Reform der Erbschaftsteuer: Das Dilemma der SPD
Die Sozialdemokraten sind bei der Reform der Erbschaftsteuer innerhalb der Koalition früh in die Defensive geraten - und kommen nicht mehr heraus.
Wolfgang Roth ist sozialdemokratische Vergangenheit. Der einstige SPD-Wirtschaftspolitiker, mittlerweile 74 Jahre alt, mischt sich aber hin und wieder noch ein. Dieser Tage etwa im Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Thema: Reform der Erbschaftsteuer. Am vorigen Mittwoch hatte das Kabinett den Gesetzentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beschlossen. Roth ist ungehalten. „Wie seid ihr auf die Idee gekommen, dass man Arbeitsplätze sichert, indem man die Erben reicher macht“, poltert er im schönsten Basiston. Er schäme sich, dass die Bundestagsfraktion ein solches Gesetz akzeptiere. Sie schäme sich auch für den Entwurf, entgegnet Cansel Kiziletpe, Berliner Abgeordnete, Finanzfachfrau und Parteilinke. Aber man sei an den Koalitionsvertrag gebunden. Das bringt das Dilemma der Sozialdemokraten bei diesem Gerechtigkeitsthema ganz gut auf den Punkt.
Die SPD war bei der Erbschaftsteuerreform freilich von Beginn an in der Defensive. In den Koalitionsverhandlungen wurde vereinbart, nur umzusetzen, was das Bundesverfassungsgericht konkret verlangt. Doch das Urteil im Dezember 2014 fiel milder aus, als viele erwartet hatten. Und so galt es als ausgemacht, dass Schäuble nur eine Minireform anpeilen werde. Das hätte der SPD Profilierungsspielraum gegeben. Aber Schäubles Eckpunkte vom Februar überraschten alle: Er ging die Sache recht radikal an, die Unternehmerverbände schäumten vor Aufregung. Und die SPD war auf dem falschen Fuß erwischt. Statt Verschärfungen fordern zu können, blieb ihr nur, sich hinter Schäuble zu stellen. Keine Abstriche bei den Eckpunkten des Finanzministeriums, lautete die Losung von Fraktionsvize Carsten Schneider. Zumal SPD-Landespolitiker wie der Stuttgarter Finanzminister Nils Schmid Schäuble vorwarfen, zu wenig mittelstandsfreundlich zu agieren.
Die CSU drängelt massiv
Dafür brachte sich nun massiv die CSU ein, im Verein mit einigen CDU-Wirtschaftspolitikern, und gerierte sich als Retterin des deutschen Mittelstandes. Nahezu jede Verbandsforderung schrieben die Bayern auf ihre Fahne. Mit Erfolg: Schäuble musste auf Druck von Horst Seehofer von seinen Eckpunkten abrücken und in einem ersten Gesetzentwurf vom Juni deutliche Abstriche zugunsten der Erben und Beschenkten machen. Doch der CSU genügte das nicht. Sie drängelte weiter und erreichte aus ihrer Sicht weitere Verbesserungen im Kabinettsentwurf, wenn auch um den Preis, dass Schneider in der Runde der zuständigen Fraktionsspitzen Forderungen der SPD unterbringen konnte, wenn auch nur im Detail.
Die CSU will jedoch weiterhin keine Ruhe geben, das machte die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner am Sonntag nochmals deutlich. Koalitionsvertrag hin, Koalitionsvertrag her. In der Kabinettssitzung in der vorigen Woche hatten die CSU-Minister sogar eine Protokollerklärung mit fünf Forderungen nach weiteren Verbesserungen für die Erben vorgelegt, die nun im parlamentarischen Verfahren eine Rolle spielen sollen. Ein seltener Vorgang. Und CDU-Fraktionschef Volker Kauder kündigte an, dass man den Unternehmern auch bei der Bewertung ihrer Betriebe (der Knackpunkt bei Schenkungen und Erbschaften) entgegenkommen und das Bewertungsgesetz ändern wolle.
"Keine weiteren Schmälerungen"
Der SPD bleibt damit weiter nur die Defensive, die ihre Minister in einer eigenen Protokollerklärung zur Kabinettsentscheidung festhielten: „keine weiteren Schmälerungen und Einschränkungen“. Kiziltepe betont: „Wir werden Änderungen beim Bewertungsgesetz nicht mitmachen, weil dann noch geringere Steuereinnahmen drohen.“ Vizekanzler Sigmar Gabriel hat sich bisher bei diesem Thema kaum engagiert. Es habe bei ihm keinen Vorrang, ist zu hören. Daher hat er wohl auch in den Gesprächen der Koalitionsspitzen Seehofer nicht zu bremsen versucht, zumal die beiden in der Energiepolitik zuletzt über Kreuz lagen.
Eine Chance für die SPD könnten die kommenden Anhörungen zum Gesetzentwurf im Bundestag sein. Dann wird es auch darum gehen, ob die Änderungen gegenüber Schäubles Eckpunkten verfassungskonform sind. Karlsruhe hatte verlangt, dass hohe Erbschaften nur noch nach einer Bedürfnisprüfung beim Erben von der Steuer verschont werden dürfen. Doch nun gibt es ein Wahlrecht: entweder Bedürfnisprüfung oder ein Abschlagsmodell, bei dem die Verschonung mit wachsendem Erbwert abgeschmolzen wird. Ab 142 Millionen Euro sind, je nach Konstellation, nur noch Verschonungsabschläge von 20 oder 35 Prozent möglich. Kiziltepe sagt, das Wahlrecht sei nicht verfassungsgerecht, denn damit gebe es einen Ausweg aus der geforderten Bedürfnisprüfung.
Hilft der Bundesrat?
Einige in der Bundes-SPD setzen auch noch Hoffnung auf den Bundesrat. Und in der Tat dürfte interessant sein, was demnächst in der Stellungnahme der Länderkammer zum schwarz-roten Gesetzentwurf steht. Im Bundesrat gibt es eine rot-rot-grüne Mehrheit. Damit könnte die Reaktion aus den Ländern (denen die Steuer zufließt) durchaus kritisch ausfallen. Aber nur, wenn das grün-rot regierte Baden-Württemberg dabei ist. Schmid freilich sieht den Kabinettsentwurf nur teilweise kritisch. Das Abschmelzmodell etwa lobt er ausdrücklich. Damit sei eine „Totalverschonung“ von besonders reichen Erben nicht mehr möglich. Die Bedürfnisprüfung könnte man, ginge es nach ihm, sogar streichen. Und eine Änderung des Bewertungsgesetzes hat Schmid schon früher einmal angeregt. Insofern ist eine harte Frontstellung der Ländermehrheit gegen den Kabinettsentwurf in diesen Punkten eher nicht zu erwarten. Über ein Vermittlungsverfahren zu spekulieren, sei verfrüht hat, sagt Schmid.
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