Austritt von Petry und Pretzell: Chaostage bei der AfD
Die Vorsitzende Frauke Petry will austreten – ihr Mann Marcus Pretzell auch. Die Partei steht vor der Spaltung. Doch die neue Fraktion gibt sich unbeeindruckt.
Martin Renner ist in Plauderlaune. Im Raum hinter dem Mann mit der Hornbrille und den weißen Haaren tagt gerade erstmals die neue AfD-Fraktion im Bundestag. Aber der frisch gewählte Abgeordnete Renner kann mit der „Satzungsklimperei“, den Formalien, die da beschlossen werden, nichts anfangen. Lieber spricht er mit den Journalisten vor dem Sitzungssaal über die „Verirrungen“ der Noch-Parteichefin Frauke Petry und ihres Mannes Marcus Pretzell. Renner leitet mit Pretzell den Landesverband NRW, die beiden sind Erzfeinde. Renners Einschätzung: „Pretzell und Petry haben maximal zehn Prozent der Parteimitglieder hinter sich.“
Auch wenn sich die Abgeordneten der neuen AfD-Fraktion unbeeindruckt geben von den Volten ihrer Noch-Parteichefin, Petry ist natürlich an diesem Dienstag in der Fraktionssitzung Thema. Nicht als Tagesordnungspunkt. Aber als auf den Smartphones einiger Abgeordneter die Meldung aufploppt: „Frauke Petry kündigt Austritt aus AfD an“, halten sie sich gegenseitig die Bildschirme hin. Auch die zweite Meldung, die wenig später kommt, bleibt nicht unbemerkt: Pretzell tritt ebenfalls aus der Partei aus und aus der Landtagsfraktion in NRW. Ein Verbündeter folgt ihm. Die große Frage ist: Wie viele werden es noch?
Alle sind gekommen
Unerwartet kommen diese beiden Ankündigungen nicht. Petry hatte am Montag bereits auf großer Bühne verkündet, sie wolle nicht Teil der Fraktion sein. Alles deutete darauf hin, dass dies Teil eines lange vorbereiteten Plans war. Doch wer die Fraktionssitzung der Partei beobachtete, durfte den Eindruck gewinnen, dass Petry mit ihrer Entscheidung zumindest im Bundestag ziemlich allein dasteht. Eine Fraktion dürfte sie nicht zusammenbekommen. Vielleicht hat sie die Chance auf eine Gruppe – drei Abgeordnete sind dafür nötig. Sonst hätte sie als fraktionslose Abgeordnete nur sehr wenig Einfluss.
Allein und in Grüppchen strömen die neuen Abgeordneten der AfD am Dienstag ins Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages. Dort liegt ein Anhörungssaal, der aus einer riesigen Fensterfront den Blick freigibt auf die Spree und den Reichstag. Der Tisch, auf dem die Namensschilder für die Abgeordneten zum Abholen bereitstanden, leert sich. Der Saal wird immer voller. Und am Ende heißt es: Alle sind gekommen. Alle außer Frauke Petry.
Die Partei ist dabei, sich zu spalten
Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen verbreiten sogar eine Erklärung, in der es heißt, sie wollten „gut und eng“ mit den Kollegen aus der AfD-Bundestagsfraktion zusammenzuarbeiten. Zuvor hatte es nämlich Gerüchte gegeben, dass zumindest einige NRW-Abgeordnete Petry im Bundestag unterstützen könnten – auch aus Loyalität zu ihrem Mann Pretzell. Doch auch das erscheint nun unwahrscheinlich. Im Landtag in Sachsen, wo sie am Dienstag ebenfalls aus der Fraktion ausgetreten ist, folgten ihr zumindest zwei weitere Abgeordnete.
Es sind Chaostage für die AfD. Die Partei ist dabei, sich zu spalten. Petry könnte eine neue Partei gründen. Keiner kann vorhersehen, wie das ausgeht. Aber die 93 Abgeordneten im Bundestag bemühen sich, größtmögliche Gelassenheit, ja sogar Gleichgültigkeit auszustrahlen. Der Austritt von Pretzell, sagt NRW- Mann Renner etwa, „ist unbedeutend für die Alternative für Deutschland“. Und Petry werde schon länger nicht mehr „als Vorsitzende unserer Partei wahrgenommen“. Stattdessen wählen die Abgeordneten die Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland zu den Vorsitzenden der neuen Fraktion. Es ist offensichtlich, dass sich die AfD ihren Triumph bei der Bundestagswahl auf keinen Fall kaputtmachen lassen will – und seien die Abtrünnigen auch noch so prominent.
Maria Fiedler