Wer übernimmt die Kosten der Ukraine-Flüchtlinge?: Bund bietet Übernahme in Grundsicherung nach drei Monaten an
Im Streit um die Kostenteilung bei Geflüchteten macht der Bund den Ländern und Kommunen einen Kompromissvorschlag.
Die Zahl der täglich ankommenden Menschen aus der Ukraine geht zwar leicht zurück. Mehr als 10000 Ankömmlinge, meist Frauen, Kinder und Alte, zählte die Bundespolizei in den ersten Kriegswochen. Am Montag wurden 5670 Geflüchtete registriert. Die offizielle Zahl liegt so bei gut 278000 Kriegsflüchtlingen. Etwa die Hälfte davon sind Kinder.
Allerdings dürften tatsächlich deutlich mehr Menschen nach Deutschland gekommen sein. Ukrainische Staatsangehörige können ohne Visum einreisen und bis zu 90 Tage bleiben, sie müssen sich zunächst auch nirgends melden. Wer sich als Kriegsflüchtling registrieren lässt, kommt dann aber in den Genuss des vorübergehenden Schutzes.
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Was die Versorgung betrifft, fallen diese Personen unter das Asylbewerberleistungsgesetz, auch wenn sie kein Asyl beantragen müssen.
Zwischen Bund und Ländern wird schon seit drei Wochen darüber gesprochen, wie die Kostenteilung im Fall der Ukraine-Flüchtlinge sein soll. Ländern und Kommunen wäre es mehrheitlich lieber, die Frauen und Kinder und wenigen Alten aus der Ukraine würden zügig in die Grundsicherung aufgenommen, was zusätzlich auch erweiterte Möglichkeiten für Integrationsmaßnahmen eröffnet, auch für den Arbeitsmarkt.
Die Grundsicherung zahlt der Bund. Für die Ausgaben im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes sind dagegen weitgehend Länder und Kommunen zuständig. Bei den Flüchtlingen aus Syrien hatte der Bund zwar eine Pauschale von 670 Euro im Monat übernommen, aber diese Regelung lief 2021 aus.
Bund zahlt Grundsicherung
Bisher war es die Linie des Bundes, dass bei den Ukraine-Flüchtlingen das Verfahren nachdem Asylbewerberleistungsgesetz gilt. Da nicht klar ist, wie lange sich die Geflüchteten tatsächlich in Deutschland aufhalten werden, standen aus Sicht des Bundes zunächst die rein humanitären Fragen im Vordergrund.
Um Integration und Aufnahme in den Arbeitsmarkt sollte es demnach vorerst nicht mit Vorrang gehen. Unterkunft, Verpflegung, Gesundheitsversorgung und weitere Leistungen wären damit Sache von Ländern und Kommunen, also auch die Aufnahme der Kinder in Kitas und Schulen.
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Nach Informationen des Tagesspiegels bewegt sich der Bund nun aber. Wie es heißt, hat die Ampel-Koalition angeboten, Ukraine-Flüchtlinge nach drei Monaten in die Grundsicherung zu übernehmen. Den Kommunen bliebe dann nur noch etwa ein Drittel der Unterkunftskosten zu tragen. In den ersten drei Monaten will der Bund aber schon Zugang zu Integrationskursen ermöglichen, die auf seine Rechnung gehen. Im Angebot ist offenbar auch eine Pauschale an die Kommunen für den Mehraufwand bei Kitas und Schulen.
Für Kommunen akzeptabel?
Damit kommt der Bund Kommunen und Ländern zwar entgegen. Aber die Kosten in den ersten drei Monaten bleiben weitgehend bei ihnen hängen. Aus Bundessicht nachvollziehbar: Die unteren staatlichen Ebenen sind mit deutlich weniger Schuldenbelastung durch die Pandemie gekommen und hatten zuletzt auch schon wieder ausgeglichene Haushalte.
Die Ampel-Koalition dagegen nimmt 2022 wegen der Ukraine-Krise nochmals hohe Kreditlasten auf sich.
Die Mittel für die Kriegsflüchtlinge, deren Volumen noch völlig unklar ist, will Finanzminister Christian Lindner (FDP) in seinem für Ende April angekündigten Ergänzungsetat abbilden. Der soll über neue Schulden finanziert werden. Je früher der Bund Flüchtlinge in die Grundsicherung übernimmt, desto größer wird der Ergänzungsetat ausfallen: Bisher sind dort schon 17 bis 20 Milliarden Euro für das zweite Entlastungspaket vorgesehen.
Am Freitag sollen in einer weiteren Bund-Länder-Runde Vorentscheidungen fallen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am Dienstag im Sender „ntv“, in der kommenden Woche solle dann eine Regelung gefunden sein.
Mit Blick auf die Frage, ob Geflüchtete in die Grundsicherung aufgenommen werden sollten, sagte Kühnert, man wolle den Menschen, die womöglich länger in Deutschland blieben, einen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. "Insofern ist der Blick auf das entsprechende System dazu ein naheliegender", sagte er. Menschen mit Schutzstatus, die Asylbewerbern gleichgestellt sind, können keine Arbeit aufnehmen.