Vermittlungsausschuss tagt wieder: Bund und Länder suchen Weg aus Verfassungskonflikt
Erstmals seit 2016 ist ein Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat nötig. Anlass ist der Digitalpakt. Aber es geht um viel mehr. Ein Überblick.
Man hat sich lange nicht mehr gesehen im Vermittlungsausschuss. Das Gremium, das Konflikte zwischen Bundestag und Bundesrat klären soll, hat im Dezember 2016 zuletzt getagt. Und in den Jahren davor gab es auch nur wenige Anlässe. Der Grund: Das Parteiensystem ist bunter geworden, die Landtage und auch der Bundestag sind vielfarbiger, die Koalitionslandschaft hat sich sehr geweitet. Das macht Kompromisse in Vermittlungsverfahren, die einst klassischerweise zwischen Union und SPD ausgehandelt wurden, schwieriger. Als Ersatz, außerhalb der Verfassung, dienten die regelmäßigen „Gipfel“ der Kanzlerin samt Bundeskabinett mit der Ministerpräsidentenkonferenz. Der Bundestag geriet in den Schatten. Und manche im großen Parlament in Berlin sinnen seither auf Rache.
Das muss man wissen, will man verstehen, warum es am Mittwochabend im Bundesrat zu einem möglicherweise eher frostigen Neuanfang in dem Vermittlungsgremium kommt. Sechzehn Bundestagsabgeordnete treffen auf sechzehn Ländervertreter, meist die Regierungschefs selbst. Den Vorsitz führt Es-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Sein ausgleichender Charakter könnte wichtig werden. Denn der Ausschuss muss einen veritablen Verfassungskonflikt lösen, einen der heftigsten der vergangenen Jahre. Der Anlass ist der Digitalpakt für die Schulen, in der Sache aber geht es gar nicht um ihn. Vor zwei Jahren bereits ist er von den Bildungsministern in Bund und Ländern vereinbart worden, dann aber ließ ihn der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf Eis legen.
Zudem kamen auf Bundesseite Bedenken auf, ob das Bundesprogramm zur Digitalisierung der Schulen im Umfang von insgesamt fünf Milliarden Euro für mehrere Jahre ohne Grundgesetzänderung, wie ursprünglich beabsichtigt, umgesetzt werden kann. Das Geld fließt in aller Regel über die Länder an die Kommunen, die Schulträger sind. Um eine solche Finanzhilfe möglich zu machen, wurde der Artikel 104c des Grundgesetzes von der Bundesregierung ein wenig erweitert. Im Bundesrat gab es zwar Gegrummele, aber die Sache schien auf dem Weg zu sein.
Stunde des Bundestags
Dann aber kam die Stunde des Bundestags. Dort hatten insbesondere mächtige Haushaltspolitiker der Koalition wie Eckhardt Rehberg (CDU) und Carsten Schneider (SPD) schon länger vor, den Ländern strammere Konditionen aufzuerlegen, wenn sie Bundesmittel für eigene Aufgaben bekommen. Mehr Kontrollrechte, etwa des Bundesrechnungshofs, hatte man den Ländern schon 2017 aufgedrückt. Im vorigen November nun kam auf Drängen des Haushaltsausschusses ein Passus in das Gesetz, mit dem der Digitalpakt umgesetzt werden soll, in dem von den Ländern bei künftigen Finanzhilfen eine hälftige Kofinanzierung (genauer: eigene Zusatzmittel in Höhe von 50 Prozent im entsprechenden Einzeletat) verlangt wird. Das haben alle Länder am 14. Dezember im Bundesrat abgelehnt, vor allem die finanzschwächeren sehen sich nicht in der Lage, so hohe Eigenleistungen zu erbringen.
Aber darf der Bund von den Ländern verlangen, seine Finanzhilfen „in jeweils mindestens gleicher Höhe durch Landesmittel für den entsprechenden Investitionsbereich zu ergänzen“? So lautet die Formulierung in dem Entwurf. Die Antwort des Berliner Staatsrechtlers Ulrich Battis lautet: Er darf nicht. In einem Gutachten für die Brandenburger Staatskanzlei schreibt er, eine solche Regelung sei ein „schwerer, verfassungswidriger Eingriff in die haushaltspolitische Entscheidungsfreiheit der Länder“. Diese müssten ihre Aufgaben „ohne Bevormundung und faktische Steuerung durch den Bund wahrnehmen können“.
