Betreuungsgeld: Der Bayern liebstes Kind
Die CSU will sich ihr „Betreuungsgeld“ nicht nehmen lassen – trotz Widerstands aus Wirtschaft und CDU.
Der Tonfall ist rau, die Fronten scheinen unverrückbar beim frisch aufgeflammten Dauerzank um das Betreuungsgeld: Hie die CSU, die ihre Idee mit Zähnen und Klauen verteidigt, da so ungefähr der gesamte Rest, und mittendrin eine gespaltene CDU. Schlechte Voraussetzungen für den Kompromiss, den Unionsfraktionschef Volker Kauder angedeutet hat, bevor er zur vorösterlichen Reise nach Marokko aufbrach. Doch Kauder wird sich etwas einfallen lassen müssen. Den Kritikern unter den Christdemokraten ist ein Kompromiss nämlich längst zugestanden.
Er datiert vom vorigen Herbst. Schon damals machte die Gruppe der Frauen in der Unionsfraktion unter Anführung von Rita Pawelski gegen das Betreuungsgeld für daheim erziehende Eltern mobil. Die CSU hatte sich ihre familienpolitische Lieblingsidee gerade von einem Koalitionsgipfel bestätigen lassen – in einer Paketlösung, in der auch eine Sechs-Milliarden-Steuerentlastung und eine Einigung auf höhere Pflegebeiträge steckte. Die Rebellion der Frauen mündete in ein Treffen mit Kauder. Der Fraktionschef sagte zu, eine der Forderungen der Gruppe zu prüfen: eine Verbesserung der Rentenanwartschaften für erziehende Eltern. Mit der gleichen Zusicherung wendete die Parteiführung wenig später einen zweiten Vorstoß der Frauengruppe ab – ein Antrag an den CDU-Parteitag in Leipzig gegen das Betreuungsgeld wurde nicht zur Abstimmung gestellt, sondern wanderte zur weiteren Beratung an die Fraktion.
Der Vorgang zeigt übrigens, wie ernst CDU-Chefin Angela Merkel und ihr engerer Führungskreis das Thema damals schon nahmen. Bei einer offenen Abstimmung hätte sich sehr schnell zeigen können, dass das Unbehagen in der CDU weit über den Kreis der bekennenden Gegner hinausgeht. Am Mittwoch etwa reiht sich einer ein, dem das von der landsmannschaftlichen Herkunft nicht in die Wiege gelegt ist: Thomas Strobl, Chef der eher konservativen CDU Baden-Württemberg, plädiert ebenfalls für eine Rentenlösung.
Passiert ist seit dem Herbst allerdings nichts, was die jüngste, dritte Attacke der CDU-Kritiker gegen die eigene Führung zum Teil erklärt. Am Dienstag bekräftigte auch die Wirtschaft noch einmal, was sie von dem Projekt hält – nichts nämlich. „Grundverkehrt“ nennt es Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in „Bild“; das Betreuungsgeld setze Anreize, nicht zu arbeiten, dabei brauche die Wirtschaft angesichts der geburtenarmen Jahrgänge der Zukunft mehr Frauen im Beruf und nicht weniger. Der Städte- und Gemeindebund ist ebenfalls weiter dagegen. Der Kommunalverband, so sein Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg im Handelsblatt, findet die eingeplanten Milliarden besser für den Ausbau von Kindertagesplätzen verwendet.
Neu ist auch diese Frontstellung nicht. Allerdings könnte sie Gewicht erhalten durch Daten, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erhoben hat. Die Forscher kommen in einem von der „Financial Times Deutschland“ berichteten Report zu dem Schluss, dass das Betreuungsgeld in der Bundeskasse 2013 mit rund zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen werde, rund 800 Millionen mehr als angesetzt. Grund sei der schleppende Ausbau der Betreuungseinrichtungen für unter Dreijährige. Der Chefhaushälter der Union, Norbert Barthle, bringt deshalb schon eine Verschiebung ins Gespräch. Dass familienpolitische Leistungen schnell teurer werden als gedacht, rechnet Barthle der „taz“ vor, zeige die Erfahrung mit dem Elterngeld: mit drei Milliarden veranschlagt, liegen die Kosten derzeit bei rund fünf Milliarden.
Genau solche Kostenfragen verbergen sich allerdings auch hinter dem Besänftigungsvorschlag aus dem Herbst. Zusätzliche Ausgaben für Rentenanwartschaften, hatte Kauder damals schon klargemacht, kämen nicht infrage. Dass die zuständige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Mittel aus ihrem Etat abzweigt, glaubt aber auch niemand. Deshalb schlagen Kritiker wie der Sozialpolitiker Peter Weiß vor, mindestens einen Teil des Betreuungsgelds in solche Rentenaufbesserungen für die daheim erziehenden Eltern – in der Regel die Mütter – zu stecken. Pawelski denkt an Zuschüsse zu Riester-Renten, aber auch an Wiedereingliederungshilfen in den Beruf. Denn die Kritiker fürchten, dass gerade für allein erziehende, schlecht verdienende Mütter ein Betreuungsgeld von zunächst 100, ab 2014 dann 150 Euro Anreiz genug sein könnte, zeitweilig aus dem Beruf auszusteigen – in den sie dann hinterher nur schwer wieder hineinkommen.
Das Problem bei alledem ist nur, dass die CSU keinerlei Anstalten macht, ihren Verhandlungserfolg wieder herzugeben. „Was geht es uns denn an, wenn es bei der CDU Unruhe gibt?“ fragt ein Christsozialer. Und was Kauders Zusagen betreffe – die solle der Fraktionschef dann mal schön selbst einlösen und nicht auf dem Rücken der Schwesterpartei. In der CDU-Führung ist die Neigung ebenfalls gering, die kleine Schwesterpartei zu düpieren. CDU-General Hermann Gröhe hat den Christsozialen sogar ausdrücklich zugestanden, dass der Koalitionsausschuss im Herbst die Barauszahlung des Betreuungsgelds beschlossen habe – was dem Sinne nach stimmt, obwohl das Stichwort im Beschluss nicht auftaucht.
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