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Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu lässt sich in Hamburg vor der Residenz des türkischen Generalkonsuls an der Außenalster von 200 Anhängern feiern.
© Axel Heimken/dpa
Update

Streit zwischen Türkei und Deutschland: Cavusoglu schimpft auf "systematische Gegnerschaft"

Der türkische Außenminister Cavusoglu wirbt in Hamburg für Erdogans Präsidialsystem – und greift Deutschland scharf an. Sigmar Gabriel gibt sich zurückhaltend.

Ausnahmezustand im feinen Hamburger Stadtteil Uhlenhorst: Sperren an allen Straßen Richtung Boulevard Schöne Aussicht, Polizei und Panzerwagen, aufgekratzte, johlende und die rote Fahne des Landes schwenkende Türken. Um 18.15 Uhr fuhr Mevlüt Cavusoglu, Außenminister der Erdogan-Regierung, in einer schwarzen Limousine am türkischen Generalkonsulat in der Hansestadt vor. Etwa 200 Anhänger empfingen ihn auf dem Rasen vor der Villa mit Geschrei und Beifall. Eine Stunde lang waren sie von einem Einpeitscher und türkischer Musik aufgeheizt worden.

Knapp 150 Meter entfernt, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, demonstrieren ebenfalls rund 200 Menschen gegen den Auftritt – einige fordern mit Plakaten „Pressefreiheit für Deniz Yücel“, andere skandieren „Mörder Erdogan“ und „Polizeistaat Türkei“.

Als Cavusoglu auf die Terrasse vor seine Fans tritt, ballt er seine Hand zur Faust und schlägt sie sich auf die Brust. Der Auftritt des Außenministers auf dem exterritorialen Grundstück des türkischen Generalkonsulats ist eine Inszenierung. Am Giebel der Villa prangt der weiße Halbmond auf rotem Stoff. Die glühenden Gesichter der Erdogan-Fans und die stolzen Blicke der Truppe um Cavusoglu zeigen Machtbewusstsein. Der Außenminister würdigt die Auslandstürken und greift Deutschland erneut scharf an: Es verfolge eine „systematische Gegnerschaft zur Türkei“, türkische Staatsbürger würden hier „systematisch unterdrückt“. Das gehöre sich nicht unter Freunden.

Cavusoglu erklärte mehrfach, die Türkei habe nie eine feindselige Haltung gegenüber Deutschland eingenommen, sondern es immer als „befreundetes Land“ gesehen. „Bitte hört auf, uns Lektionen in Menschenrechten und Demokratie zu erteilen“, forderte er angesichts der Umstände seines Auftritts. Gezielt würden Zusammentreffen türkischer Politiker mit türkischstämmigen Bürgern verhindert, behauptete er und fragte: „Passt das zu den Menschenrechten, passt das zu den Versammlungsrechten?“

Cavusoglu hatte zunächst in einer Hochzeitshalle im Stadtteil Wilhelmsburg auftreten wollen, um für die Einführung des umstrittenen Präsidialsystems zu Gunsten von Staatschef Recep Tayyip Erdogan zu werben – die die Behörden jedoch wegen brandschutzrechtlicher Mängel für Veranstaltungen sperrten. Solche Behinderungen könnten seine Regierung nicht aufgehalten, sagte der türkische Minister: „Wir beugen uns nur vor Gott, sonst vor niemanden.“ Als seine Zuhörer „nieder mit der PKK“ rufen, hebt er theatralisch die Hände und sagt: „Ruft das nicht hier, wo die Freunde der PKK leben.“ Dann droht er: „Wir bekämpfen unsere Feinde überall.“

Außenminister trifft Mittwoch Sigmar Gabriel

Schon im Vorfeld hatte Cavusoglu der Zeitung „Hürriyet“ gesagt: „Alle Praktiken ähneln denen der Nazi-Zeit. Sie machen Druck, damit für die AKP ein Nein herauskommt.“ An diesem Mittwoch will er sich mit seinem deutschen Kollegen, „meinem Freund Sigmar Gabriel“ in Berlin treffen.

Der dämpfte schon am Vorabend die Erwartungen. Er glaube, dass jetzt ein Prozess von Gesprächen nötig sei, um "irgendwann dann wieder in einem besseren Verhältnis zu landen", sagte Gabriel im ZDF. "Durch diese schwierige Phase müssen wir jetzt durch und wenn wir nicht reden, wird es nicht besser."

Der Kurs der Bundesregierung, trotz provokativer Attacken aus der Türkei auf Deeskalation zu setzen, gerät aus den eigenen Reihen unter Druck: Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) forderte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), türkischen Wahlkampf hierzulande für unerwünscht zu erklären. Die EU forderte er auf, die Milliardenhilfe zur Demokratisierung des Landes zu stoppen. „Wir wollen keinen Wahlkampf auf deutschem Boden“, sagte Singhammer: „Erdogan stellt die Machtfrage in Deutschland.“ (mit hmt, dpa, AFP, Reuters)

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