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Seit dem Start am 18. September 2018 haben über 83.000 Familien das Baukindergeld beantragt.
© dpa/picture alliance /Hauke-Christian Dittrich

Bauen auf der grünen Wiese: Das Baukindergeld hilft Familien in teuersten Städten nicht

Schon fast zwei Milliarden Euro Baukindergeld wurden bisher verplant. Aber es gibt deutliche Zweifel am Nutzen.

Karlotta Ehrenberg hat ziemlich bangen müssen, doch diesen Monat hat sie die ersten 2400 Euro Baukindergeld vom deutschen Staat bekommen, überwiesen von der zuständigen KfW-Förderbank. Seit April wird die hoch umstrittene, bis zu zehn Milliarden Euro teure Wohltat der großen Koalition an junge Familien ausgezahlt, die bauen oder sich eine Wohnung gekauft haben. Und die Zahlen von Anfang April zeigen: Es boomt: Seit dem Start am 18. September 2018 haben über 83.000 Familien das Baukindergeld beantragt – das heißt 83.000 Wohnungen oder Neubauten wurden bereits staatlich bezuschusst.

Das Antrags-Portal musste erst technisch aufgebaut werden, um Bau- und Kaufverträge hochladen zu können. Deshalb wird das Geld erst seit diesem April ausgezahlt, erst einmal fließen rückwirkend die Gelder für 2018. Knapp zwei Milliarden Euro sind bereits fest zugesagt – gezahlt wird die Leistung für alle Familien, die zwischen Januar 2018 und Ende 2020 eine Baugenehmigung erhalten oder einen Kaufvertrag unterschrieben haben. Die meisten Anträge stellten bisher Familien aus Nordrhein-Westfalen (18.264), gefolgt von Baden-Württemberg (11.039), Bayern (10.453) und Niedersachsen (10.339) – für Bauminister Horst Seehofer (CSU) ist das Baukindergeld eine „Erfolgsgeschichte“,

Auch das Baukindergeld wird nun von der Bundesregierung ins Feld geführt, um die Berliner davon zu bewahren, in einem möglichen Volksentscheid für die Enteignung von Immobilienkonzernen zu stimmen. Daher lohnte eine Analyse, was das wirklich bringt.

Karlotta Ehrenberg hat es zumindest vor argen Nöten bewahrt. Sie war im vergangenen Jahr plötzlich sogar in der Tagesschau, weil sie und ihr Lebensgefährte ziemliches Pech hatten. Beziehungsweise weil sie in die Kompromissmühlen der großen Koalition geraten waren.

Weil das Baukindergeld, ein Unions-Projekt, im Prinzip die Wiedergeburt der 2005 wegen zu hoher Kosten abgeschafften Eigenheimzulage, kostenmäßig aus dem Ruder zu laufen drohte, wollte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das Ganze bei einer vierköpfigen Familie auf Neubauten oder Wohnungen mit maximal 120 Quadratmeter Wohnfläche deckeln. Wenige Tage vor diesem Kompromiss hatte Karlotta Ehrenberg einen Kaufvertrag über eine Altbauwohnung in Berlin-Treptow abgeschlossen – in Erwartung des Baukindergeldes. Der Haken: Die Wohnung hat 127 Quadratmeter. Dabei hatte das Paar nur mit Ach und Krach und Einrechnen des Baukindergeldes den Kredit bekommen. Sie ist Drehbuchautorin, er freier Journalist, sie haben zwei kleine Kinder. Sie waren fast zum Kauf gezwungen, die alte Wohnung war zu klein – als Selbständige war im geliebten Kreuzberg mangels ausreichender Sicherheiten keine Mietwohnung zu finden. „Es war einfacher einen Kredit zu bekommen als eine Mietwohnung“, sagt sie im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Ihr Fall erhöhte den Druck, dass die Deckelung am Ende wieder abgeschafft wurde, stattdessen wurde die zeitliche Grenze 2018 bis Ende 2020 eingezogen.

Es können alle Familien mit einem zu versteuerndem Haushaltseinkommen von bis zu 75.000 Euro plus 15.000 Euro Freigrenze pro Kind beantragen, also 90.000 Euro bei einem und 105.000 Euro bei zwei Kindern. Dann gibt es 1200 Euro vom Staat im Jahr, gezahlt über zehn Jahre, also 12.000 Euro je Kind. Bedingung: Die Kinder müssen unter 18 sein und Zuhause wohnen. Nach dem Einzug muss dafür eine Meldebestätigung vorgelegt werden.

Bis hin zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) läuft ja inzwischen die von den Berliner Plänen für ein Volksbegehren ausgelöste Enteignungsdebatte. Merkel lehnt die Enteignung von Immobilienkonzernen wie der Deutschen Wohnen ab und setzt auf Bauen, auch der soziale Wohnungsbau wird mit mehreren Milliarden bis 2021 zusätzlich gefördert.

Baukindergeld hilft Familien in teuren Städten nicht

Doch gerade der Nutzen des Baukindergelds ist hoch umstritten. „Es fördert weder bezahlbares Wohnen noch hilft es gegen Spekulation. Seit 2007 sind rund zehn Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau geflossen, das Baukindergeld kostet in nur drei Jahren genauso viel“, kritisiert der baupolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Chris Kühn. Die Bundesregierung setze schon seit Jahren politisch und finanziell völlig falsche Prioritäten in der Bau- und Wohnungspolitik.

Das Baukindergeld fördere ohnehin hauptsächlich nur Neubauten auf der grünen Wiese. „Aufgrund der hohen Immobilienpreise hilft es Familien in den teuersten Städten nicht beim Immobilienerwerb.“ Dazu müssen die Kaufnebenkosten gesenkt werden. Sinnvoller sei es, wenn die mehreren tausend Euro an Maklerkosten den Verkäufern statt den Käufern aufgebürdet werden. Vor allem hilft es aber den Mietern wenig – in Großstädten droht durch die Umwandlung von noch mehr Mietwohnungen in Eigentum der Markt noch kleiner zu werden, was die Preise weiter anheizt.

Leistung zahlen alle Steuerzahler mit

Und die Leistung zahlen alle Steuerzahler mit. In der Causa Baukindergeld sind sich sogar Grüne und FDP mal einig. So betont der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke: „Es hat weder die Baukosten gesenkt, noch wirklich dabei geholfen, aus Deutschland eine Eigentümernation zu machen, in der mehr Menschen in den eigenen vier Wänden leben.“ Statt des Baukindergeldes brauche es einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für die erste selbstgenutzte Immobilie bis zu einem Wert von 500 000 Euro. „Das wäre eine echte Unterstützung, gerade für Menschen mit mittleren Einkommen.“

Und da schließt sich der Kreis, so ein Freibetrag hätte auch Karlotta Ehrenberg mehr geholfen. Sie bekommt zwar nun für ihre zwei Kinder 24.000 Euro Baukindergeld. „Aber wir haben rund 35.000 Euro Grunderwerbssteuer gezahlt.“ So frisst die Landessteuer die Gabe des Bundes mehr als auf. Nicht der einzige Widerspruch in der aktuellen Bau- und Wohnungspolitik, gerade die Schieflagen befeuern die Enteignungsdebatten in Berlin. Ungeachtet jeder Realisierungschancen. Denn gegen die dann zu zahlenden Entschädigungssummen wäre das Baukindergeld ein Klacks.

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