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Aufbruchstimmung im Iran: Eine Anhängerin von Hassan Ruhani feiert in Teheran den Wahlsieg des Präsidentschaftskandidaten.
© AFP

Iran hat gewählt: „Bye, bye Ahmadinedschad“

Nach dem Sieg des moderaten Klerikers Hassan Ruhani keimt im Iran neue Hoffnung auf. Auch der Westen hofft auf Bewegung im Atomstreit. Isreal warnt zugleich davor, den Druck auf Teheran zu verringern.

Mit vorsichtigem Optimismus und Hoffnung auf konstruktive Atomgespräche haben die westlichen Staaten am Wochenende auf die Wahl des moderaten Klerikers Hassan Ruhani zum neuen Präsidenten des Iran reagiert. Hunderttausende Menschen feierten mit Tanz und Hupkonzerten in Teheran und zahlreichen anderen Städten der Islamischen Republik die Niederlage der Hardliner. Ruhani nannte seinen Erfolg einen Sieg der Mäßigung und Vernunft über Extremismus und schlechte Manieren. Gleichzeitig appellierte er an die internationale Gemeinschaft, das iranische Volk mit Respekt zu behandeln und die legitimen Rechte seiner Nation anzuerkennen.

Nach dem amtlichen Endergebnis distanzierte der 64-jährige Geistliche mit 50,7 Prozent seine fünf erzkonservativen Konkurrenten. Ruhani tritt Anfang August die Nachfolge des derzeit noch amtierenden Mahmud Ahmadinedschad an.

Das Weiße Haus ließ erklären, man sei zu direkten Gesprächen mit dem Iran bereit, um eine diplomatische Lösung zu finden, die den internationalen Sorgen über das iranische Atomprogramm voll Rechnung trügen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle forderten den neuen Präsidenten auf, in regionalen und internationalen Fragen eine konstruktive Rolle zu spielen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius pries „das Verlangen des iranischen Volkes nach Demokratie“ und erklärte, man sei bereit, mit Ruhani in allen Bereichen zusammenzuarbeiten – von der Atompolitik bis zum Syrien-Konflikt. Sein britischer Amtskollege William Hague rief den frisch gewählten Präsidenten auf, den Iran in Zukunft auf einen neuen Kurs zu steuern und vor allem die Bilanz bei den Menschenrechten zu verbessern. Einzig Israel äußerte sich ausgesprochen skeptisch. Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht einem Wunschdenken hingeben und den Druck auf den Iran, sein Atomprogramm zu stoppen, verringern, erklärte Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag auf der Sitzung seines Kabinetts.

„Lange sollen die Reformen leben“, skandierten hunderttausende Iraner die ganze Nacht zum Sonntag in den Straßen und riefen „Bye, bye Ahmadinedschad“. Reformzeitungen priesen seinen Nachfolger als „Scheich der Hoffnung“. Immer wieder forderten Sprechchöre junger Leute auch „Freiheit für die politischen Gefangenen“ und „Freiheit für Mussawi und Karubi“ – die beiden Führer der vor vier Jahren brutal unterdrückten oppositionellen Grünen Bewegung.

Geboren wurde Ruhani 1948 in Örtchen Sorkheh östlich von Teheran. Schon als junger Theologiestudent in Qom machte er sich einen Namen als politischer Gegner von Schah Reza Pahlevi. Nach seinem Juraexamen in Teheran 1972 promovierte er in Glasgow an der polytechnischen Hochschule. Mit der Islamischen Revolution von Ajatollah Chomeini, den er in dessen Exil in Paris kennengelernt hatte, kehrte Ruhani in seine Heimat zurück. Während des Irakkrieges von 1980 bis 1988 diente er als Kommandeur bei der iranischen Luftabwehr. Von 1980 bis 2000 gehörte er fünf Legislaturperioden lang dem Parlament an.

Unter Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani amtierte Ruhani von 1989 bis 1997 als Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates. In diese Zeit fielen zahlreiche spektakuläre politische Morde an Regimegegnern im Ausland, unter anderem das Mykonos-Attentat in Berlin. Nachfolger Mohammed Chatami behielt ihn als Chef des Nationalen Sicherheitsrats, ernannte ihn 2003 darüber hinaus zum Chefunterhändler mit der internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEO), nachdem iranische Exilkreise das geheime Atomprogramm Teherans an die Weltöffentlichkeit gebracht hatten. Unter Ruhanis Regie erklärte sich der Iran damals bereits, die geheime Urananreicherung zu stoppen.

Von Mahmud Ahmadinedschads aggressivem Atomkurs und großmäuliger Außenpolitik distanzierte sich Ruhani bereits wenige Wochen nach dessen Amtsantritt 2005 und trat von der internationalen Bühne ab. „Wir wollen konstruktive Zusammenarbeit mit der übrigen Welt. Wir werden nicht zulassen, dass das alles weitergeht wie in den letzten acht Jahren“, versprach der Präsidentschaftskandidat im Wahlkampf. Irans Freunde in der Welt könne man inzwischen an den Fingern einer Hand abzählen, beklagte er, „und das sind alles Staaten, die kein internationales Gewicht und Prestige haben“. Noch nie in der Geschichte seien die Beziehungen zwischen dem Iran und Europa so frostig gewesen. Ahmadinedschads Politik habe internationale Sanktionen über das Land gebracht, und „diese Leute sind auch noch stolz darauf“. Ruhani erklärte hingegen, dass er eine andere Politik wolle – eine Politik der Aussöhnung und des Friedens.

Martin Gehlen

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