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Die Kuppel des Reichstages in Berlin.
© Tobias Kleinschmidt/ dpa

Mehr Transparenz unter der Kuppel: Bundestag will Lobbyismus stärker ausleuchten

Der Europarat macht Druck, sogar Lobbyisten sind dafür - und inzwischen schwindet auch in der Union der Widerstand gegen schärfere Transparenzregeln.

Die Aktion sollte Druck auf die Politik machen: Thomas Oppermann bekam kürzlich Besuch von Mitarbeitern des Online-Portals Abgeordnetenwatch. Dem Vizepräsidenten des Bundestags überreichten sie fast 270.000 Unterschriften von Bürgern, die strengere Regeln für Lobbyisten fordern. Oppermann stellte sich umgehend an die Spitze dieser Bewegung. Er setze sich für ein verpflichtendes Lobbyregister ein und erhalte dafür „Unterstützung aus der Bevölkerung“, ließ er erklären.

In der Sommerpause hatte der SPD-Politiker eine Initiative angekündigt: Er wolle das Thema auf die Tagesordnung der Rechtsstellungskommission des Bundestages setzen.

Die „Kommission für die Rechtsstellung der Abgeordneten“ ist eine Unterkommission des Ältestenrates, in der alle Fraktionen vertreten sind, in der Regel durch ihre parlamentarischen Geschäftsführer. Über die Arbeit dringt nur selten etwas an die Öffentlichkeit. Sie befasst sich mit den Verhaltensregeln für Abgeordnete, beispielsweise der Veröffentlichung von Nebeneinkünften und anderen Transparenzpflichten. Oppermann hat in der Kommission den Vorsitz.

Ein verbindliches Register für Interessenvertreter könne den Lobbyismus „entdämonisieren“, betonte Oppermann. Prinzipiell sei Interessenvertretung nichts Schlechtes, sofern sie „offen und transparent“ erfolge. Dagegen stünden „andere Parteien“ einem Lobbyregister weniger offen gegenüber, sagte der SPD-Politiker – und dämpfte damit Erwartungen an eine rasche Einigung innerhalb der Koalition. „Ich würde mich freuen, wenn auch unser Koalitionspartner die Forderung unterstützen würde und wir bei diesem Thema endlich vorankämen.“

Thomas Oppermann (SPD), Vizepräsidenten des Bundestags.
Thomas Oppermann (SPD), Vizepräsidenten des Bundestags.
© Michael Kappeler/dpa

Keine unüberwindbaren Widerstande

Das Thema Lobbyregister beschäftigt den Bundestag tatsächlich seit Jahren. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode wollte die Opposition ein solches Register durchsetzen. Auch die SPD bereitete einen Gesetzentwurf vor, brachte ihn aber nicht ein – weil sie nicht mit Zustimmung der Union rechnete.

Allerdings gibt es bei CDU und CSU keineswegs unüberwindbaren Widerstand gegen schärfere Regeln für Interessenvertreter. In den Jamaika-Sondierungsgesprächen verständigten sich Union, FDP und Grüne darauf, „ein verpflichtendes Lobbyregister betreffend die Interessenvertretung gegenüber Parlament und Regierung“ einzuführen und damit „Transparenz (zu) schaffen, ohne wirksames Regierungshandeln oder die freie Ausübung des parlamentarischen Mandats“ einzuschränken. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sucht man eine entsprechende Passage jedoch vergeblich. Die Sozialdemokraten hätten am Ende in den Verhandlungen nicht darauf bestanden und anderen Themen Vorrang eingeräumt, hieß es.

Anderer Blick aufs Thema

Nun könnten die Koalitionspartner das Problem doch noch anpacken. Denn in der Zwischenzeit eröffnete sich ein anderer Blick auf das Thema. Im April 2018 bildete sich eine ungewöhnliche Allianz: Die Nichtregierungsorganisation Transparency International Deutschland und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) forderten gemeinsam ein verbindliches Transparenzregister und einen Verhaltenskodex für Interessenvertreter. Ihr Konzept sieht vor, dass Lobbyisten künftig ihre Tätigkeitsfelder sowie Herkunft und Höhe der für die Interessenvertretung angesetzten finanziellen Mittel offenlegen. Der Initiative schlossen sich später der BDI und weitere Organisationen an. Wenn also Lobbyisten selbst eine Neuregelung befürworteten, wer sollte dann noch dagegen sein?

