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Deutsche Bundeswehr-Soldaten und US-Truppen auf einer gemeinsamen Mission in Afghanistan
© Fabrizio Bensch / REUTERS
Update Exklusiv

Nato-Mission: Bundeswehr erwägt Truppen-Aufstockung in Afghanistan

US-Präsident Trump will Truppen aus Afghanistan abziehen. Die Bundeswehr bereitet sich darauf vor, in die Bresche zu springen – aber das Ministerium wiegelt ab.

Die Bundesregierung erwägt entgegen früheren Plänen eine höhere Anzahl von Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Das geht aus einem vertraulichen Schreiben des Verteidigungsministeriums hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Bei der schnellen Eingreiftruppe und den Sicherheitskräften werden demnach bereits jetzt Vorkehrungen dafür getroffen, dass Präsident Donald Trump rund die Hälfte der 14.000 im Land stationierten US-Soldaten abzieht.

Es gehe darum, „missionskritische Fähigkeiten, welche durch multinationale Partner gestellt werden“, zu ersetzen, heißt es in dem Schreiben. „Hierzu werden Kräfte in Deutschland bereitgehalten.“ Konkret erwähnt werden die Infanterie, die Luftwaffensicherung und der Sanitätsbereich. „Für den Fall einer solchen Entsendung müsste die Erhöhung der Mandatsobergrenze im Einzelfall geprüft werden.“ Eine genaue Zahl wird nicht genannt.

Mandat endet bald

Aktuell können bis zu 1300 Bundeswehrsoldaten im Rahmen der sogenannten „Nato Resolute Support Mission“ eingesetzt werden. Im Rahmen dieser Nato-Mission bilden sie seit 2015 vor allem im Norden des Landes afghanische Sicherheitskräfte aus. Das Mandat endet am 31. März. Bis dahin muss der Bundestag über eine Änderung entscheiden.

Das Bundesverteidigungsministerium teilte in einer Reaktion mit, dass sachliche Bezüge falschen Zusammenhängen zugeordnet würden. Auf deutscher Seite bestehe weder der politische Wille und die Bundeswehr sei auch nicht in der Lage, den Abzug amerikanischer Fähigkeiten in der notwendigen Quantität und Qualität zu kompensieren. Dies habe die Verteidigungsministerin mehrfach öffentlich mit ausführlicher Begründung klargestellt.

Bisher hatte die Bundesregierung erklärt, dass sie im Falle eines US-Abzugs die deutschen Soldaten aus Afghanistan zurückholen würde. „Für uns gilt: Die Bundeswehr ist nie allein unterwegs, sondern immer nur in Bündnissen und Koalitionen“, hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gesagt. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sei die Bundeswehr zusammen mit dem Nato-Partner USA nach Afghanistan gegangen. „Gemeinsam rein - gemeinsam raus. Diese Devise gilt auch heute noch.“

Außenminister Heiko Maas (SPD) setzt sich für eine Verlängerung des Mandats ein. Das Land zum jetzigen Zeitpunkt zu verlassen würde bedeuten, dass alles Aufgebaute „sehr schnell in sich zusammenbrechen würde“, sagte er jetzt bei einem Truppenbesuch in Masar-i-Scharif. Er könne aber auch verstehen, dass es nach fast 18 Jahren viele Fragen nach einer Prognose für die Zukunft Afghanistans gebe.

Die Bundeswehr ist in Afghanistan, weil die USA den Bündnisfall ausgerufen haben. Wenn sich die USA nun zurückziehen, sollte sich auch die Bundeswehr zurückziehen. Das Argument, dass dadurch das (angeblich) Erreichte gefährdet würde, gilt auch für einen Rückzug in 5, 10 oder 20 Jahren.

schreibt NutzerIn al.dente

Die FDP forderte die Verteidigungsministerin auf, nicht nur „laut nachzudenken“, sondern zu erklären, wie sie überhaupt eine personelle Aufstockung der Bundeswehr in Afghanistan erreichen wolle. „Angesichts der aktuellen Material- und Personaldefizite bei der Truppe halte ich diese Pläne für geradezu absurd“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin, Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem Tagesspiegel. „Eine Aufstockung einfach mal so durchwinken zu wollen ist nicht nachvollziehbar. Es würde sich hier um ein völlig neues als das bisherige Mandat handeln. Das müsste vorab bis ins kleinste Detail erläutert werden.“

Taliban arbeiten mit Islamischen Staat zusammen

Mit Blick auf die afghanischen Sicherheitskräfte ANDSF schreibt die Bundesregierung, dass diese in den vergangenen zwölf Monaten hohe Verluste hätten hinnehmen müssen. „Die ANDSF konnten im vergangenen Jahr ihre Verluste wiederholt nicht vollständig ausgleichen. Diese Verluste wirken sich zunehmend auf die Leistungsfähigkeit der taktischen Ebene der Sicherheitskräfte aus.“ Die afghanischen Sicherheitskräfte weisen demnach auch „unverändert Defizite“ in den Bereichen Führung von Streitkräften und der Bekämpfung der Korruption auf.

Darüber hinaus beobachtet die Bundesregierung eine vereinzelte Zusammenarbeit der Taliban mit eigentlich verfeindeten Anhängern des sogenannten Islamischen Staats in Afghanistan (ISKP), sowie wechselseitige Überläufe. „Auch aus punktuellem, zweckgebundenen Pragmatismus, finden auch aktuell Kooperationen zwischen Taliban und ISKP auf taktischer und operativer Ebene statt. Entgegen anderslautender Verlautbarungen beteiligt sich der IS am Anbau und Handel mit Drogen.“

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