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Man kennt sich schon lange. Aber als innig wird kaum einer das Verhältnis zwischen Biden und Netanjahu (r.) bezeichnen
© Foto (Archiv): imago/UPI Photo

Die Freundschaft ist abgekühlt: Biden und Netanjahu – auf Abstand

Präsident Biden will Amerikas Nahostpolitik neu ausrichten. Israels Premier Netanjahu hält davon wenig. Was bedeutet das für das Verhältnis der Länder?

Joe Biden hat es vor Kurzem bei seiner Rede im State Department deutlich gesagt: „Diplomatie ist zurück“ – und im Verhältnis zu Israel zeigt der US-Präsident auch, wie viel man mit wenigen Worten sagen kann. In dieser ersten außenpolitischen Rede erwähnte er das verbündete Land nicht einmal.

Fast einen Monat lang hielt er den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu hin, bevor er ihm am Mittwoch schließlich die Gunst des ersten Telefonats erwies. Da hatte Amerikas neuer Präsident längst mit seinen Amtskollegen in China und Russland sowie den Regierungschefs anderer Staaten gesprochen. Das wissend, verlangte Israels ehemaliger UN-Botschafter Danny Danon bereits etwas verzweifelt einen Anruf und postete die Telefonnummer Netanjahus.

Vor vier Jahren war so viel Aufwand nicht nötig. Donald Trump hatte Israels Premier und Freund der Familie zwei Tage nach seiner Vereidigung angerufen, die engen Beziehungen betont und ihn gleich ins Weiße Haus eingeladen. Es war Trumps dritter Anruf als US-Präsident.

Ein gutes Gespräch oder ein herzliches?

Bezeichnend ist auch, wie unterschiedlich sich die Erklärungen nach dem Biden-Netanjahu-Telefonat lesen. Das Gespräch sei „sehr herzlich und freundlich“ verlaufen und habe etwa eine Stunde gedauert, teilte ein Berater Netanjahus mit. Biden wiederum sagte im Weißen Haus, er habe ein „gutes Gespräch“ mit Netanjahu gehabt.

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Schon der Unterschied in der Wortwahl zeigt, dass Netanjahu es mit seinem Gegenüber nicht leicht haben dürfte. Israels Regierungschef hat sich vier Jahre lang als Trumps engster Verbündeter inszeniert. Das hat die Freundschaft zu Biden abkühlen lassen.

Dabei kennen sich die beiden seit fast vier Jahrzehnten. Bei ihrem ersten Treffen war Biden ein junger Senator Anfang 40 und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss; der sieben Jahre jüngere Netanjahu machte damals seine ersten Schritte als Diplomat an der Botschaft in Washington.

Der Atomstreit mit dem Iran droht zu eskalieren. Revolutionsführer Ali Chamenei will ab kommende Woche die UN-Kontrollen einschränken.
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© AFP

Nur: Das zählt heute wenig. Biden hat andere Vorstellungen davon, was den Nahen Osten krisenfester machen könnte. So hat die neue US-Regierung wenig Zeit verloren, die finanzielle Unterstützung für die palästinensische Autonomiebehörde wieder aufzunehmen und ihre Überzeugung kundzutun, dass sie fest an eine Zwei-Staaten-Lösung glaubt. Auch Israels Siedlungspolitik sieht Biden sehr kritisch.

Im Irankonflikt sind sich die USA und Israel uneins

Beim Atomkonflikt mit dem Iran sind Washington und Jerusalem ebenfalls weit von einem Konsens entfernt. Die neue US-Administration setzt auf Verhandlungen mit Teheran und will das Atomabkommen wiederbeleben. Netanjahu hält das für einen fatalen Irrweg.

US-Außenminister Antony Blinken hat allerdings bei seiner Senatsanhörung bereits auch erklärt, dass Biden die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem nicht rückgängig machen wird, die Trump anordnete.

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Auch Israels Friedensverträge mit den Vereinten Arabischen Emiraten und Bahrain, die im Herbst 2020 im Weißen Haus unterzeichnet wurden, hat Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan bereits mit den Worten „gut für die Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung in der Region“ geadelt. Ähnliches gilt für die Übereinkünfte mit dem Sudan und Marokko.

Netanjahus schwere Zeit mit Obama

Reicht das als Fundament für die sehr engen Beziehungen zwischen den USA und Israel aus? Wie lang Amtsjahre sein können, hat Netanjahu schmerzhaft erfahren müssen, als Barack Obama die Geschicke Amerikas lenkte. Immer wieder lagen der damalige US-Präsident und Israels Premier über Kreuz.

Moderne F-35-Kampfjets gehören zur militärischen Ausrüstung Israels - geliefert von den USA.
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© Julie M. Shea/Reuters

Doch Obama ließ nie einen Zweifel daran, dass er für die Sicherheit des jüdischen Staats einstehen würde. Gleiches gilt auch für Joe Biden. Das weiß Netanjahu, der in seiner langen Amtszeit schon einige amerikanische Präsidenten hat kommen und gehen sehen.

Ohnehin hat „Bibi“, wie er in Israel genannt wird, innenpolitisch alle Hände voll zu tun. Da ist vor allem die Pandemie. Israel ist beim Impfen weltweit führend – Netanjahu setzt einiges daran, dass dies als sein Verdienst gesehen wird. Schließlich ist Wahlkampfzeit. Am 23. März wird wieder mal über die Zusammensetzung des Parlaments abgestimmt. Eine erfolgreiche Schlacht gegen das Virus kann da recht hilfreich sein.

Zugleich kämpft Netanjahu noch an einer anderen Front. Er muss sich als erster amtierender Premier wegen Korruption vor Gericht verantworten. Angesichts derartiger Herausforderungen fallen Differenzen mit dem US-Präsidenten vorerst nicht groß ins Gewicht.

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