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Streik um jeden Preis? Auch im Kreis der Gewerkschaften ist der Kurs von GDL-Chef Claus Weselsky (r.) umstritten.
© dpa

Streik bei der Bahn: Claus Weselsky hält das Leistungsprinzip hoch

GDL-Chef Claus Weselsky ist zum Buhmann der Nation geworden. So ist das in einem Land, das den Konsens höher hält als alles andere. Wenn die Gegensätze aufeinander prallen, dann nehmen die Leute auch das nicht mehr so wichtig, was doch sonst beklagt wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Der oberste Lokführer der Nation ist nicht stur. Claus Weselsky ist sogar sehr, sehr stur. Persönliche Anfeindungen auf höchstem – nein: niedrigstem – Niveau auszuhalten, entspricht seinem Selbstverständnis. Ein Gericht hatte ihm am Donnerstag schon Recht gegeben; den Vergleichsvorschlag im zweiten Durchgang vor Gericht lehnte er am Freitag ab: Der Mann will es wirklich wissen.

Da kämpft einer für bessere Bedingungen - und es ist auch wieder nicht recht

Aber was? Claus Weselsky versteht sich als Vertreter der Interessen von 27000 Gewerkschaftsmitgliedern, und die vertritt er kompromisslos. Damit hat er sich die halbe Republik zum Feind gemacht. Einer Umfrage nach hat das Unverständnis für die Lokführerinteressen deutlich zu genommen und liegt bei 51 Prozent. So ist das in einem Land, das den Konsens höher hält als alles andere. Wenn die Gegensätze aufeinander prallen, dann nehmen die Leute auch das nicht mehr so wichtig, was sonst beklagt wird – die angebliche materielle Ungerechtigkeit, die immer größer werdenden sozialen Gegensätze, wenig familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Da kämpft einer für bessere Lokführer- und Zugbegleiter-Löhne – und macht sich damit zur Unperson des Wiedervereinigungsfeierwochenendes.

Was wird jetzt alles gegen ihn verwandt: Dass er als Vormann einer kleinen Gewerkschaft „der Wirtschaft“ schade, heißt es seit Tagen. Das werden ein paar Berliner Hoteliers so sehen, die vielleicht ein paar Übernachtungen weniger verkaufen. Aber Taxifahrer, Busunternehmer und Autovermieter sehen das garantiert anders, ebenso die Spediteure, die der Bahn den Güterverkehr abnehmen. Wen also meint der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, wenn er Weselsky indirekt die „Erpressung eines ganzen Landes“ vorwirft und ebenso indirekt behauptet, die Bahnfahrt zur Einheitsfeier in Berlin oder, im Gegenteil, raus aus dem Trubel und schnell an die Ostsee, gehöre zur „öffentlichen Daseinsvorsorge“. Die Mobilität in Deutschland ist wegen des Lokführerstreiks unbequemer als sonst, aber sie ist möglich.

Na klar: Wenn es nach den Funktionären der großen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen geht, dann soll alles laufen wie gewohnt. Man trifft sich abends, verhandelt bis zum nächsten Vormittag, trinkt dabei Unmengen von Kaffee und hat einen Kompromiss geschlossen. Das ist das Basar-Prinzip des Für-jeden-etwas.

Weselsky hat gekämpft, er hat gewonnen

Der Gewerkschafter Weselsky hat hingegen mit der unbeugsamen Festigkeit, die man in Deutschland von Lukas, dem Lokomotivführer eigentlich kennen sollte, das Leistungsprinzip hochgehalten. Er hat gekämpft, er hat gewonnen. Er hat außerdem gezeigt, dass seine Sturheit kein Selbstzweck ist und versprochen, dass der Streik der Bahner am Samstagabend enden soll.

Ganz gleich, ob er Zusagen erhalten oder ob er den Eindruck gewonnen hat, dass die Bahn-Chefs jetzt gesprächsbereiter sind: Der Verlauf des Streiks zeigt, dass Spartengewerkschaften die Interessen ihrer Mitglieder so gut vertreten können wie die Großorganisationen im Deutschen Gewerkschaftsbund. Dennoch will die Regierung mit ihrem Gesetzentwurf zur Tarifeinheit berufsorientierten Gewerkschaften ihren besonderen Einfluss nehmen. Was bedauerlich ist: Wären zum Beispiel alle Altenpfleger Deutschland in einer Gewerkschaft, würden sie wahrscheinlich ordentlich bezahlt.

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