Energiesparen contra Gerechtigkeit: Klimaschutz auf Kosten der Mieter
Die Bundesregierung will die energetische Sanierung von Häusern durch steuerliche Anreize stärker fördern.
Die Stimmung war bereits weihnachtlich. Dabei wirkte alles recht sparsam beim Parlamentarischen Abend der Unternehmensinitiative Energieeffizienz („Deneff“) diese Woche im Berliner Zollernhof Unter den Linden. Mancher der rund 200 Gäste beschwerte sich leise über den mangelnden Nachschub an Getränken, dafür fiel aber wenigstens die Dekoration der Stehtische ins Auge: Statt konventioneller Teelichter standen dort kleine LED-Lichtlein, gespeist von je einer drei Volt starken Lithium-Mangandioxid-Knopfzelle. Die Elektro-Teelichter gibt es auch im Handel. Sie kosten dort etwa vier mal so viel wie eine klassische Kerze in der Alu-Schale: knapp 40 Cent. Dafür brennt das E-Licht aber 18 mal so lang – rund 72 Stunden statt etwa vier.
Ein Mal mehr zahlen, um dafür langfristig zu sparen: Das ist der Grundgedanke hinter der Energieeffizienz und die Legitimation für einen Wirtschaftszweig, der – Handwerksbetriebe inklusive – rund 900 000 Menschen beschäftigt und im Jahr 160 Milliarden Euro umsetzt. Und zwar nicht mit Teelichtern, sondern mit deutlich größeren Projekten wie der energetischen Gebäudesanierung. Die soll die Heizkosten senken und der Bundesregierung helfen, das Klima zu retten. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wird daher am Mittwoch dem Kabinett seinen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (Nape) vorlegen – um die Energieeffizienz „in allen Sektoren zu stärken, insbesondere im Wärme- und Prozessbereich“, wie er in einem Grußwort an die „Deneff“-Gäste schrieb. „Auch wollen wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Energieeffizienz ein attraktives Renditenmodell ist“, vor allem in Zeiten niedriger Zinsen.
Volkswirtschaftlich und klimapolitisch, da sind sich die Experten einig, machen derartige Investitionen Sinn: Ein Euro staatlicher Förderung generiert acht Euro an privaten Investitionen – für Technologie, Material und Handwerksdienstleistungen. Und allein mit stromsparenden Geräten und sparsameren Fahrzeugen wird Deutschland seine Klimaschutzversprechen kaum erreichen können. Auch der Wärmesektor muss seinen Beitrag leisten. Schon die Vorgängerregierung unter Initiative von Gabriels Vorgänger Philipp Rösler (FDP) hatte in diesem Sinne ein sogenanntes Marktanreizprogramm zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gebäudesanierungen auf den Weg gebracht. Es scheiterte damals am Widerstand der Länder, die sich über Steuermindereinnahmen an diesem Milliardenprogramm zur Förderung des Handwerks, der Dämmstoffindustrie und des Klimaschutzes beteiligen sollten.
Vermieter nutzen Sanierung zur Mieterhöhung
Nun endlich, die große Koalition macht’s möglich, wird es bald stärkere steuerliche Anreize geben – zusätzlich zu diversen, bereits existierenden Förderprogrammen der Staatsbank KfW. Wenn aber die Bürger, die privaten Hauseigentümer oder die großen Vermieter nicht zugreifen, verpufft die erhoffte Wirkung des Aktionsplans. Und das könnte durchaus passieren. Denn vor allem, wenn es um Mietwohnungen geht, gibt es jede Menge Streit. Die energetische Sanierung ist ein beliebtes Mittel, langjährige Mieter, die niedrige Mieten zahlen, zu vergraulen, weiß Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Typische Masche: Die Mieter bekommen einen Fragebogen ins Haus geschickt, in dem bestimmte Maßnahmen aufgezeigt werden – und Mieterhöhungen von drei bis vier Euro pro Quadratmeter. „20 bis 30 Prozent der Leute bekommen dann Panik und ziehen aus“, berichtet der Mieterschützer aus der Praxis.
Aber auch wenn regulär abgerechnet wird, ist die Sanierung für die meisten ein Minusgeschäft. „Die Mieter sparen pro Quadratmeter 40 bis 50 Cent Heizkosten, dafür bekommen sie im Gegenzug Mieterhöhungen von 1,60 bis 1,80 Euro pro Quadratmeter“, sagte Wild dem Tagesspiegel. Elf Prozent der Kosten für die energetische Sanierung – Wärmedämmplatten, neue Heizungen, moderne Fenster, Handwerkerleistungen – darf der Vermieter jährlich auf die Miete umlegen, bislang ohne jegliche zeitliche Begrenzung.
Ein Minusgeschäft für die Mieter
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will das ändern. Statt elf Prozent sollen Vermieter künftig nur noch zehn Prozent auf den Mieter abwälzen dürfen und das auch nur noch so lange, bis die Maßnahmen abbezahlt sind. Nach maximal zehn Jahren wäre also Schluss, rechnet man im Justizministerium vor. Doch noch ist das Zukunftsmusik: Vor nächstem Frühjahr wird man im Hause Maas dieses Projekt nicht anfassen.
Große Hoffnungen setzt Mieterschützer Wild ohnedies nicht in die Reform. Denn in Berlin gelten schon heute vielerorts niedrigere Sätze. Die städtischen Wohnungsbauunternehmen haben Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) versprochen, nur maximal neun Prozent der Sanierungskosten auf die Miete aufzuschlagen. „Doch selbst das ist für viele zu viel“, warnt Wild.
Den Widerstand der Bewohner bekommt derzeit etwa die Gesobau zu spüren. Das Unternehmen hat 40 000 Wohnungen in Berlin, vor allem im Märkischen Viertel und in Pankow. Während die Sanierung der Bettenburgen im alten Westteil nach Gesobau-Angaben reibungslos und für die Mieter nahezu „warmmietenkostenneutral“ über die Bühne gegangen ist, gibt es in Pankow Zoff. Die Einheiten sind kleiner, die Altbauwohnungen teurer in der Sanierung. Um Frieden zwischen Vermieter und Mietern zu schaffen, haben sich das Bezirksamt und die Mieterberatung Pankow eingeschaltet. Es gibt einen Rahmenvertrag für die Sanierung, mit jedem Mieter wird darüber hinaus eine individuelle Modernisierungsvereinbarung geschlossen – bis hin zum Erlass sämtlicher Aufschläge.
Wie lange halten die Dämm-Platten?
Doch es gibt noch andere Bedenken, nicht nur bei den Mietern. Viele Eigentümer zweifeln, ob die Styropor-Dämmplatten länger als 20 Jahre halten. Und dann hat das Bundeskartellamt auch kürzlich noch mitgeteilt, dass es die Wärmedämmindustrie im Verdacht hat, sich bei den Preisen abgesprochen zu haben. Rund 20 Milliarden Euro investieren die Deutschen derzeit im Jahr in Gebäudedämmung – vielleicht zu viel?
Die große Sorge der Koalition und auch der Grünen, die die Regierung drängen, schnell die nötigen Fördermittel im Haushalt einzustellen, ist, dass die Deutschen nicht mitmachen beim Energiesparen. Carsten Müller, Vorstandschef von „Deneff“ und pikanterweise zugleich Mitglied der CDU-Fraktion im Bundestag, hat da schon eine Idee: Man habe ja 91 000 Außendienstler im Land, die die Deutschen von der energetischen Sanierung überzeugen könnten, sagt er und meint damit – die Steuerberater.