis 2016 gab es keine Steuererklärungen und keine Verwendungsnachweise, die die Gemeinnützigkeit belegt hätten. Dass er zudem Werftdarlehen ohne Sicherheiten vergab, erwies sich als schwerer Verstoß gegen das Hamburger Stiftungsgesetz.
Ein Anwalt nennt das Vorgehen kriminell
Seine Nachfolger versuchen sich nun einen Reim aus dem Firmengeflecht zu machen, das Marcus Reinberg und Klaus Wiechmann im Schatten des Gorch-Fock-Deals ab 2016 aufgezogen haben. Sie stießen auf eine Reihe von Verwaltungsgesellschaften, über die das Duo zwölf Millionen Euro in hochriskante, zum Teil werftfremde Geschäfte wie eine Goldmine in der Mongolei investiert hat. Die Werft sei „ausgeräubert“ worden sagt ein Beteiligter. Kontostand null und die Kreditlinien der Bank komplett belastet. Auf 26 Millionen Euro sollen sich die Verbindlichkeiten summieren.
Ein mit dem Fall vertrauter Anwalt nennt das Vorgehen kriminell. Die Werft sei benutzt worden, um eigenes Kapital aufzubauen. „Wenn es schiefgegangen wäre, hätte man sie nicht belangen können.“
Die beiden Beschuldigten wehren sich gegen diesen Vorwurf mit dem Argument, dass sie den Werftbetrieb gegen Risiken absichern wollten. Die vormalige Eigentümerin Brigitte Rohden habe die Unternehmensgewinne „strategisch anlegen“ und eine „Risikostreuung vornehmen“ wollen. Doch war es dafür nötig, sich selbst zu Nutznießern zu machen? Brigitte Rohden sei zunehmend zu einer „Marionette“ geworden, sagt eine Insiderin, schwer erkrankt habe sie ihrer Funktion als Aufsichtsrätin schon länger nicht mehr richtig nachkommen können.
"Man kann sich alles kaufen, aber kein Gehirn"
Reinberg und Wiechmann können nichts Anstößiges daran finden, dass es niemanden gab, der diese Aktivitäten kontrolliert hat. Entsprechende Posten waren mit Vertrauten besetzt. Den Privatkredit an G. betrachtet Klaus Wiechmann ebenso als lohnende Investition für die Werft wie die Millionen, die aus Unternehmensgewinnen in andere Projekte flossen. Etwa in ein Trockendock und ein Werftgelände in Brake. Beides sollte die Elsflether künftig für Marineaufträge noch attraktiver machen. Sein Vermögen ist von einem Gericht gepfändet worden.
Der Alte sieht die Entwicklung mit Bestürzung. Da hat seine Werft den größten Auftrag in ihrer über 100-jährigen Geschichte, aber es kommen nur Streit und Niedergang und Schuldzuweisungen dabei heraus. Er ist den Tränen nah an diesem Tag, Blick auf die Weser.
Die Gorch Fock auseinanderzunehmen, sei einfach, sagt Wiechmann. Die Probleme häufen sich beim Zusammensetzen. Wenn eins ins andere greifen muss. Aber nun fehlen auf der Werft die Fachleute, die das Schiff seit mehr als zehn Jahren zu dem gemacht haben, was es ist. Man hat sie gleich mit rausgeschmissen, im Zuge der Affäre. „Man kann sich alles kaufen, aber kein Gehirn“, sagt der Alte.