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Kämpferisch geben sich deutsche Politiker angesichts der harschen Worte aus Ankara derzeit. Einen langfristigen Konflikt wünscht sich indes niemand. Foto: Gutzemberg/iStockphoto
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Deutsch-Türkische-Beziehungen: Schlagabtausch

Mit dem Nazi-Vorwurf ist der türkische Präsident zu weit gegangen, heißt es im Bundestag. Aber was nun passieren soll, ist umstritten.

In einem Punkt sind sich alle einig: So geht’s nicht! „Inakzeptabel“, „abwegig“ , „deplaziert“ – parteiübergreifend fallen die gleichen Vokabeln zu dem Nazi-Vorwurf, den der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen Deutschland vorgebracht hat. Regierungssprecher Steffen Seibert fasst die deutschen Reaktionen am Montag noch einmal zusammen. „Gleichsetzungen der Politik des demokratischen Deutschlands mit der des Nationalsozialismus weisen wir entschieden zurück“, sagt er. „Ohnehin sind NS-Vergleiche immer absurd und deplatziert, denn sie führen nur zu einem, nämlich dazu, die Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus zu verharmlosen.“ Seibert sagt das ausdrücklich im Namen von Kanzlerin Angela Merkel und der gesamten Regierung, aber die Opposition im Bundestag sieht es nicht anders. Selbst der türkischen Gemeinde in Deutschland geht Erdogan „einen Schritt zu weit“, wie der Vorsitzende Gökay Sofuoglu sagt.

Im nächsten Punkt indes sind sich alle überhaupt nicht einig: Wenn es so nicht geht – wie geht’s dann weiter? Bei der Frage nach Konsequenzen streben die Forderungen auseinander. Sie reichen von Appellen zur Besonnenheit bis hin zu Sanktionen und Auftrittsverboten für Erdogan und seine Getreuen. Dabei zeigt sich ein klares Muster: Je weiter weg von Regierungsverantwortung einer sitzt, desto freigiebiger ist er mit dem Ruf nach politischen Vergeltungsmaßnahmen.

Klöckner fordert Entschuldigung

Julia Klöckner zum Beispiel. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende fordert am Montag vor der Sitzung des CDU-Präsidiums eine Entschuldigung von Erdogan; vorher sei an einen Auftritt des Türken in Deutschland nicht zu denken. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt will ebenfalls eine Entschuldigung aus Ankara hören; er nennt Wahlkampfauftritte Erdogans und anderer türkischer Regierungsvertreter in Deutschland „unerwünscht“.

Auch andere Politiker machen sich für solche Forderungen stark. Wieso, lautet ihre Frage, sollen türkische Politiker in Deutschland jene demokratischen Rechte in Anspruch nehmen dürfen, die Erdogan daheim unter dem Kriegsrecht weitgehend suspendiert hat? Und wieso sollen er und seine Leute bei den Deutsch-Türken für ein neues System in ihrem Land werben dürfen, das auf eine Entmachtung demokratischer Institutionen zugunsten einer Art Präsidialautokratie hinausläuft? CDU-Generalsekretär Peter Taubers Stellungnahme nach der Sitzung der CDU-Spitze klingt denn auch entschieden unentschieden. „Dieses demokratische und starke Deutschland gewährt Meinungs-, Rede- und Versammlungsfreiheit, anders als die Türkei“, sagt er einerseits, „Wir wollen nicht, dass Konflikte in der Türkei auf unseren Straßen und Plätzen ausgetragen werden“ andererseits.

Ganz unberechtigt, das geben auch Regierungsvertreter zu, ist die Frage natürlich nicht, ob die Regeln der Demokratie auch für Politiker gelten sollten, die eben diese Regeln bei sich selbst abschaffen wollen. Auf der anderen Seite fällt auf, dass diese Frage in Deutschland vor allem von Politikern aufgeworfen wird, die selbst in Wahlkämpfen stecken. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel geben sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihr CDU-Herausforderer Armin Laschet wenig, wenn es darum geht, einem Türken-Bann das Wort zu reden. Der einzige Unterschied ist, dass Laschet mehr allgemein nach Auftrittsstopp ruft und Kraft die Kanzlerin in der Pflicht sieht – und erst auf Nachfragen auch den Außenminister, ihren Parteifreund Sigmar Gabriel.

Gabriel bemüht sich um rhetorische Abrüstung

Der bemüht sich derweil um Abrüstung – so wie die gesamte Regierung. „Das disqualifiziert sich von selbst“, sagt Regierungssprecher Seibert zu Erdogans Ausfällen und wirbt für ein Vorgehen „in Sachlichkeit und mit kühlem Kopf“. Von einem generellen Auftrittsverbot ist keine Rede. Ob Auftritte türkischer Politiker die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedrohten, müssten die zuständigen Behörden in Ländern und Kommunen konkret vor Ort entscheiden.

Kanzleramtschef Peter Altmaier erteilt Auftrittsverboten ebenfalls eine Absage. Er hätte persönlich ein Problem damit, wenn die Bundesregierung als „Zensor“ auftreten würde. Man habe gute Erfahrungen damit gemacht, auch ausländischen Politikern Redefreiheit zu gewähren, sagte Merkels engster Mitarbeiter – mit einer Einschränkung: „Es muss nach Recht und Gesetz zugehen.“ Das gelte etwa für die ordnungsgemäße Anmeldung.

Die für Dienstagabend in Hamburg vorgesehene Veranstaltung mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu wurde dennoch vorerst abgesagt. Bei einer Begehung des vorgesehenen Gebäudes durch das Bezirksamt Hamburg-Mitte seien „brandschutzrechtliche Mängel in erheblicher Form“ festgestellt worden, sagte ein Sprecher der Hamburger Polizei der Nachrichtenagentur AFP am Montag. Der Sprecher betonte, dass nicht die Veranstaltung als solche abgesagt worden sei. Ob die Veranstalter sich nun um ein Ausweichquartier bemühen, konnte er nicht sagen.

Von Erdogan selbst liegt übrigens weiterhin keine Reiseanfrage vor. Abgelehnt würde sie von Berlin wohl nicht. Die Generallinie der Regierung bleibt: Wir lassen uns nicht durch Provokationen zu Gegenreaktionen aus dem Bauch hinreißen, die am Ende vermutlich nur Erdogan selbst nützen. „Es geht ihm darum, zu provozieren“, sagt Justizminister Heiko Maas (SPD). „Und wir dürfen uns nicht provozieren lassen.“ Tatsächlich spricht viel dafür, dass Erdogans Ausfälle einen Versuch darstellen, seine Anhänger zu mobilisieren. Die letzten Umfragen zeigen nämlich, dass das Referendum auf der Kippe steht, mit dem sich Erdogan zum faktischen Alleinherrscher machen lassen will. Bis diese Volksabstimmung entschieden ist, glauben viele in Berlin, ist mir dem Ober-Türken sowieso nicht vernünftig zu reden.

Eine Ebene tiefer will es Gabriel am Mittwoch versuchen. Er soll am Mittwoch seinen türkischen Kollegen Cavusoglu treffen, der offiziell als Besucher der Internationalen Tourismusbörse (ITB) nach Berlin kommt. Am Montag wirbt der Bundesaußenminister darum, nicht über dem Wahlkampf-Kanonendonner die langfristigen Interessenlagen aus dem Auge zu verlieren. „Was das Thema Nato angeht, müssen Sie wissen, dass die Europäische Union natürlich ein gemeinsames Interesse hat: Die Türkei nicht weiter Richtung Osten abwandern zu lassen“, sagt der SPD-Politiker.

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