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Politik: Versorgung erster Klasse

Der Chef der Kassenärzte ließ sein Gehalt um 35 Prozent aufstocken Er habe schließlich ein saftiges Plus für die Kollegen verhandelt, heißt es.

Berlin - Was ein Bundespräsident verdient, weiß dank der Causa Wulff inzwischen die ganze Republik – 199 000 Euro im Jahr. Ob sich ein Ärztefunktionär aus Zwangsbeiträgen fast das Doppelte genehmigen darf, hat zu heftigem Streit zwischen Gesundheitsministerium und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) geführt. Minister Daniel Bahr (FDP) findet das Salär des KBV-Chefs unanständig und droht mit Zwang. Doch die Körperschaft, zuständig für die Honorarverteilung an 140 000 Kassenärzte, bleibt stur – und will nun per Gutachten belegen, dass die Politik der Selbstverwaltung in solchen Fragen nicht hineinzureden hat.

Tatsächlich hat der Minister dies erst gar nicht versucht und dann – auf Druck der Grünen – noch monatelang nur sehr dezent. Bereits im April 2011, nach seiner gar nicht so problemlosen Wiederwahl, ließ sich KBV-Chef Andreas Köhler sein damals schon stattliches Gehalt aufstocken – von 260 000 auf 350 000 Euro, also um fast 35 Prozent. Sein damaliger Vize, der inzwischen wieder als Hausarzt tätige Carl-Heinz Müller, bekam 40 000 obendrauf und damit glatte 300 000 Euro.

Man wolle „keine Neiddebatte“, heißt es im Ministerium. Wer gut arbeite, dürfe gut verdienen. Aber es gebe Grenzen, und was wirklich nicht gehe, sei das zusätzliche Drumherum. So ließ sich Köhler zusichern, dass seine Bezüge selbst dann bis zum Vertragsende 2016 weiterfließen, wenn er „seines Amtes enthoben oder aus seinem Amt entfernt“ würde – also selbst bei grober Pflichtverletzung. Sein Arbeitgeber zahlt ihm eine Rechtsschutzversicherung sogar für Streitfälle gegen ihn selbst. Und bei der Versorgung wurde so draufgelegt, dass Köhler im Ruhestand auf 91 Prozent seiner aktuellen Bezüge käme. Selbst Beamte und Politiker müssen sich mit rund 70 Prozent begnügen.

Rundum-Versorgung mit Managergehalt – im Ministerium, immerhin Fachaufsicht der Körperschaft, finden sie diese Kombination heftig. Richtig scharf wurde der Ton aber erst, als die Vertreterversammlung Ende Januar trotzig beschloss, dass die Bezüge ihres Chefs die Politik nichts angingen. Tags darauf forderte Bahr ultimativ, die Verträge bis zum 9. März den geltenden „Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ im Gesundheitswesen anzupassen. Der „Abstand“ zu Vorstandsgehältern der großen Kassen sei „rechtswidrig“ und eine „eindeutige Grenzüberschreitung“, schrieb Bahrs Abteilungsleiter Ulrich Orlowski. Tatsächlich kommen Kassenmanager mit Verantwortung für Millionen Versicherte auf keine 300 000 Euro. Das meiste erhält mit 283 500 Euro der Chef der Techniker-Krankenkasse, Norbert Klusen. Die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Kassen, Doris Pfeiffer, bezieht 230 000.

Für die KBV ist das kein Argument. Der Aufschlag sei korrekt abgesegnet, beharrt der Chef der Vollversammlung, Hans-Jochen Weidhaas – „nach geltendem Recht und gemäß unserer Satzung“. Köhlers Aufgaben seien umfangreicher geworden, man komme mit wenigen Spitzenleuten aus. Für Peanuts aber, so ist in Köhlers Umfeld flapsig zu hören, bekomme man „nur Affen“. Unter dem 51-Jährigen würden 30 Milliarden Euro bewegt. Und erfolgreicher sei keiner seiner Vorgänger gewesen. Die Mitglieder hätten Köhler die erfolgreichste Honorarreform aller Zeiten zu verdanken.

So weit ist das richtig. Binnen vier Jahren stiegen die Honorare der Kassenärzte um 17 Prozent – in der schlimmsten Rezession des Landes. Überraschend ist die Beweisführung dennoch. Bisher waren die Lobbyisten bemüht, das Ausmaß der Steigerung herunterzuspielen und als immer noch ungenügend darzustellen. Könnte sein, dass Politik und Kassen jetzt genau hinhören – und Köhlers Gehalts-Rechtfertigung den Ärzten bei den nächsten Verhandlungen zum Problem wird.

„Das wird uns allen noch schwer auf die Füße fallen“, warnt ein Verbandsmediziner, der sich jedoch wie alle anderen scheut, die wichtigen Honorarverteiler offen anzugehen. Die Vertreter müssten „aufpassen, dass nicht das Bild des raffgierigen Funktionärs entsteht“, sagt die Grünen-Politikerin Biggi Bender. Zumal auch andere Ärztevertreter in Sachen Selbstbedienung auffallen. Der Chef der Hamburger KV etwa ließ sich ebenfalls eine Gehaltssteigerung um 25 Prozent absegnen. Und in Berlin haben die drei Vorstandsmitglieder Übergangsgelder von einer halben Million Euro kassiert, obwohl sie weiter im Amt bleiben. Gegen sie ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.

Wegen des Gutachtens bekam die KBV vom Minister noch mal eine Fristverlängerung. Der Showdown ist nun am 23. März. Danach aber dürfte es munter weitergehen. Wenn Bahr auf der Gehaltskürzung bestehe, werde man klagen, drohen sie bei der KBV. Lasse man der Politik die Einmischung durchgehen, könne man „das Prinzip der Selbstverwaltung vergessen“ – und im Gesundheitswesen „gleich Staatsangestellte beschäftigen“. Man rate den Funktionären, nicht zu überreißen, heißt es dagegen in der Koalition. „Da sägen manche an dem Ast, auf dem sie sitzen.“

Rainer Woratschka

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