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Der moderate Geistliche Rowhani liegt vorn.
© AFP
Update

Präsidentschaftswahl: Hassan Ruhani siegt im Iran in der ersten Runde

Der gemäßigte Geistliche Hassan Ruhani hat nach Regierungsangaben mit knapp 51 Prozent der Stimmen überraschend die Präsidentschaftswahl im Iran gewonnen. Damit sicherte sich der von Reformern und Gemäßigten unterstützte Kandidat den Sieg bereits im ersten Wahlgang.

Jubel auf den Straßen, Menschen lagen sich weinend in den Armen. Hupende Autokorsos kreisten durch die Wohnviertel. Ausgelassen schwenkten junge Leute ihre grünen und violetten Tücher. Zehntausende feierten am Samstagabend in Teheran und anderen großen Städten Irans den überraschenden Sieg des einzigen moderaten Kandidaten Hassan Ruhani bei den Präsidentenwahlen.

Der 64-jährige Kleriker konnte sich nach dem amtlichen Endergebnis überraschend klar mit 50,7 Prozent der Stimmen gegen seine fünf erzkonservativen Konkurrenten durchsetzen und auf Anhieb die absolute Mehrheit erringen. Wie das Innenministerium bekannt gab, entfielen auf Ruhani rund 18,6 der 36,7 Millionen abgegebenen Stimmen, der damit zum Nachfolger von Mahmud Ahmadinedschad gewählt ist.

Mit weitem Abstand und 16,5 Prozent folgte der Teheraner Bürgermeister Mohammad Baqer Qalibaf. Der Bewerber mit den engsten Beziehungen zum Obersten Revolutionsführer Ali Khamenei, Atomunterhändler Saeed Jalili, landete mit 11,3 Prozent auf Platz drei. Der ehemalige Chef der Revolutionären Garden, Mohsen Rezai, erhielt 10,6 Prozent, die übrigen beiden Hardliner kamen nur auf einstellige Prozentanteile.

In den westlichen Staaten wurde Ruhanis Wahlsieg mit vorsichtigem Optimismus aufgenommen. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius pries „das Verlangen des iranischen Volkes nach Demokratie“ und erklärte, man sei bereit, mit dem neuen Präsidenten in allen Bereichen zusammenzuarbeiten – von der Atompolitik bis zum Syrienkonflikt. Sein britischer Amtskollege William Hague rief Ruhani auf, den Iran in Zukunft auf einen neuen Kurs zu steuern.

Die Wahlbeteiligung lag bei über 70 Prozent

Die Beteiligung der 50,5 Millionen Wahlberechtigten war diesmal mit 72,7 Prozent zwar geringer als vor vier Jahren. Viele moderate und reformgesinnte Wähler jedoch hatten sich in letzter Minute doch noch entschlossen, ihre Stimme abzugeben. Anfang der Woche hatten die beiden prominenten Ex-Präsidenten Mohammed Khatami und Ali Akbar Rafsandschani gemeinsam zur Wahl Ruhanis aufgerufen, seinen moderaten Mitkonkurrenten Mohammed Reza Aref zur Aufgabe überredet und eindringlich gegen einen Wahlboykott plädiert.

Denn Angst und Frustration in der Bevölkerung sind nach wie vor groß, seit das Regime unter der Regie des Obersten Revolutionsführer Khamenei vor vier Jahren die Grüne Bewegung durch Polizeiterror, Massenverhaftungen und Schauprozessen mit exzessiver Gewalt unterdrückte. Der damalige Spitzenkandidat der Grünen Bewegung und vermutliche Wahlsieger von 2009, Mir-Hussein Mussawi, sowie sein moderater Mitstreiter Mehdi Karroubi stehen seit mehr als zwei Jahren unter Hausarrest. Im Vorfeld der diesjährigen Präsidentenwahl wiederum strich der Wächterrat, der keinerlei demokratische Legitimität besitzt, in einem obskuren Prozedere Ex-Präsident Rafsandjani von der Kandidatenliste.

Sieger Ruhani hatte im Wahlkampf seine Anhänger demonstrativ violette Armbänder und Kopftücher tragen lassen, eine geschickt inszenierte Verbeugung vor der im Iran unvergessenen grünen Kampagne vor vier Jahren seiner beiden per Hausarrest terrorisierten Vorgänger. „Freiheit für Mussawi und Karroubi“ und „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ forderten junge Leute dann auch immer wieder auf Veranstaltungen von Ruhani, der die Sprechchöre schweigend gewähren ließ.

Der moderate Geistliche, der als junger Mann Staatsgründer Ayatollah Khomeini in seinem Pariser Exil kennenlernte, war zudem der einzige aus dem sechsköpfigen Kandidatenfeld, der es wagte, zur Beerdigung des prominenten Reform-Ajatollahs Jalaledin Taheri nach Isfahan zu reisen. Dort riefen letzte Woche Zehntausende in Sprechchören „Nieder mit dem Diktator“, die größte regimekritische Kundgebung gegen Revolutionsführer Ali Khamenei seit zwei Jahren.

Martin Gehlen

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