Noch mehr Zumutungen
Doch es kamen noch mehr Zumutungen, jedenfalls aus Sicht der starken Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen, zu denen sich auch Sachsen gesellte. Da im Bundestag für eine Grundgesetzänderung die Stimmen der Koalition nicht genügen wegen des Zweidrittelquorums, mussten die Grünen und die FDP ins Boot geholt werden. Christian Lindners Partei, neuerdings zentralistischer aufgestellt als früher, brachte eine Formulierung ins Gesetz, die nicht zuletzt den grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann erboste. Denn darin, dass der Bund den Ländern künftig „zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen“ gewähren können soll, sieht der Stuttgarter Regierungschef einen unzulässigen, ja gefährlichen Eingriff in die Kultushoheit der Länder und einen Frontalangriff auf den Föderalismus. Zwar sehen es nicht alle Kollegen im Bundesrat so dramatisch, aber gegen die starken Länder dürfte es schwierig sein, diese Änderung der Verfassung durchzusetzen.
Kretschmanns grüne Bundestagstruppe wiederum ärgerte ihren populärsten Landespolitiker mit der Forderung, dass der Bund Finanzhilfen nicht nur für Investitionen, sondern auch für „mit diesen verbundene unmittelbare Kosten der Länder und Gemeinden“ geben können soll. Das zielt, daraus machen die Bundes-Grünen kein Geheimnis, auch auf die Finanzierung von Personal. Damit aber ist nicht nur für Baden-Württemberg eine rote Linie überschritten, denn Bundeshilfen müssen befristet sein und im Zeitablauf sinken – das damit finanzierte Personal aber bleibt.
Gelingt ein Kompromiss?
Wie aus der komplexen Gemengelage ein Kompromiss gelingen kann, ohne dass Beteiligte das Gesicht verlieren, ist völlig offen. Am ehesten könnte die FDP-Linie kassiert werden, die Freien Demokraten haben das schwächste Blatt in der Runde. Allerdings wollen Freie Demokraten und Grüne zusammenstehen, um zu verhindern, dass die Koalitionsparteien Union und SPD einen Kompromiss auf ihre Kosten zimmern und Druck machen, es seien die Oppositionsparteien, die mit einer starren Haltung die schnelle Umsetzung des Digitalpakts verhindern. In einem gemeinsamen Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen" betonen die Parlamentarischen Geschäftsführer von FDP und Grünen, Marco Buschmann und Britta Haßelmann, wie wichtig die Anliegen ihrer Parteien für die Bildungspolitik seien. Freilich liefern sie mit ihrem Argument, die Bildung sei in Deutschland unterfinanziert und könne nur durch mehr Bundesgeld gerettet werden, der Gegenseite in den Ländern Munition.
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Denn wenn anerkannt werde, dass Bildung unterfinanziert sei, so die Logik der Reden von Kretschmann und anderen Ministerpräsidenten, müsse man nicht den unzuständigen Bund damit bemühen, sondern den zuständigen Ländern über die Steuerverteilung mehr Geld zukommen lassen. Der Staatsrechtler Battis empfiehlt das in seinem Gutachten ausdrücklich: „Noch überzeugender ist eine Lösung, in der die Länder durch eine Anpassung der steuerlichen Verteilung ein angemessene finanzielle Aussattung erhalten, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben selbständig zu erfüllen.“
Wie fest die grün-gelbe Phalanx steht, deren Anliegen vor allem in der Union und den stärkeren Ländern auf Ablehnung stoßen, wird man sehen. Die Haushälter des Bundestags und die starken Länder, die faktisch eine unerklärte Allianz gegen die schwächeren Länder bilden, denen vor allem an Finanzhilfen gelegen ist, sind möglicherweise ein festerer Block. Das Ansinnen, die hälftige Kofinanzierung zu kippen und den Rest der Zumutungen zu schlucken, wie es einige norddeutsche Ministerpräsidenten wohl anstreben, dürfte daher so einfach nicht sein.
Am Mittwoch um 18 Uhr geht es los. „Die Sitzung wird lange dauern", sagt SPD-Mann Carsten Schneider. "Es braucht eine Generalaussprache für ein reinigendes Gewitter.“ Wie es heißt, soll dann eine Arbeitsgruppe gebildet werden. Das Ziel ist, zum 15. Februar eine Einigung zu schaffen.
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