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Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen oder hat bereits Armut erlebt.
© Christian Charisius/dpa

Konzept gegen Kinderarmut: Bis zu 478 Euro im Monat

Kostenlose ÖPNV-Tickets und eine finanzielle Grundsicherung für jedes Kind - so will die SPD-Spitze Armut bekämpfen. Und wird dafür gelobt.

Wenn die SPD im Dezember zu ihrem Parteitag zusammenkommt, steht auch so etwas wie das politische Vermächtnis von Andrea Nahles auf dem Programm: Im Februar, wenige Monate vor ihrem Rücktritt, hatte die damalige SPD-Vorsitzende ein neues Modell für den Sozialstaat vorgestellt. Ein Bestandteil war die Einführung einer Kindergrundsicherung. „Wir wollen eine eigenständige Absicherung für Kinder, unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern“, sagte Nahles damals der parteieigenen Zeitung „Vorwärts“.

Mittlerweile hat die SPD-Führung ihre Pläne, die auf dem Parteitag beschlossen werden sollen, konkretisiert. In einem Papier der parteiinternen Arbeitsgemeinschaft „Absicherung von Kindern“, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird die Einführung einer Kindergrundsicherung von bis zu 478 Euro im Monat vorgeschlagen. Der umfangreiche Reformplan soll dabei helfen, Kinderarmut effektiv zu bekämpfen. Jedes fünfte Kind in der Bundesrepublik ist von Armut bedroht oder erlebt sie täglich. Ein Mensch gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn er über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die entsprechende Grenze bei 2385 Euro im Monat. Seit Jahren sind die Zahlen zur Kinderarmut konstant hoch, je nach Definition und Verrechnung steigen sie sogar.

Teilhabekonto mit 30 Euro im Monat

Um Kinderarmut zu bekämpfen, sieht das Ergebnispapier einerseits etwa längerfristig kostenlose Ganztagsbetreuung für Schulkinder vor sowie ein neues Teilhabekonto und ein kostenloses ÖPNV-Ticket für jedes Kind. Andererseits soll die Grundsicherung Familien mit geringem Einkommen unbürokratischer und finanziell stärker unterstützen.

Statt viele verschiedene Anträge zu stellen, sollen Familien künftig nach Vorstellungen der SPD nur die Kindergrundsicherung beantragen müssen. „Das neue Kindergeld soll das bisherige Kindergeld und die Wirkung der Kinderfreibeträge, den Kinderzuschlag, die Kinderregelsätze sowie die Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes ersetzen“, heißt es in dem Entwurf. Der Betrag ist nach Alter des Kindes gestaffelt und setzt sich zusammen aus dem „kindlichen Regelbedarf“, anteiligen Wohnkosten sowie 46 Euro für „mehr soziale Teilhabe, Freizeitgestaltung und Bildung“. Besser verdienende Familien sollen dagegen eine Kindergrundsicherung von 250 Euro im Monat erhalten – eine Einbuße gegenüber der heutigen Regelung mit dem Kindergeld von mindestens 204 Euro für ein Einzelkind sowie dem steuerlichen Kinderfreibetrag.

Gut für Aufstocker

Bisher haben einkommensschwache Familien vom Kindergeld kaum profitiert: Beziehen sie Hartz IV, wird das Kindergeld angerechnet. Genauso verhält es sich bei erwerbstätigen Eltern, die ihr Einkommen durch Arbeitslosengeld II aufstocken. Besonders durch Letztere wachse die Kinderarmut, erklärt Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB). „Es gibt immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse und dadurch mehr arme Kinder“, sagt er. Ihre Armut könnte Hilgers zufolge mit einer Kindergrundsicherung, wie sie der Entwurf vorsieht, gut bekämpft werden.
Der DKSB-Präsident lobt das Konzept der SPD-Führung sowie die geplante Beteiligung von Kindern an der Bestimmung existenzsichernder Geldleistungen. Er hebt zudem die geplante stärkere finanzielle Unterstützung von Kindern in einkommensschwachen Familien hervor. Als mögliche Verbesserung schlägt er eine automatische Auszahlung der Grundsicherung an die Familien ohne Antragstellung vor. Hilgers ist auch Koordinator des Bündnisses Kindergrundsicherung, dem diverse Sozialverbände angehören. Zusammen haben sie ein Konzept für eine armutsfeste Sicherung für Kinder und Jugendliche ausgearbeitet. Weitere Konzepte haben die Grünen sowie die Linke vorgestellt.

Ein fester Vorsatz

Die Kosten einer möglichen Kindergrundsicherung bezifferte Malu Dreyer (SPD) am Mittwoch auf elf Milliarden Euro. Zur Finanzierung sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Dafür muss Geld da sein, dafür wird Geld da sein.“ In einem reichen Land wie Deutschland könne es nicht sein, dass so viele Kinder in Kinderarmut seien. „Das nehmen wir uns genauso fest vor wie den Mindestlohn und die Grundrente in der Vergangenheit“, kündigte die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz an.

Eva Przybyla

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