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Männer trauen sich - künftig richtig. Der Bundestags-Rechtsausschuss hat dafür am Mittwoch den Weg frei gemacht.
© Amanda Wignell Photography /dpa

Anti-Diskriminierung: Das Bekenntnis zur Ehe für alle ist überfällig - in der Verfassung

Die finale Gleichstellung von Schwulen und Lesben gehört in das Grundgesetz - und zwar nicht nur mit Blick auf das zuständige Gericht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Was es kostet, beim Verfertigen von Gesetzen die Verfassung zu missachten, ließ sich im Streit um die Kernbrennstoffsteuer beziffern. Sechs Milliarden Euro zahlt der Bund den Energiekonzernen zurück, nachdem das Karlsruher Gericht die Abgabe für unzulässig erklärt hatte. Dem Bund fehlte die Gesetzgebungskompetenz. Warnungen, dass es so kommen musste, gab es genug.

Die gute Nachricht ist, dass es bei der Ehe „für alle“ nur billiger werden kann. Jedoch keineswegs folgenlos. Wenn sich dereinst nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes tausende Homo-Paare das lang erstrebte Jawort der Ehe nach Bürgerlichem Recht gegeben oder ihre Lebenspartnerschaft in eine solche gewandelt haben, wäre es eine Zumutung, wenn die Damen und Herren in den roten Roben diesen Vereinigungen wieder die Grundlage entzögen. So kalkuliert auch die parlamentarische Mehrheit, die sich anschickt, der neuen Eheform mit einer älteren Bundesratsinitiative zur Geltung zu verhelfen – ohne die vielfach geforderte Änderung des Grundgesetzes.

Wer möchte den Buhmann spielen?

Die Chancen stehen gut, dass die Rechnung aufgeht. Erstens, weil derzeit noch nicht absehbar ist, ob das Gesetz tatsächlich vor Gericht landen wird. Für eine so genannte abstrakte Normenkontrolle beispielsweise müsste ein Viertel der Abgeordneten zusammenfinden oder sich eine Landesregierung hergeben. Hier ist fraglich, wer den konservativen Buhmann spielen möchte, um sodann möglicherweise auf die Nase zu fallen. Zweitens wäre es tatsächlich eine Zumutung, die Alle-Ehe gerichtlich zu annullieren, und der gesellschaftliche Preis, der für den Rückschritt zu entrichten wäre, läge gefühlt höher als bei sechs Milliarden Euro.

Ehe hat auch mit Kindern zu tun

Was haben solche Erwägungen mit dem Grundgesetz zu tun? Nichts. Nur dass es den Rahmen setzt, in dem die Politik handeln darf. Dazu zählt Artikel sechs, der Schutz der Ehe, den die Karlsruher Richter seit jeher als Verbindung von Mann und Frau definieren. Dieser verfassungsrechtliche Ehebegriff steht für sich selbst, er lässt sich nicht so einfach per Gesetz umdefinieren. Er hat auch eine Rationalität, weil er auf die typischerweise aus nicht-gleichgeschlechtlichen und häufig verheirateten Partnern hervorgehende Familie als einen Kern des Staatswesens zurückgreift. Kein Zweifel, dass dieser Begriff im Zuge neuer Fortpflanzungstechniken und Familienkonstellationen erweitert gehört. Aber hat er sich vollends erledigt?

Jedem, wie es ihm nutzt. Allen voran Merkel

Der richtige Ort, solche Fragen demokratisch zu entscheiden, ist die Verfassung selbst. Es wäre nicht nur eine Versicherung gegen unpässliche Karlsruher Urteile, sondern auch das politische Signal, dass sich ein Wandel ereignet, der Grundlagen erfasst. Die vorliegende Bundesratsinitiative argumentiert, dass sich der nötige Wandel bereits vollzogen hätte und nun gesetzgeberisch lediglich nachgeholt werde. Wäre es so, gäbe es keine politischen Diskussionen mehr darum. Es gibt sie aber. Das jetzt zu beschließende Gleichstellungsanliegen ist daher zu bedeutsam, um es nur um der Gunst der Stunde willen durchzudrücken. Damit verbundene Verfassungsfragen hätten eine respektvollere Behandlung verdient. Nun gilt: Jedem, wie es ihm nutzt. Allen voran Merkel.

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