Herrmann tritt gegen Söder an: CSU-Showdown in München
In der CSU kommt es zum Showdown um die Nachfolge von Seehofer. Innenminister Herrmann tritt gegen Söder an. Dabei ist Seehofer noch nicht einmal weg.
Stille Wasser sind bekanntlich tief, und Joachim Herrmann kann sehr beharrlich schweigen, wenn er will. Am Mittwoch will er. „Meine Linie ist und bleibt: Ich werde nichts sagen, bis Horst Seehofer sich erklärt hat“, zitiert die „Süddeutschen Zeitung“ den bayerischen Innenminister. „Das ist eine Frage des Respekts und Anstands.“ So weit, so normal – wenn man davon absieht, dass die Zeitung gerade eine mittlere Sensation vermeldet hat: Im Streit um die CSU-Spitzenkandidatur für die Landtagswahl bekomme Markus Söder einen ernsthaften Konkurrenten. Er heißt Joachim Herrmann.
Das soll das Ergebnis eines Treffens am Montag gewesen sein, das geheim bleiben sollte. Aber inmitten der Kämpfe um Seehofers Nachfolge hat in München derzeit Geheimhaltung wenig Aussicht auf Erfolg. Etliche Journalisten bekamen Wind davon, dass sich in der Staatskanzlei unter konspirativen Umständen Seehofers politische Prätorianergarde einfand.
Herrmann war dabei, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, der Europapolitiker Manfred Weber und aus Berlin CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Sie alle mögen Söder nicht. Sie alle sahen aber kommen, dass die Kandidatur zum Ministerpräsidenten auf den ehrgeizigen Finanzminister zulaufen würde, wenn keiner etwas dagegen unternimmt.
Das war spätestens seit Dienstag klar. Am Nachmittag hatte sich der Vorstand der Landtagsfraktion zu einer Sitzung getroffen, die alles andere als Routine war. Die Fraktion favorisiert bekanntlich seit Langem Söder als Nachfolger in der Staatskanzlei. Seit dem Schockergebnis der Bundestagswahl ist Seehofer als Zugpferd für den Herbst 2018 bei den Abgeordneten endgültig abgemeldet. Wenn es um die eigenen Sitze im Maximilianeum geht, kennen sie keinen Spaß.
Wut auf Seehofer
Umso größer war die Wut, als der Alte die Landtagsfraktion vor einer Woche glatt ausmanövrierte. Erst kündigte der Parteichef an, dass er sich nach den Jamaika-Sondierungen zu seiner Zukunft äußern werde. Vorigen Donnerstag sollte es so weit sein. Seehofer marschierte also in die Fraktion und versprach Klarheit bis zum Abend. Die Abgeordneten ließen sich vertrösten und verzichteten auf eine Personaldebatte. Am Abend aber war bloß klar, dass schon wieder nichts klar war – außer dass Seehofer mitsamt einem selbst ausgesuchten Ältestenrat weitere zehn Tage nach Klarheit suchen wollte.
Die Fraktion sah sich genarrt. Söders Freunde taten das Ihre, die Wut zu schüren. In der regulären Fraktionssitzung an diesem Mittwoch drohte ein Scherbengericht. In dieser Stimmungslage beriet der Fraktionsvorstand – und zwar gemeinsam mit den Bezirkschefs der CSU, darunter Söder selbst, aber auch Oberbayern-Chefin Ilse Aigner.
Man beschloss einen Zeitplan für die Regelung der Nachfolge-Fragen: Am nächsten Montag sollte in aller Frühe die Fraktion tagen und, so Fraktionschef Thomas Kreuzer, „gegebenenfalls eine Personalentscheidung treffen.“ Die werde dem Parteivorstand, der wenig später zusammenkommt, als Vorschlag für die Spitzenkandidatur übermittelt. Den Kandidaten benennen kann die Fraktion nämlich nicht, dafür ist die Partei zuständig.
Trotzdem klang der Plan nach dem Versuch, Seehofer einzumauern, damit er nicht wieder mit irgendwelchen Vertagungen daherkommt. Es klang auch danach, dass Söder dort der Durchmarsch ermöglicht werden sollte, wo er – anders als im Vorstand – seine Bataillone hat.
Auffällig war nur Kreuzers Versicherung, das sei alles mit Seehofer abgestimmt. Auffällig war auch das Wort „gegebenenfalls“. Man konnte es als Brücke deuten: Wenn Seehofer vorher selbst Klarheit schafft, kann sich ein Votum der Fraktion erübrigen. Tatsächlich hat der CSU-Chef für Sonntag die Einflussreichen der Partei und seinen Ältestenrat eingeladen, die zwei Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel sowie Landtagspräsidentin Barbara Stamm.
Dort müsste Joachim Herrmann also aufhören mit dem Schweigen. Aber auch Söder wird sich offen erklären müssen. Am Morgen hatte er noch Demut bekundet: „Zunächst einmal gebietet es der Respekt, dass Horst Seehofer selber sagt, was er für richtig hält.“ Dass es sich dabei um eine Kampfabstimmung beim Parteitag in zwei Wochen in Nürnberg handeln könnte, konnte er da noch nicht wissen.