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Die Stimmung ist angespannt zwischen Ost und West: Ein radikaler US-Prediger soll deshalb nicht nach Deutschland einreisen dürfen.
© dapd
Update

Islam-Schmähfilm: Bundesregierung wappnet sich gegen rechte Aktionen

Kaum kehrt in die religiös motivierten Unruhen in der islamischen Welt wieder etwas mehr Ruhe ein, bereiten rechtsextreme Provokateure den Sicherheitsbehörden in Deutschland zunehmend Sorge. Der Innenminister will hart durchgreifen. Doch seine Mittel sind begrenzt.

Nach der Eskalation der Proteste gegen das Mohammed-Schmähvideo haben zahlreiche westliche Länder ihre Botschaften in muslimischen Staaten in Alarmbereitschaft versetzt. Deutschland und die USA zogen am Sonntag einen Teil ihrer Mitarbeiter aus ihren Vertretungen im Sudan ab, wo in der Hauptstadt Khartum nach den Freitagsgebeten ein Mob die Botschaften gestürmt hatte. Im Laufe des Tages wollten eine Reihe islamistischer Gruppen erneut demonstrieren. Auch in vielen anderen Ländern gingen erneut Muslime auf die Straßen. Die Proteste richteten sich vor allem gegen die USA, wo der Film entstand.

Im Vergleich zum Freitag, als mindestens neun Menschen ums Leben kamen, hielten sich die Ausschreitungen am Wochenende zwar in Grenzen. Gleichwohl blieb die Lage angespannt, zumal der Flügel der radikal-islamische Al-Kaida im Jemen Muslime weltweit zu weiteren Angriffen auf US-Diplomaten aufrief. Im indischen Hyderabad starb am Sonntag ein Mensch, als plötzlich während eines Protests geschossen wurde. In der pakistanischen Stadt Karachi skandierten 5000 Menschen anti-amerikanische Slogans. In der türkischen Hauptstadt Ankara verbrannte eine kleine Gruppe Demonstrierender eine amerikanische Flagge vor der US-Botschaft.

Die Proteste gegen das Video, in dem der Prophet Mohammed als Kinderschänder, Schürzenjäger und Homosexueller verunglimpft wird, dauern seit gut einer Woche an. Am Dienstag waren am Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 bei einem Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi der amerikanische Botschafter und drei Mitarbeiter getötet worden. Mittlerweile haben die Proteste zahlreiche islamisch geprägte Länder erfasst. Selbst in Australien und Frankreich kam es zu vereinzelten Kundgebungen.

In Deutschland kündigte die rechtspopulistische und islamfeindliche “Bürgerbewegung pro Deutschland“ an, den 13-minütigen Film in Berlin zu zeigen. Zudem stellte sie das amateurhafte Video, das unter anderem unter dem Namen “Innocence of Muslims“ (“Die Unschuld der Muslime“) im Internet kursiert, auf ihre Website. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich forderte, dagegen müsse mit allen rechtlich zulässigen Mitteln vorgegangen werden. “Solche Gruppen und Organisationen wollen die Islamisten auch in Deutschland provozieren. Damit gießen sie grob fahrlässig Öl ins Feuer“, sagte er in einem “Spiegel“-Interview.

Bildergalerie: Ein Video versetzt die arabische Welt in Aufruhr

Die Bürgerbewegung Pro Deutschland wies die Vorwürfe des Innenministers zurück. „Genauso unsinnig wäre es, die Schuld bei Youtube zu suchen, weil das Portal eine Vorschau des Films verbreitet, oder bei der US-Regierung, die Anforderungen aus der islamischen Welt zurückweist, den Film zu verbieten“, sagte Manfred Rouhs, Vorsitzender der Bürgerbewegung Pro Deutschland. Rouhs weiter: „Wir wollen den Film zeigen, um eine Diskussion möglich zu machen. Auch, wenn uns vielleicht die Machart nicht gefällt, muss doch die Meinungs- und Kunstfreiheit gegen religiös begründete Intoleranz geschützt werden.“

Nach Einschätzung von Juristen ist ein Verbot des Filmes nur schwer möglich. Möglich sei dies nur über den Paragrafen 166 des Strafgesetzbuches. Dieser stellt die „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ unter Strafe. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Paragrafen sehr hoch, wie Juristen betonen – so hoch, dass er nach Angaben des Bundesjustizministeriums nur sehr selten angewendet wird. 2006, nach dem Streit über die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ in Berlin aus Angst vor islamistischen Übergriffen, hatten unter anderem die Grünen eine völlige Abschaffung des sogenannten Gotteslästerungsparagrafen gefordert. Sollte der Film in Deutschland nach Paragraf 166 verboten werden, darf er auch nicht aufgeführt werden. Wird er nicht verboten, kann er auch gezeigt werden. Selbst die Sorge vor massiven Ausschreitungen kann das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht aushebeln, sagen Juristen. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht in Berlin im August das Zeigen der Mohammed-Karikaturen vor Moscheen zugelassen, da diese nicht unter den Paragrafen 166 fallen. Pro Deutschland hatte im August vor vier Moscheen die umstrittenen dänischen Mohammed-Karikaturen gezeigt, 1800 Polizisten waren im Einsatz, um Auseinandersetzungen zwischen Salafisten, Rechtspopulisten und linken Demonstranten zu verhindern.

