Attentäter von Dayton: Connor Betts ahmte Massaker von El Paso offenbar nach
Der 24-Jährige sei besessen gewesen von Gewalt und habe sich gewünscht, selbst eine Massenerschießung zu verüben, sagte der Chef der Polizei von Dayton.
Es ist der Albtraum der Sicherheitsbehörden in Deutschland und weltweit. Ein junger Mann mit Gewaltfantasien bekommt über das Internet oder andere Medien mit, dass ein Terrorist einen Anschlag verübt – und fühlt sich animiert, nun auch zuzuschlagen. Dieses Szenario wurde in den USA am vergangenen Wochenende offenbar Realität.
Der Attentäter Connor Betts, der am Sonntag in Dayton (Bundesstaat Ohio) neun Menschen erschoss, hatte am Sonnabend bei Twitter angezeigt, dass ihm Tweets zum Massaker in El Paso gefielen. Nur 13 Stunden nach dem Anschlag in Texas, bei dem 22 Menschen starben und 26 verletzt wurden, nahm Betts seine Schnellfeuerwaffe und zog los. Der 24-Jährige fuhr mit seiner Schwester Megan zum Stadtteil Oregon, einem Ausgehviertel mit Bars, Nachtclubs und Galerien. Dort erschoss Betts die Schwester und acht Passanten. 27 Menschen wurden verletzt. Die Polizei war rasch zur Stelle und tötete Betts mit gezielten Schüssen. Der Attentäter wollte vermutlich noch viel mehr Menschen umbringen. Die Polizei fand bei Betts Magazine mit insgesamt 250 Schuss Munition.
Experten hatten vor allem Rassisten im Blick
Betts sei besessen gewesen von Gewalt und habe sich gewünscht, selbst eine Massenerschießung zu verüben, sagte der Chef der Polizei von Dayton, Richard Biehl, dem US-Fernsehsender CNN. Ein politisches Motiv sieht die Polizei nicht. Im Unterschied zu dem rassistischen Attentäter von El Paso, Patrick Crusius, der in einem Manifest Hass auf eingewanderte Latinos äußerte, war Connor Betts offenbar ein wirrer Linker, mit Sympathien für den Satanismus. Er war zudem Sänger in einer Band der Pornogrind-Szene, die harte Rockmusik mit pornografischen Texten kombiniert. Doch das einzige Motiv, das sich für Betts’ Anschlag erkennen lässt, ist offenkundig die Begeisterung für exzessive Gewalt. Das Massaker in El Paso war für ihn vermutlich der Auslöser für seinen Amoklauf.
Deutsche Sicherheitskreise hatten nach dem Anschlag in El Paso vor Nachahmertaten gewarnt. Die Experten hatten vor allem Rassisten im Blick, die sich in ihrem Hass auf Migranten in Gewaltfantasien hineinsteigern. Die Gefahr geht aber auch von labilen Männern aus, die nur aus Lust an Gewalt Menschen töten wollen. Es sei naheliegend, dass der Anschlag in Dayton eine „Resonanztat“ nach dem Massaker in El Paso war, sagt Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Er sieht ein weltweites Risiko. Nach dem Anschlag in El Paso wie auch nach dem in Dayton. „Das große Problem bei solchen Taten ist, dass sie global zu einer Resonanztat führen können, ganz konkret auch in Deutschland“, sagt Fiedler.
Prototyp einer menschlichen Zeitbombe
Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verdeutlicht das Risiko von Resonanztaten mit der Formel, „je größer das Entsetzen, desto größer die Nachahmungsgefahr“. Täter wie in El Paso und Dayton wollten Aufmerksamkeit. Sähen andere junge Männer mit einer ähnlichen Mentalität, dass solche Anschläge weltweit Aufmerksamkeit erregen, sei die Gefahr immer vorhanden, dass es zu Resonanztaten komme.
Angesichts der biografischen Details, die zu Connor Betts bekannt geworden sind, wirkt er fast wie der Prototyp einer menschlichen Zeitbombe. Ehemalige Mitschüler berichteten der Polizei, Betts habe eine „Hitliste“ mit Namen von Jungs erstellt, die er töten wollte. Und mit Namen von Mädchen, die er vergewaltigen wollte. Als das herauskam, geriet er in der High School in die Isolation. Ein Mitschüler sagte CNN, er habe die Polizei informiert. Eine Mitschülerin berichtete dem Sender, Betts habe es gemocht, einen anzuschauen und mit den Händen so zu tun, als schieße er mit Waffen. Er habe auch gedroht, sich selbst zu töten.
Anders als der Täter von El Paso hinterließ Betts kein Manifest. Seine Abschiedsbotschaft waren offenbar die biografischen Angaben bei Twitter. „I’m going to hell and I’m not coming back“, stand da, „ich gehe zur Hölle und ich komme nicht zurück.“