Ein weiterer Faktor könnte die Abgeordneten zum Handeln motivieren: Im August rügte die vom Europarat gegründete Staatengruppe gegen Korruption (Greco) den Bundestag, weil dieser Empfehlungen zur Korruptionsprävention seit Jahren nicht umgesetzt hatte. Die Experten hatten unter anderem strengere Regeln für Lobbyisten angemahnt.

Bereits Ende vergangenen Jahres kündigten Unionsabgeordnete eine Initiative für ein Lobbyregister an – doch passiert ist seitdem nichts. Die Union muss bei dem Thema zunächst intern ihre Position klären, in der CSU beispielsweise ist das Interesse an einer Neuregelung gering.

Vorbehalte gibt es auch in der FDP. Deren Erster Parlamentarischer Geschäftsführer Marco Buschmann fordert, nicht nur Lobbyisten, sondern auch „NGOs und Stiftungen, beispielsweise auch Gewerkschaften“ in ein solches Register einzubeziehen. „Wir dürfen nicht mit zweierlei Maß messen.“

Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion.  , zieht bei einer Pressekonferenz eine Halbzeitbilanz der Legislatur. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. , zieht bei einer Pressekonferenz eine Halbzeitbilanz der Legislatur. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionfraktion, Patrick Schnieder (CDU), spricht sich im Grundsatz für ein Lobbyregister aus. „Ziel muss es sein, die Transparenz des Austauschs von Politikern und Interessenvertretern zu erhöhen und gleichzeitig den geschützten Bereich des freien Mandats zu erhalten.“ Die bisherigen Regeln sollten weiterentwickelt werden, sagte er mit Blick auf die Verbändeliste des Bundestags. „Ich persönlich halte ein neues Lobbyverzeichnis für überfällig.“ In dieses Register sollten sich nicht nur Verbände, sondern auch Unternehmen und Einzelpersonen eintragen.

„Die Koalition muss endlich einen Gesetzentwurf vorlegen“

Politiker von CDU und SPD hätten sich zwar öffentlich für ein Lobbyregister ausgesprochen, sagt die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann. „Aber leider haben sie bisher nichts dafür getan, dass es auch umgesetzt wird.“ Grüne und Linke haben bereits am Anfang der Legislaturperiode eigene Gesetzentwürfe für ein Lobbyregister in den Bundestag eingebracht. Oppermanns Vorstoß, das Thema wieder in der Rechtsstellungskommission aufzurufen, sieht Haßelmann daher kritisch. „Die Rechtsstellungskommission ist nicht der richtige Ort, um über ein Lobbyregister zu entscheiden.“ Schließlich könne diese Kommission nur Empfehlungen abgeben.

Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion.
Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion.
© Soeren Stache/dpa

Auch Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, fragt, wozu man ein „unverbindliches Gespräch in der Rechtsstellungskommission“ überhaupt brauche. „Ich glaube, dass Thomas Oppermann hier auf Zeit spielt.“ Wenn Oppermann etwas erreichen wolle, solle er sich auf seinen Koalitionspartner konzentrieren, sagt Korte. „Die Koalition muss jetzt endlich einen Gesetzentwurf für ein Lobbyregister vorlegen“, fordert Haßelmann. „Sie darf das Thema nicht weiter verschleppen.“

Beim Treffen der Kommission am vergangenen Freitag gab es erwartungsgemäß keine Beschlüsse. Auf den nächsten Schritt hatten sich zuvor schon die Obleute im Geschäftsordnungsausschuss verständigt: Noch im Oktober wollen Vertreter der Koalition klären, ob sie eine Initiative für ein Lobbyregister vorlegen. Experten befürchten jedoch, dass der Bundestag sich nicht auf ein Gesetz verständigen, sondern nur seine Regeln ändern könnte.

Das würde nur das Parlament und nicht die Regierung in die Pflicht nehmen. „Wenn der Bundestag ein Lobbyregister beschließt, indem er nur seine Geschäftsordnung ändert, ist das zu wenig“, warnt Anna-Maija Mertens, Chefin von Transparency International Deutschland. „Das wäre eine vertane Chance.“

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