Finanzausgleich und Autobahngesellschaft: Bundesrat stimmt zu - mit Bauchschmerzen
Die Länder billigen das große Bund-Länder-Reformpaket - mit Bedenken. Die Linken müssen dabei manövrieren. Und Winfried Kretschmann hält eine Grundsatzrede.
Schmollecke wäre das falsche Wort. Aber am Tag nach dem doch etwas triumphalen Auftreten der Regierungsfraktionen im Bundestag in der Debatte zu den Bund-Länder-Finanzen und der neuen Autobahngesellschaft (zusammengebunden in einem Paket) rückten die Ministerpräsidenten der Länder in ihrer Kammer etwas enger zusammen. Gesetze würden im Deutschen Bundestag gemacht, nicht in der Ministerpräsidentenkonferenz, hatte Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus ihnen entgegengedonnert und damit die leicht rebellische Stimmung in der "Bundeskammer" zusammengefasst. Denn der Bundestag hatte keine Mitsprache beim neuen Finanzausgleich. Die Ministerpräsidenten hatten ihr Modell des neuen Finanzausgleichs schon im Dezember 2015 beschlossen, sechzehn zu null, worauf sie bis heut stolz sind. Und entgegen der allgemeinen Erwartung auf Bundesebene, dass man diese Phalanx schon wieder auseinanderdividieren könne, haben sie tapfer zusammengehalten. Aber sie mussten einen Preis zahlen, „einen sehr hohen Preis“, wie der brandenburgische Finanzminister Christian Görke von den Linken am Freitag sagte.
Denn neben einigen durchgreifenden Lenkungs-, Mitwirkungs- und Kontrollrechten, die der grummelnde Bundestag bei künftigen Bund-Länder-Mischfinanzierungen oder in der Steuerverwaltung in das Gesetzespaket geschrieben hat und die schon etwas schmerzhaft in die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen könnten, mussten die Länder auch ihre Zuständigkeit (im Auftrag des Bundes) für das Planen und Bauen der Autobahnen abgeben. Das war der „sehr hohe Preis“, den Görke meinte – denn vor allem die Linken haben ein Problem damit, dass der Bund mit der Autobahngesellschaft jetzt noch leichter als bisher das Instrument der öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) beim Vorfinanzieren, Planen, Bauen und Betreiben von Autobahnteilstücken einsetzen kann. Und ÖPP ist vor allem für die Linken ein Unding, sie betrachten sie als faktische Privatisierung. Auch Sozialdemokraten und Grüne in den Ländern haben da Bauchschmerzen, zum Beispiel der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil.
Wenig begeistert vom "Kopplungsgeschäft"
Görke kritisierte, dass es zu dem „Kopplungsgeschäft“ zwischen Finanzausgleich und Autobahngesellschaft gekommen sei. Auch Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow bemängelte das und erinnerte daran, dass die Ministerpräsidenten von dem Kopplungsvorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nie besonders begeistert waren. Das Problem der Linken: Im Bundestag wetterten sie gegen das Paket und lehnten es ab, im Bundesrat aber wollten sie nicht so weit gehen. Schließlich ist der neue Finanzausgleich gerade auch für den Osten ein Gewinn. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies darauf hin: „Die Zeit der Solidarpakte ist vorbei“, also die Phase der Sonderzuwendungen für den Osten aus dem Bundesetat, finanziert aus dem „Soli“. Jetzt sind die Ost-Länder komplett in das Finanzausgleichsystem integriert, als „gleichberechtigte Partner“.
