Machtkampf in Rom: Conte gewinnt Vertrauensabstimmung im Senat
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte besteht auch die zweite Machtprobe. Deutliche Worte findet er für den früheren Premier Matteo Renzi.
Italiens Regierung hat am späten Dienstagabend auch die entscheidende Abstimmung in der zweiten Parlamentskammer bestanden und damit die Regierungskrise überlebt. Premier Giuseppe Conte kann weiterregieren.
Bis zum Schluss versuchten der parteilose Conte und seine Getreuen, das entscheidende Votum dort durch Überläuferinnen und Unterstützer aus anderen Parteien zu gewinnen. Das gelang, um kurz nach halb elf am Abend stand fest: Conte erhielt nicht nur die nötigen 152 Ja-Stimmen, sondern sogar 156.
Nachdem in der vergangenen Woche die Kleinpartei „Italia Viva“ („Lebendiges Italien“) des früheren Premiers Matteo Renzi die Koalition unter Ministerpräsident Giuseppe Conte verlassen hatte, musste sich der Regierungschef am Montag und Dienstag Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern des Parlaments stellen.
Das Abgeordnetenhaus hatte Conte bereits am Montagabend mit absoluter Mehrheit bestätigt: 321 Abgeordnete stimmten in namentlicher Abstimmung für sein Verbleiben im Amt, 259 dagegen. Unter den Ja-Stimmen waren auch drei von „Italia Viva“, einer Abspaltung des mitte-linken „Partito democratico“ PD, Partner der Fünf-Sterne-Bewegung in Contes Koalition. Sie hatte sich 2019 formiert, kurz nachdem Renzi, damals noch PD-Parteichef, mit seiner damaligen Partei in die Koalition eingetreten war.
Im Senat genügte dann eine einfache Mehrheit, die Zahlen von Contes Bündnis waren dort aber knapper. Die absolute Mehrheit wie in der Kammer am Montag schien unmöglich, war aber auch für die Vertrauensfrage nicht zwingend. Wie hoch die relative Mehrheit ist, hing unter anderem von der Zahl der Enthaltungen ab – alle Senatorinnen und Senatoren von Italia Viva hatten sich wie angekündigt enthalten. Der Sitzungsmarathon hatte etwa zwölf Stunden gedauert.
Vor dem Votum war schon mit mindestens 152 nötigen Ja-Stimmen gerechnet worden. Eine inoffizielle Zählung ergab am Nachmittag 154 mal „Ja“, darunter waren die vier auf Lebenszeit ernannten Senatorinnen und Senatoren, Elena Cattaneo und Marco Rubbia, beide Wissenschaftler, der frühere parteilose Premier Mario Monti und die Holocaust-Überlebende Liliana Segre. Die 90-Jährige, die als Jugendliche Opfer der antijüdischen Rassegesetze wurde und nach Auschwitz deportiert worden war, reiste eigens zur Abstimmung aus Mailand an. Sie wurde im Plenarsaal mit langem Applaus begrüßt, alle Regierungsmitglieder erhoben sich von den Sitzen.
Conte kritisiert Renzi scharf
Conte wiederholte vor dem Senat im Wesentlichen seine Rede vom Vortag vor dem Abgeordnetenhaus. Noch härter kritisierte er Renzi – den er aber erneut nicht namentlich nannte: Es sei schwierig, so der Premier, „mit jemanden zusammenzuarbeiten, der auf den gemeinsamen Weg Minen legt“. Zwar hatte es auch am Montag und Dienstag noch Signale aus Renzis Partei gegeben, man sei grundsätzlich weiter zur Unterstützung der Regierung bereit – sogar Renzis engste Vertraute, die Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus Maria Elena Boschi, versprach, man wolle „Dialogkanäle offenhalten“.
Doch sowohl die Fünf Sterne, die den parteilosen Conte ins Amt gebracht hatten, als auch der PD hatten abgelehnt. Renzi sei „nicht vertrauenswürdig und unzuverlässig“.
Obwohl dessen Partei – sie steht in Umfragen aktuell zwischen zwei bis drei Prozent – das Ausscheren aus der Koalition mit Differenzen über die Verwendung der europäischen Pandemie-Hilfen begründet hat, wird allgemein die Konkurrenz zwischen Renzi und seinem Nachfolger Conte als Grund des Bruchs vermutet.
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Renzi hatte sich nach seiner eigenen Niederlage über ein Verfassungsreferendum vom Amt des Premiers zurückgezogen, als Chef des PD aber lange verhindert, dass seine Partei in eine Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung eintrat, die 2018 erdrutschartig die Parlamentswahlen gewann und Renzis PD auf ihr schlechtestes je erzieltes Wahlergebnis drückte. Obwohl gerade Wählerinnen und Wähler des PD in Massen die Sterne gewählt hatten – inzwischen sind sie in Umfragen stark verkleinert –, verweigerte sich Renzi Koalitionsangeboten. Schließlich blieb der ersten Regierung Conte nur das Zusammentun mit Matteo Salvinis rechtsextremer Lega.
Renzi: „Sie haben die dritte Mehrheit in drei Jahren, Sie haben mit Matteo Salvini regiert“
Die Koalition platzte 2019, schließlich ebnete Renzi selbst den Eintritt des PD in die Regierung – um sich zeitgleich vom PD abzuspalten. Dem ungeliebten Nachfolger warf Renzi, der selbst Mitglied im Senat ist, am Dienstag nun gerade diese wechselnden Koalitionen vor: „Sie haben die dritte Mehrheit in drei Jahren, Sie haben mit Matteo Salvini regiert.“ Auf den Vorwurf, er habe grundlos eine Krise ausgelöst, entgegnete er: „Wir sind nicht verantwortungslos, wir waren im Gegenteil zu geduldig.“ Seit Monaten habe man eine Wende im Umgang mit den EU-Milliarden gefordert. Contes Suche nach neuer Unterstützung nannte er „einen unwürdigen Ämtermarkt“.
Einen Rücktritt, falls es im Senat sehr knapp werden würde, hatte Conte Medienberichten zufolge intern mehrfach ausgeschlossen. Er könnte versuchen, sich die fehlende Mehrheit für künftige Regierungsprojekte jeweils von Fall zu Fall zu suchen – was allerdings früher oder später auch zum Rücktritt führen würde. Am Abend wurde von ihm hingegen der Satz kolportiert, wenn der Senat ihm nur knapp das Vertrauen ausspräche, werde er zurücktreten.
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