Afghanistan: Deutschland will Taliban zu Friedenskonferenz einladen
Es steht nicht gut um Afghanistan. Doch die Drohungen von US-Präsident Trump verkomplizieren die Lage – so sieht es ein Bericht der Bundesregierung.
Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, die radikalislamischen Taliban zu einer Friedenskonferenz für Afghanistan nach Deutschland einzuladen. Dies geht aus einer Unterrichtung mehrerer Ministerien für den Bundestag über die Entwicklung in Afghanistan hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Deutschland habe sich "bereit erklärt, auf Wunsch der Konfliktparteien seine guten Dienste zur Ermöglichung eines Friedensprozesses zur Verfügung zu stellen, beispielsweise durch die Veranstaltung einer weiteren Petersberger Konferenz unter Einschluss der Taliban in einem dafür geeigneten Stadium der Verhandlungen", heißt es darin. Auf der Petersberger Konferenz bei Bonn war Ende 2001 unter Beteiligung verfeindeter afghanischer Gruppierungen ein Plan zur Machtübergabe an eine demokratische Regierung in Kabul verabschiedet worden.
Die Lage in Afghanistan ist schon verfahren genug, doch die Drohungen von US-Präsident Donald Trump, die Hälfte seiner Truppen abzuziehen, machen die nächsten Monate für Bundesregierung und Bundeswehr kaum mehr kalkulierbar. So lautet zusammengefasst die Botschaft des "Input-Papiers zur deutschen Unterstützung des Friedensprozesses in Afghanistan", das Staatsminister Niels Annen (SPD) aus dem Auswärtigen Amt (AA) verschickt hat. Im März steht im Parlament die Verlängerung der Bundeswehr-Mission an, nach 18 Jahren und schwindenden Aussichten auf Erfolg einer demokratischen Ordnung werden die Rufe lauter, die deutschen Soldaten zurückzuholen.
Dem Ziel, einen Friedensprozess einzuleiten, die staatliche Kontrolle auszubauen und Menschenrechte zu garantieren, sei Afghanistan im vergangenen Jahr "nur zum Teil nähergekommen", heißt es in dem Bericht. Das Gewaltniveau und die Sicherheitslage hätten sich "nicht wesentlich verbessert". Trotzdem dringe die Bundesregierung weiter auf einen politischen Prozess zur Befriedung des Landes und komme zu dem Schluss, "dass sie ihr diplomatisches, ziviles und militärisches Engagement in Abstimmung mit ihren Partnern im bestehenden Umfang fortsetzen sollte". Allerdings nur, "solange realistische Aussicht auf eine politische Lösung besteht".
Kurz vor Weihnachten hatten US-Medien gemeldet, Trump wolle die Hälfte von 14.000 Soldaten aus Afghanistan abziehen. Die Drohung löste in Berlin Schockwellen aus. Wenn die USA ihr militärisches Engagement beträchtlich zurückführen, werde die Bundesregierung gründlich prüfen, wie sie reagiere, heißt es im Text. Man könne "nicht ausschließen, dass die USA ihr militärisches Engagement perspektivisch von den Bemühungen um einen Friedensprozess entkoppeln und sich ohne umfangreiche Abstimmung mit den Partnern teilweise oder ganz aus Afghanistan zurückziehen".
"Verheerendes Anzeichen für Willkür amerikanischer Politik"
Der Bundeswehreinsatz sei aber "politisch und praktisch an ein verlässliches und kalkulierbares multilaterales Zusammenwirken gebunden" – eine Voraussetzung, die seit Trumps Wahl nicht mehr gegeben ist. Der Zeitdruck, den die US-Regierung aufbaue, könne deren Verhandlungsposition und die der afghanischen Regierung schwächen, wenn es nicht gelinge, die Reduzierung der US-Truppen "als Meilenstein eines verhandelten Fahrplans mit Gegenleistungen zu verknüpfen".
Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, begrüßte den AA-Bericht. "Wir stehen zu unserem Engagement in Afghanistan", versichert er. Gleichzeitig müsse es "eine Perspektive geben, den seit 18 Jahren andauernden internationalen militärischen Einsatz für Afghanistan zu beenden". Der einzige Weg zum Frieden sei ein Verhandlungsprozess, "der sowohl die afghanische Regierung als auch die Taliban einschließt". Ohne Trump beim Namen zu nennen, warnte Schmid: "Einseitige Schritte, die diesen Prozess gefährden, sollten unterbleiben."
Auch Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte Trumps Alleingänge. Dass die Bundesregierung den USA gegenüber dafür werben müsse, "zentrale Errungenschaften beim Aufbau Afghanistans seit 2001 zu verteidigen", sei ein "verheerendes Anzeichen für die Willkür amerikanischer Politik". Die Hauptbotschaft des AA-Papiers lautet für ihn: "In diesem Jahr steht für Afghanistan alles auf dem Spiel."
Härter ins Gericht mit der Unterrichtung gehen die Liberalen. "Der Bericht liefert wenig neue Informationen und lässt vieles vermissen", meinte ihr außenpolitischer Sprecher Bijan Djir-Sarai: "Es wäre sinnvoll gewesen, den Einsatz konkret zu evaluieren." Dies habe schon im vergangenen Jahr gefehlt. Der FDP-Abgeordnete forderte die Bundesregierung auf, mehr Einsatz zu zeigen, um die Lage zu klären: "Die Bundesregierung sollte langsam im engen Austausch mit den USA erfahren, welche konkrete Strategie die US-Administration verfolgt und wie der tatsächliche Sachstand der Friedensgespräche mit den Taliban ist."