zum Hauptinhalt
Im Heim oder zuhause? Wie Menschen gepflegt werden, hängt oft weniger von ihrem Bedarf als vom Wohnort ab.
© dpa

Studie über Pflegebedürftige: Brandenburg hat die wenigsten Heimbewohner

Wie Pflegebedürftige versorgt werden, hängt stark von ihrem Wohnort ab. In Berlin und Brandenburg ist nicht einmal ein Viertel in Heimen untergebracht. In Schleswig-Holstein sind es mehr als 40 Prozent.

In Berlin und Brandenburg werden Pflegebedürftige weit seltener in Heimen versorgt als im Rest der Republik. Zu diesem Befund kommt der neue Pflegereport der Barmer GEK, der am Donnerstag präsentiert wurde.

Die größte Rolle spielt die stationäre Pflege demnach in Schleswig-Holstein, wo 40,5 Prozent aller Pflegebedürftigen in Heimen untergebracht sind. In Brandenburg beträgt die Quote lediglich 22,9 Prozent. Berlin kommt mit 24,5 Prozent auf den zweitniedrigsten Wert. Im Bundesdurchschnitt sind es 29,1 Prozent.

In Berlin wird mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen nur von Angehörigen versorgt

Umgekehrt liegen beide Länder bei der ambulanten Versorgung durch Profis wie auch bei der ausschließlichen Betreuung durch Angehörige im Vergleich weit vorne. Bei der ambulanten Pflege wird Brandenburg mit 28,5 Prozent nur von Hamburg (31,5 Prozent), Sachsen (31,1 Prozent) und Bremen (28,7 Prozent) übertroffen. Bei der reinen Angehörigen-Pflege liegt Berlin mit 50,9 Prozent nach Hessen (53,5 Prozent) auf Platz Zwei.

Zugespitzt könne man sagen, „dass die Versorgungsform auch von der Postleitzahl abhängt“, fasste Barmer-Chef Christoph Straub das Ergebnis zusammen. „Die Menschen bekommen offenbar nicht immer die Pflege, die sie brauchen, sondern die, die vor Ort verfügbar ist.“ So kann Schleswig-Holstein fast jedem zweiten Pflegebedürftigen einen Heimplatz anbieten, Brandenburg nur für 26,9 Prozent.

Die größten Kapazitäten bei ambulanten Pflegediensten wiederum gibt es in Berlin. Generell ist das Angebot an ambulanten Diensten in den Stadtstaaten und Ostdeutschland höher, dafür gibt es im Westen mehr Heimplätze.

Wer wenig Geld hat, kommt seltener ins Heim

Beeinflusst werde die Form der Pflege aber auch vom Einkommen und den familiären Strukturen, heißt es in der Studie. Wer weniger Geld habe, komme wegen der privaten Zuzahlungen seltener ins Heim. Das gleiche gelte für Menschen mit stabilen Netzwerken aus Verwandten und Freunden, die Pflege zuhause leisten könnten und wollten.

Allein durch Angehörige versorgt werden Pflegebedürftige vor allem in Hessen, Rheinland-Pfalz und Berlin, der Anteil liegt bei jeweils etwa 50 Prozent. In Sachsen und Schleswig- Holstein ist er zehn Punkte niedriger

Straub forderte Länder und Kommunen auf, mit den Kassen regelmäßig den Pflegebedarf der jeweiligen Region zu ermitteln und passgenau zu beantworten. Diese Angebote müssten von Pflegebedürftigen und ihren Familien dann unbürokratisch abgerufen werden können. Das bisherige Konzept der Pflegestützpunkte erklärte der Kassenchef für gescheitert, weil es am Bedarf der Betroffenen vorbeigehe.

Pflegereform wird teurer als angenommen

Der Bremer Pflegeforscher Heinz Rothgang prognostizierte, dass die Pflegereform teurer werde als von der Regierung angegeben. Nach einem Überschuss von 1,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr sei für 2017 mit einem Defizit von 3,6 Milliarden zu rechnen. Insgesamt verursache die Reform pro Jahr Zusatzausgaben von 7,2 Milliarden – was durch die Beitragserhöhungen nicht abgefangen werde.

Ab 2017 gibt es für ambulante Pflege deutlich mehr Geld und Leistungen. In den Heimen werde sich aber wenig ändern, sagte Rothgang. Sie würden nicht in die Lage versetzt, mehr Personal einzustellen. Wenn alles weitergehe wie bisher, belaufe sich die Versorgungslücke in der Pflege für 2030 auf 350.000 Vollzeitstellen.

Der Studie zufolge wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen nach heutiger Definition bis zum Jahr 2060 dann von derzeit knapp 2,8 Millionen auf mehr als 4,5 Millionen erhöht haben. Für Männer falle der Anstieg höher aus, er betrage gut 71 Prozent. Bei Frauen liegt er, den Prognosen zufolge, bei 60,8 Prozent. "Pflege wird also männlicher", heißt es in dem Report.

Für die Hauptstadt wird der höchste Anstieg erwartet

Gleichzeitig werde die maximale Zahl an Pflegebedürftigen je nach Bundesland zu unterschiedlichen Zeiten erreicht. Während in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sowie den drei Stadtstaaten noch ein Anstieg zwischen 2050 und 2060 zu erwarten sei, werde es in den ostdeutschen Ländern zu diesem Zeitpunkt bereits "deutliche Rückgänge" geben. Der höchste Anstieg bis 2060 ist der Studie zufolge mit 92 Prozent in Berlin zu erwarten, gefolgt von Bayern (88 Prozent), Baden-Württemberg (86 Prozent) und Hamburg (85 Prozent).

Zur Startseite