Reaktion auf Erdogan: Bundesregierung nennt NS-Vergleich "absurd und deplatziert"
"Absolut inakzeptabel" findet Kanzleramtschef Altmaier den Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten Erdogan. Regierungssprecher Seibert sieht das ähnlich.
Die Bundesregierung hat den Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem Deutschland von heute scharf kritisiert. "Eine Gleichsetzung der Politik des demokratischen Deutschland mit der des Nationalsozialismus weisen wir entschieden zurück", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Ohnehin seien solche Nazi-Vergleiche "immer absurd und deplatziert", da sie nur dazu führten, die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten zu verharmlosen. Erdogan hatte den deutschen Behörden Nazi-Methoden vorgeworfen, nachdem an einigen Orten Wahlkampfauftritte türkischer Minister untersagt worden waren.
Die Regierungsvertreter hatten für ein Ja beim Referendum über die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei werben wollen, die Erdogans Machtbefugnisse ausweiten soll. Seibert sagte weiter, die Bundesregierung bleibe "sehr an einem guten Verhältnis zur Türkei interessiert". Allerdings gebe es "in diesen Tagen tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten". Mit Blick auf weitere Auftritte türkischer Regierungsmitglieder in Deutschland und möglicherweise auch von Erdogan selbst, stellte der Regierungssprecher klar: "Die Bundesregierung arbeitet nicht an irgendwelchen Einreiseverboten."
Allerdings müssten solche Besuche offen zuvor angekündigt werden. Seibert pochte auch erneut auf eine baldige Freilassung des in der Türkei inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. "Wir fordern für ihn eine faire und rechtsstaatliche Behandlung und wir erwarten, das Deniz Yücel möglichst bald seine Freiheit wiedererlangt", sagte der Regierungssprecher. Yücel wird in der Türkei Terrorpropaganda und Spionagetätigkeit vorgeworfen, was in Deutschland auf Unverständnis stößt.
Scharfe Kritik an Nazi-Vergleich des türkischen Staatspräsidenten
Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat den Nazi-Vergleich des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan als "absolut inakzeptabel" zurückgewiesen. "Das werden wir als Bundesregierung auch sehr klar und deutlich zum Ausdruck bringen", sagte Altmaier am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Deutschland sei in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Toleranz "nicht zu übertreffen". "Wir haben überhaupt gar keinen Grund, uns von irgendjemand in dieser Hinsicht Vorwürfe und Ratschläge geben zu lassen", sagte Altmaier weiter. Nach der Absage mehrerer Auftritte türkischer Politiker hatte Erdogan deutschen Behörden am Sonntag in einer Rede in Istanbul Nazi-Methoden vorgeworfen. Wörtlich sagte er: "Eure Methoden unterscheiden sich nicht von den früheren Nazi-Methoden." Er hätte gedacht, diese Zeit sei in Deutschland längst vorbei - "wir haben uns geirrt". Empört darüber zeigte sich auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Erdogans Nazi-Vergleich sei "abstrus, infam und abwegig", sagte Maas am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will".
Der Justizminister beklagte einen Verlust der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei. Die Äußerungen Erdogans zeigten, dass es in der Türkei "gar nicht mehr um rechtsstaatliche Grundsätze geht". Altmaier verteidigte zugleich die Praxis der Bundesregierung, ausländischen Politikern in Deutschland Auftritte zu ermöglichen. Es sei schon seit Jahrzehnten so üblich, dass dies hierzulande "generell" zugelassen werde und ausländische "Persönlichkeiten" von der hierzulande geltenden Redefreiheit Gebrauch machen könnten, betonte Altmaier. Diese Veranstaltungen müssten selbstverständlich "nach Recht und Gesetz" erfolgen und unter anderem korrekt angemeldet werden. Dass die zuständigen Behörden darauf achteten, werde dadurch belegt, dass immer wieder auch Auftritte wie kürzlich in Gaggenau untersagt würden.
Dies sei ein Zeichen, dass "unsere Demokratie funktioniert". Er habe aber "persönlich ein Problem damit", wenn sich eine Bundesregierung zum "Zensor" darüber mache würde, was in Deutschland gesagt werden dürfe und was nicht, ergänzte der Minister. Dafür gebe es die zuständigen Stellen und notfalls die Gerichte. Die Behörden im baden-württembergischen Gaggenau hatten in der vergangenen Woche einen Auftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdag in einer städtischen Festhalle aus Sicherheitsgründen abgesagt. Dieser wollte dort für das umstrittene Referendum für eine Verfassungsänderung in der Türkei werben. Es war einer der Absagen, die zu den neuen Zuspitzungen im ohnehin angespannten deutsch-türkischen Verhältnis beitrugen. (AFP)