Sozialpolitik: CSU will das Betreuungsgeld „ohne Wenn und Aber“
Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer pocht auf den Koalitionsvertrag. Auch erste FDP-Politiker werben nun für Zustimmung zu der umstrittenen Sozialleistung für Familien, die Kinder daheim betreuen wollen.
Im regierungsinternen Streit um das Betreuungsgeld beharrt die CSU auf Einhaltung des Koalitionsvertrags. Das vereinbarte Betreuungsgeld komme „ohne Wenn und Aber“, sagte Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer dem Tagesspiegel am Sonntag. Der Gesetzentwurf sei „so gut wie fertig“, das nötige Geld im laufenden Haushalt eingestellt. Den Kritikern in der Koalition hielt die CSU-Politikerin vor, Realitäten zu verkennen. „Wer trotz fixer Beschlüsse versucht, daran zu rütteln, muss wissen, dass er damit nur Unverständnis bei den Bürgern erzeugt und die Politikverdrossenheit in unserem Land weiter verstärkt“, sagte sie. Wer von Fehlanreizen oder einer Fernhalteprämie spreche, unterstelle, dass die Betreuung von Kleinkindern durch ihre Eltern ein Fehler sei. „Das ist eine Ohrfeige für Millionen von Familien.“
Bei den Liberalen hat das Thema nun auch innerparteilichen Streit ausgelöst. Der FDP-Spitzenkandidat von Schleswig- Holstein, Wolfgang Kubicki, forderte seine Partei auf, dem Betreuungsgeld zuzustimmen. „Mein Grundsatz ist: Absprachen müssen eingehalten werden“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Es sei für ihn nachvollziehbar, dass die CSU darauf bestehe. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann nannte Vertragstreue und Verlässlichkeit ein „hohes Gut“, die fortgesetzten Debattenbeiträge der Liberalen zum Thema dagegen „eher schädlich“ – und riet dazu, „an der Seite des Koalitionspartners einfach auch mal den Mund zu halten“. Zuvor hatten Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und FDP-Chef Philipp Rösler die vereinbarte Leistung wieder infrage gestellt. Das Betreuungsgeld sei „von Anfang an kein Modell der FDP“ gewesen, sagte Rösler der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Dagegen nehme seine Partei die Sorgen der Wirtschaft sehr ernst. Rösler forderte die Union auf, erst ihre Haltung zu klären und dann mit einem konkreten Vorschlag zu kommen. Leutheusser- Schnarrenberger machte erneut deutlich, dass sie die Leistung für verzichtbar hält. Das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita oder zur Tagesmutter schicken, passe „eigentlich nicht mehr in die Zeit“, sagte sie dem „Spiegel“.
Auch in der Union ging der Streit weiter. CDU-Vize Norbert Röttgen nahm die parteiinternen Kritiker in Schutz, ohne ihre Position zu teilen. „Ich kann die Empörung darüber, dass zehn Prozent der Unionsfraktion das Betreuungsgeld für falsch halten, nicht teilen“, sagte der nordrhein- westfälische CDU-Spitzenkandidat der „Welt am Sonntag“. Seine Partei müsse lernen, dass Debatten in Demokratien selbstverständlich und positiv seien. „Gehorsam ist keine politische Tugend – das Risiko, eine Diskussion einzugehen, schon viel mehr.“ Zuvor hatten 23 CDU-Abgeordnete angekündigt, das Betreuungsgeld abzulehnen. Einer ist aber bereits zurückgerudert. Fraktionsvize Michael Kretschmer stellte klar, dass der Fortbestand der Koalition für ihn Vorrang habe. Andere CDU-Politiker verlangen, die neue Leistung später als geplant oder nicht als komplette Bargeld-Leistung auszuzahlen.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann warnte davor, „nur aus Koalitionsräson am Betreuungsgeld festzuhalten“. Es sei „absurd, Geld für den Verzicht auf einen Kitaplatz zu zahlen“, sagte er.