Bildergalerie: Pro Deutschland provoziert vor Moscheen in Berlin

Am Wochenende erließ das Bundesinnenministerium ein Einreiseverbot gegen den US-amerikanischen Prediger Terry Jones. Eine Einreise des evangelikalen Predigers würde den Interessen Deutschlands widersprechen, teilte das Ministerium mit. Hintergrund des Einreiseverbots sind Berichte, wonach rechtsextreme Gruppen geplant haben, Jones einzuladen. Der Prediger hatte 2011 den Koran verbrannt und damit Gewaltausbrüche in der islamischen Welt ausgelöst. Jones soll auch das Anti-Mohammed-Video unterstützen.

Video: Polizisten vernehmen mutmaßlichen Urheber des Mohammed-Films

In Kalifornien wurde unterdessen ein Mann im Zusammenhang mit dem Film befragt. Der 55-Jährige sei freiwillig auf das Polizeirevier gekommen, sagte ein Sprecher des Sheriffs in einem Vorort von Los Angeles. Der Befragte hat Gerichtsunterlagen zufolge eine Gefängnisstrafe wegen Bankbetrugs abgesessen und wurde im Juni 2011 aus der Haft entlassen. Zumindest Teile des Films wurden anschließend produziert. Damit könnte er gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen haben. Allerdings hat er einem Telefongespräch mit seinem koptischen Bischof eine Verwicklung zurückgewiesen. Der Film selbst ist nicht Gegenstand von Ermittlungen, weil die Darstellungen unter den starken Schutz der Meinungsfreiheit in der amerikanischen Verfassung fallen. Auch Blasphemie und die Verunglimpfung von Religionsgemeinschaften sind in den USA nicht strafbar.

US-Präsident Barack Obama bekräftigte, das amerikanische Volk habe tiefen Respekt für Menschen aller Glaubensrichtungen. Allerdings: “Es gibt keine Entschuldigungen für die Angriffe auf unsere Botschaften und Konsulate.“ Zum Schutz seiner Bürger verstärkten die USA ihre militärische Präsenz in der Region. Vor die libysche Küste wurden zwei Zerstörer beordert. Ebenso entsandte Obama Marines gen Jemen. Der Sudan verweigerte den Vereinigten Staaten die Erlaubnis, die Soldaten in das nordostafrikanische Land zu lassen. Daraufhin wies die US-Regierung den Großteil ihres Botschaftspersonals in Khartum sowie Angehörige an, die Vertretung zu verlassen. Gleiches galt für die US-Botschaft in Tunis, die am Freitag ebenfalls angegriffen worden war. Am Samstag hatte das Terrornetzwerk Al-Kaida im Internet Muslime in aller Welt dazu aufgerufen, US-Botschaften zu stürmen und Diplomaten zu töten.

Das Weiße Haus geht nach Informationen der „New York Times“ davon aus, dass die wütenden Proteste in eine „anhaltende Krise mit unvorhersehbaren diplomatischen und politischen Konsequenzen“ münden könnten.

Auch in der bis auf weiteres geschlossenen deutschen Botschaft in Khartum zieht das Auswärtige Amt Personal ab. Die Sicherheitskräfte würden dagegen aufgestockt, wie eine Sprecherin sagte. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte die sudanesische Regierung in scharfer Form auf, die Sicherheit deutscher Staatsbürger zu gewährleisten. Auch der UN-Sicherheitsrat in New York rief alle von den Massenprotesten betroffenen Staaten auf, ihren internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Missionen nachzukommen.

Papst Benedikt XVI. ging bei seiner Libanon-Reise auch auf die jüngsten anti-westlichen Unruhen ein. „In einer Welt, wo die Gewalt ihren Todes- und Vernichtungszug unaufhörlich ausweitet, ist es eine Dringlichkeit, sich für eine brüderliche Gesellschaft, für den Aufbau der Gemeinschaft einzusetzen“, sagte der Kirchenführer vor Hunderttausenden Gläubigen aus dem ganzen Nahen Osten in Beirut.

Der Vorsitzende des Obersten Rates der Religionsgelehrten und Groß-Mufti von Saudi-Arabien, Scheich Abdulasis bin Abdullah al-Scheich, mahnte die Muslime zu Besonnenheit. Sie dürften sich nicht aus Wut dazu verleiten lassen, unschuldige Menschen zu töten und öffentliche Einrichtungen anzugreifen. Wer seinem Zorn nachgebe, mache sich letztlich nur zum Erfüllungsgehilfen der Urheber des Mohammed-Films, erklärte er.

In Afghanistan beriefen sich die radikalislamischen Taliban nach einem Angriff auf ein Militärlager auf den Schmähfilm. Die Attacke auf das Camp, in dem zurzeit der englische Prinz Harry seinen Dienst tut, sei ein Vergeltungsakt gewesen. Zwei Soldaten starben. (rtr/dapd/epd)

Jörn Hasselmann

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