Johnson sagt Treffen mit parteiinternen Gegnern ab: Britische Regierung droht Brexit-Abweichlern mit „Konsequenzen“
Die Regierung von Premier Boris Johnson setzt Brexit-Abweichler unter Druck. Berichten zufolge erwägt er inzwischen Neuwahlen.
Die britische Regierung droht Abweichlern des Brexit-Kurses in den Reihen ihrer konservativen Abgeordneten mit Konsequenzen. Wer gegen die Linie von Premierminister Boris Johnson votiere, schwäche dessen Verhandlungsposition, sagte Bildungsminister Gavin Williamson am Montag dem Sender ITV. "Sie sollten sehr ernsthaft darüber und über die Konsequenzen nachdenken."
Insidern zufolge wurde Abweichlern gedroht, aus Fraktion und Partei ausgeschlossen zu werden und bei den nächsten Wahlen nicht mehr für die Konservativen antreten zu dürfen, wenn sie gegen den Brexit-Kurs der Regierung stimmen. "Wenn sie am Dienstag nicht mit der Regierung stimmen, werden sie die Verhandlungsposition der Regierung zerstören und Jeremy Corbyn die Kontrolle über das Parlament übergeben", sagte ein Insider.
Oppositionsführer Corbyn will einen EU-Ausstieg ohne Abkommen verhindern und versuchen, dem im Parlament einen Riegel vorzuschieben.
Johnson will einen EU-Austritt seines Landes zum 31. Oktober - notfalls ohne auch Scheidungsvertrag mit der Europäischen Union. Er verfügt aber nur über eine Mehrheit von einem Sitz in der Kammer mit 650 Abgeordneten.
Kurz vor der Rückkehr der britischen Abgeordneten aus der Sommerpause sagte Johnson ein für Montag geplantes Treffen mit den parteiinternen Gegnern seiner Brexit-Pläne ab.
Der Widerstand gegen den Premier wächst. Es sei besorgniserregend, wenn die Regierung androhe, Gesetze zu ignorieren, sagte der frühere konservative Minister David Gauke am Montag im Rundfunk. Er habe deshalb an Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox geschrieben.
Hintergrund sind entsprechende Äußerungen von Staatsminister Michael Gove. Er wollte nicht garantieren, dass die Regierung ein von der Opposition angestrebtes Gesetz umsetzen werde, das einen ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober verhindern soll.
"Das Gefühl, dass dies nicht mehr unser Land ist"
„Es sieht so aus, als stoppe Boris Johnson vor nichts, um seine undemokratische Schließung des Parlaments umzusetzen und dem Volk einen verheerenden ungeregelten Austritt aus der EU aufzuzwingen“, schrieb die Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei, Jo Swinson, auf Twitter.
Die frühere konservative Abgeordnete Anna Soubry schrieb auf Twitter: „Das Gefühl der Empörung wächst, das Gefühl, dass dies nicht mehr unser Land ist und dies nicht die britische Art ist.“
Am Dienstag kehren die britischen Abgeordneten aus der Sommerpause zurück. Kurz darauf gehen sie aber schon wieder in eine weitere längere Parlamentspause, die Johnson verfügt hat: In einer höchst umstrittenen Entscheidung hatte der britische Regierungschef die traditionelle Parlamentspause im September bis zum 14. Oktober verlängert.
Die Entscheidung gibt den Abgeordneten kaum Zeit, um einen ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober noch per Gesetz zu verhindern.
Corbyn hat bereits massiven Widerstand seiner Labour-Partei gegen einen No-Deal-Brexit vor dieser Zwangspause angekündigt und auch einen Misstrauensantrag gegen Johnson ins Spiel gebracht. In dieser Woche bestehe für die Abgeordneten die "letzte Chance" zu handeln, sagte Corbyn am Samstag bei einem Besuch in Schottland. Am Montag will Corbyn im nordenglischen Salford mit der Parteispitze abschließend über die Pläne der Opposition beraten, um eine "No-Deal-Katastrophe" im Parlament zu stoppen. Labour arbeite auch mit anderen Parteien zusammen, um alles dafür zu tun, "um unser Land vom Abgrund zurückzuholen", sagte Corbyn.
Werden Neuwahlen noch diese Woche ausgerufen?
Der Brexit-Experte der Labour-Partei, Keir Starmer, hatte am Sonntag angekündigt, ein "einfaches" Gesetz ins Parlament einzubringen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Das Gesetz soll seinen Angaben zufolge auch eine "Verlängerung" der Austrittsfrist über den 31. Oktober hinaus enthalten.
Johnson, der hochrangige Partei- und Fraktionsmitglieder der Tories für Sonntagabend zu Beratungen auf seinen Landsitz Chequers eingeladen hatte, will ein solches Gesetz unbedingt verhindern. Medienberichten zufolge erwägt er unter anderem, Königin Elizabeth II. darum zu bitten, ein solches Gesetz nicht in Kraft zu setzen.
Johnson hat die gewöhnlich zweiwöchige Sitzungspause ab Mitte September auf rund vier Wochen bis zum 14. Oktober verlängert, um das Parlament zu umgehen, wie Kritiker ihm vorwerfen.
Medienberichten zufolge erwägt Johnson inzwischen Neuwahlen. Diese könnten sogar noch in dieser Woche ausgerufen werden, sagte die politische Redakteurin der BBC, Laura Kuenssberg: "Es ist alles andere als unvermeidlich, aber es ist nicht unmöglich, dass wir innerhalb weniger Tage alle gebeten werden, wieder zur Wahl zu gehen." rtr/AFP/dpa