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Weiter so: CSU-Parteichef Horst Seehofer, Ministerpräsident Markus Söder und Generalsekretär Markus Blume.
© Peter Kneffel/dpa/AFP

Nach der Landtagswahl in Bayern: CSU und Freie Wähler beginnen Koalitionsverhandlungen

Bis zum 12. November soll die schwarz-orange Regierung stehen. Derweil wird die Parteispitze von früheren Spitzenpolitikern hart kritisiert.

Fünf Tage nach der Landtagswahl in Bayern nehmen die CSU und die Freien Wähler an diesem Freitag Verhandlungen über die Bildung einer Koalitionsregierung auf. Beide stehen sich politisch sehr nahe. Über den konkreten Ablauf der für 10 Uhr angesetzten Gespräche wurde zunächst nichts bekannt.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte am Donnerstag erklärt, es sei kein zeitlicher Korridor absehbar. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger erklärte, er hoffe auf einen schnellen Abschluss noch vor der vorgegebenen Frist bis zum 12. November. An diesem Tag muss der Landtag laut Verfassung einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Erst danach will sich die CSU eingehender mit der Frage beschäftigen, warum sie vergangenen Sonntag nach einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent erreicht und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 geholt hatte.

Barbara Stamm: Themen Zuwanderung und Asyl zu sehr betont

Aus Sicht der langjährigen CSU-Abgeordneten und bisherigen Präsidentin des bayerischen Landtags, Barbara Stamm, hat die CSU im zurückliegenden Wahlkampf die Themen Zuwanderung und Asyl zu sehr betont und dadurch viele Stimmen verloren. Zwar habe die Partei damit auch Wähler von der AfD zurückgeholt, so Stamm im Interview der Zeitung „Die Welt“, „trotzdem bleibe ich dabei, dass wir rechts gar nicht so viel dazugewinnen können, wie wir mit diesem Kurs in der Mitte verlieren“. Die CSU habe das Asylthema zu sehr überhöht. „Vor allem haben wir es zu wenig positiv besetzt.“ Stattdessen hätte die CSU die Erfolge bei der Integration von Zuwanderern in Bayern stärker hervorheben sollen.

Demgegenüber hätten die Grünen stärker auf das „Lebensfrohe und Zukunftsorientierte, das Einstellen auf die persönlichen Lebensumstände“ gesetzt und damit den Nerv der Menschen getroffen, sagte Stamm weiter. Es sei nicht alles links, was die Grünen vertreten.

Die Migration rufe sicherlich viele Ängste hervor, so Stamm. „Ich habe im Wahlkampf am Infostand oft genug gehört, dass Würzburg bald vom Islam regiert werde.“ Für sie sei klar, dass der Islam „natürlich nicht zu Deutschland“ gehöre. Muslime, die ihren Glauben leben, ohne intolerant zu sein, gehörten aber selbstverständlich dazu. Nach 42 Jahren im bayerischen Parlament hat die Landtagspräsidentin bei der Wahl nicht mehr den Einzug geschafft. Die 73-Jährige hat keinen eigenen Wahlkreis und wäre auf eine gutes CSU-Ergebnis angewiesen gewesen.

Theo Waigel: "Verantwortung und Konsequenzen sind erforderlich"

Auch der CSU-Ehrenvorsitzende und langjährige Bundesfinanzminister Theo Waigel kritisierte den Umgang seiner Partei mit dem Wahlergebnis. In einem Gastbeitrag in der "Süddeutschen Zeitung" schreibt Waigel, er habe 1998 bei einem Bundestagswahl-Ergebnis von über 47 Prozent Verantwortung übernommen und den Stuhl des Parteivorsitzenden freigemacht. Ohne den amtierenden Parteivorsitzenden Seehofer direkt anzusprechen, schreibt Waigel unter Bezug auf die aktuelle Situation: "Verantwortung und Konsequenzen sind erforderlich: inhaltlich, strategisch und personell."

Die Wiederbelebung der Flüchtlingsdebatte habe der Partei nichts genutzt, zudem habe das Krisenmanagement viele Wählerinnen und Wähler abgestoßen. Außerdem sei es eine Fehleinschätzung zu glauben, der Zuzug von Menschen außerhalb Bayerns nach Bayern habe die CSU geschwächt. Einen solchen Zuzug habe es auch in früheren Jahrzehnten gegeben und damals sei die Partei in der Lage gewesen, diese Menschen zu integrieren und zu CSU-Wählern zu machen. Nachgelassen habe also die Integrationsfähigkeit der CSU.

Weiter kritisierte Waigel den Begriff der "konservativen Revolution", den vor allem Landesgruppenchef Alexander Dobrindt propagiert hatte. Ein Großteil der Wähler, die die Partei verloren habe, wolle diese nicht. Somit habe die CSU Verluste in Milieus zu beklagen, die für die CSU sehr wichtig seien, darunter die Kirchen und die Religionen. Waigel plädierte dafür, das "C" im Parteinamen, das für "christlich" steht, als überwölbende Idee der Christlich Sozialen Union stärker herauszustellen.

Röttgen: "'Weiter so' führt zum fortgesetzten Schrumpfen der Volksparteien"

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen kritisierte den Umgang der Schwesterpartei mit dem Ausgang der Landtagswahl. „Wenn man nach einem solchen Wahlausgang signalisiert, im Kern ändert sich bei uns nichts, dann ist das keine Therapie“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Freitag). „Da fragen sich die Menschen: Was sollen wir bei einer Wahl eigentlich noch anstellen, damit sich etwas verändert?“ Die Folge dieses „Weiter so“ sei, „dass die Volksparteien schrumpfen und die rechten Ränder weiter wachsen werden“.

Es ist das erste Mal in der Geschichte des Freistaats, dass die CSU mit den ihr politisch sehr nahe stehenden Freien Wählern über die Bildung einer Regierung verhandelt. 2008 hatte sie schon einmal die absolute Mehrheit verloren und war ein Bündnis mit der FDP eingegangen. 2013 eroberte sie wieder die absolute Mehrheit, die sie nun wieder eingebüßt hat.

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Sondierungen gab es nicht nur mit den Freien Wählern, sondern auch mit den Grünen. Die CSU entschied sich dann aber erwartungsgemäß für die Partei Aiwangers. Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, äußerte sich enttäuscht über die CSU-Entscheidung. „Die Wahl der Freien Wähler ist die Wahl des bequemsten Partners. Ein Aufbruch, der Vertrauen schafft, ist davon kaum zu erwarten“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Freitag). „Offenbar hatte die CSU keine Lust oder keine Kraft auf Veränderungen in Richtung eines ökologischen, gerechten und proeuropäischen Bayerns.“

Der Grünen-Vorsitzende deutete das Ergebnis der bayerischen Landtagswahl als Appell für eine grüne Regierungsbeteiligung. „Die Wähler haben uns den Auftrag gegeben, für Bayern einen wirklichen politischen Aufbruch umzusetzen. Dafür wurden wir klar zur zweitstärksten Kraft gewählt“, sagte Habeck dem RND. (dpa, KNA, mak)

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