Also kungelten die Länder-Linken in ihren Koalitionen eine Art symbolpolitischen Kompromiss aus. Thüringen, Berlin und Brandenburg beantragten die Anrufung des Vermittlungsausschusses, um noch Änderungen beider Autobahngesellschaft durchzusetzen – nach dem vorhersehbaren Scheitern aber stimmten die drei Länder zu, die Linken verzichteten darauf, die Enthaltungskarte zu erzwingen – was im Fall des Finanzausgleich-Hauptprofiteurs, der Bundeshauptstadt nämlich, etwas merkwürdig ausgesehen hätte. Doch damit nicht genug: Die Linken pflegen noch einen ganz eigenen Bund-Länder-Zwist, der zum Bundesparteitag in zwei Wochen hin noch Stoff für Kontroversen sein könnte. Bundestags-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hatte in ihrer polemischen Rede am Vortag davon gesprochen, der Bund habe sich die Zustimmung zur Autobahngesellschaft „mit einem Schmiergeld“ beim Finanzausgleich gekauft. Das war den Länder-Linken dann doch zu viel der Polemik. „Den eigenen Ministerpräsidenten in Thüringen als Schmiergeldempfänger zu beschreiben – das geht nicht“, sagte einer aus dem Kreis.
"Unwucht zugunsten des Bundes"
Aber Bauchschmerzen hatten alle Länderchefs. Selbst die dauerfreundliche Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, das Paket habe „eine sachlich nicht zu begründende Unwucht zu Gunsten des Bundes“. Mit Blick auf die Stimmung in der Bundestagssitzung am Vortag (an der die meisten Ministerpräsidenten auf der Bundesratsbank teilgenommen hatten) meinte Ramelow, man habe das Gefühl gehabt, wie „undankbare Kinder“ behandelt zu werden. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen sprach vom „falschen Geist des Zentralstaates“, der sich in das Paket geschlichen habe. Die Änderungen durch den Bundestag gingen „an die Grenze des Zumutbaren“. Dass die Länder sich auf Kosten des Bundes massiv entlastet hätten, für Kretschmann eine etwas verquere Darstellung der Sachlage. Denn der Bund nehme ja auch nach 2019 den „Soli“ ein, der bis dahin zur Finanzierung der Solidarpaktmittel für den Osten dient. Die aktuell fast 17 Milliarden Euro aus dem Zuschlag – „faktisch schon Teil der Einkommensteuer“ – seien ein Mehrfaches dessen, was der Bund demnächst zusätzlich in den Finanzausgleich zwischen den Ländern zahle. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nennt dabei eine Summe von knapp zehn Milliarden Euro, in den Ländern geht man eher von vier Milliarden Euro aus, weil man bisherige Leistungen des Bundes im Finanzausgleich unterschiedlich in die Rechnungen einfließen lässt. Dass es zu einer Entsolidarisierung zwischen den Ländern komme - für Kretschmann "Unfug". Und tatsächlich ist die Behauptung, der Länderfinanzausgleich sei gestrichen worden, auch nicht ganz richtig. Es gibt ihn weiter - nur eben nicht mehr in zwei Stufen, sondern in einer, und nicht mehr über die Länderetats, sondern vorab bei der Umsatzsteuerverteilung.
"Es geht ans Eingemachte"
Kretschmann missfallen auch die neuen Möglichkeiten des Bundes, Finanzhilfen zu geben für die kommunale Bildungsinfrastruktur, will heißen: Schulen. Wie er überhaupt das Finanzieren von Länder- und Kommunalaufgaben durch den Bund verfassungspolitisch für eine ungute Sache hält. Immerhin gibt das Grundgesetz vor, Kretschmann kennt seinen Artikel 106, dass Bund und Länder ihren jeweiligen Anteil an den Steuereinahmen gemäß ihren Aufgaben aushandeln sollen. Wenn nun aber der Bund ständig mitfinanziert, hat er dann nicht zu viel Geld? "Wenn wir die Aufgabenverteilung unserer Verfassung ernst nehmen, sollte dieses Geld über die Umsatzsteuer an die Länder gehen", forderte er. Was der Bund stattdessen mache, sei "ein verfassungsrechtlich verbrieftes Misstrauen gegenüber den Ländern". Kretschmann: "Es geht jetzt tatsächlich ans Eingemachte." Denn der Bund wolle künftig bei jeder einzelnen Schule, die er mitfördert, auch mitreden. Er hoffe, dass die "zentralistischen Elemente" in dem Paket "nicht der Beginn eines Trends sind".
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