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Nach Lockdown in Gütersloh und Warendorf: Bewohner der Region sind anderswo nicht mehr willkommen

Einreisesperren, Beherbergungsverbote und Reisewarnungen: NRW-Ministerpräsident Laschet zieht die Notbremse. Nun müssen Betroffene mit den Folgen leben.

Mit teils drastischen Regelungen haben Staaten, Bundesländer und Landkreise auf den Massenausbruch des Coronavirus in Teilen von Nordrhein-Westfalen reagiert. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte am Dienstag einen Lockdown für die Landkreise Gütersloh und Warendorf verhängt, nachdem sich im Fleischkonzern Tönnies mehr als eineinhalbtausend Menschen mit dem Virus infiziert hatten.

Österreich sprach wegen des Ausbruchs bei Tönnies eine partielle Reisewarnung für Nordrhein-Westfalen aus. Deutschland und NRW hätten gezeigt, „wie schnell es zu einer weiteren dramatischen Situation kommen kann“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz. Der ÖVP-Politiker kündigte für Österreich wegen der niedrigen Infektionszahlen weitere Lockerungsschritte an.

Auch in Deutschland warnten Politiker vor der unverändert großen Gefahr durch das Virus. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mahnte in der ARD, wenn man es „diesem Virus zu leicht macht, dann breitet es sich auch ganz schnell wieder aus“. Auch Laschet wies der Infektionsserie bei Tönnies ein „enormes Pandemierisiko“ bei.

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Die Bewohner der beiden NRW-Landkreise müssen sich unterdessen auf weitere Restriktionen einstellen. In Bayern dürfen Beherbergungsbetriebe keine Menschen mehr aufnehmen, die aus Landkreisen einreisen, in denen die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen bei mehr als 50 pro 100.000 Einwohner gelegen hat. Im Kreis Gütersloh liegt dieser Wert weit über 50. Auch in Mecklenburg-Vorpommern dürfen Menschen aus diesen Landkreisen nicht einreisen oder bleiben.

Am Mittwoch hat Niedersachsen als drittes Bundesland ein Beherbergungsverbot für Touristen aus der Region erlassen. „Das Land wird die bereits in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern geltende Regelung im Tourismusbereich anwenden auf Menschen aus dem Bereich Gütersloh“, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen am Mittwoch in Hannover. 

Eine entsprechende Regelung werde gerade erarbeitet. Noch nicht entschieden ist, ob sie generell für Regionen in Deutschland mit einer erhöhten Zahl von Corona-Neufinfektionen gelten soll. „Wir sind wachsam und gucken, was in Nordrhein-Westfalen passiert.“

Schleswig-Holstein will Reisende aus Corona-Hotspots künftig zwei Wochen in Quarantäne schicken. Ausnahmen soll es jeweils nur für jene geben, die einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können. Auf der Insel Usedom waren Urlauber aus dem Kreis Gütersloh am Montag aufgefordert worden, Mecklenburg-Vorpommern zu verlassen. 

Laschet rief andere Bundesländer dazu auf, negativ auf das Corona-Virus getestete Urlauber aus den beiden Kreisen willkommen zu heißen. „Eines geht nicht - dass man öffentlich Menschen aus dem Kreis Gütersloh stigmatisiert“, warnte er im Landtag. Laut Laschet versicherte ihm Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Telefonat, Menschen aus Gütersloh seien willkommen. Söder verteidigte die Einschränkungen aber als unbedingt notwendig. „Wir möchten nicht, dass der Urlaub in Bayern für viele Leute unsicher wird“, sagte er in der ARD.

So hoch darf die Infektionsrate werden: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag im Landtag in Düsseldorf.
So hoch darf die Infektionsrate werden: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Dienstag im Landtag in Düsseldorf.
© AFP

Laschet rief zugleich die Bürger in den beiden betroffenen Landkreisen auf, diese „nur in besonderen Fällen zu verlassen". Menschen mit Reiseplänen in den bevorstehenden Sommerferien empfahl er: „Lassen Sie sich testen!“

Der niedersächsische Landkreis Osnabrück appellierte an die Menschen in den beiden nordrhein-westfälischen Nachbarkreisen Gütersloh und Warendorf, bis zum 30. Juni auch auf nicht zwingend notwendige Reisen über die Kreisgrenze zu verzichten. Das sei ein Gebot der Vernunft, der Rücksicht und der Einsicht, sagte Kreissprecher Burkhard Riepenhoff. Befürchtet wird unter anderem, dass NRW-Bürger wegen gesperrter Bäder in den Kreisen nach Niedersachsen ausweichen.

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Berlin hat angekündigt, zunächst keine Restriktionen für Menschen aus dem Kreisen Gütersloh und Warendorf zu erlassen. In der Hauptstadt sind die Zahlen der Corona-Neuinfektionen zuletzt wieder angestiegen. Die Ausbrüche seien aber noch lokal isolierbar und die Bezirke hätten die Lage unter Kontrolle, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Mittwoch dem Inforadio des RBB. „Sie testen sehr weitgehend, versorgen die Menschen und sorgen dafür, dass sie zu Hause bleiben.“

Aktuell gibt es neben dem Hotspot in Neukölln rund 40 Neuinfektionen in einem Wohngebäude in Friedrichshain-Kreuzberg.  Am Mittwoch wurde darüber hinaus bekannt, dass nach einer Corona-Infektion eines Kindes in einer Kita in Schöneberg 35 Kinder und fünf Erzieherinnen in Quarantäne müssen.

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Ob es sich bei den Corona-Infektionen um einzelne Ausbrüche oder eine Streuung handle, werde genau beobachtet, sagte die Gesundheitssenatorin. Wenn nach dem R-Wert auch eine zweite Corona-Ampel den grünen Bereich verlasse, müsse man schauen, ob man weitere Lockerungen doch sein lassen solle oder andere Maßnahmen ergreife. Kalayci warnte die Menschen davor, jetzt nicht leichtsinnig zu werden.

Die Europäische Union erwägt unterdessen, US-Bürgern nach einer schrittweisen Öffnung der EU-Außengrenzen ab dem 1. Juli wegen hoher Corona-Zahlen in dem Land weiterhin die Einreise zu verwehren. Die „New York Times“ berichtete, auf einer vorläufigen Liste mit Ländern, für die ab Anfang Juli weiter Einreiseverbote gelten sollten, stünden auch USA, Russland und Brasilien. EU-Kreise bestätigten inzwischen, dass der Einreisestopp voraussichtlich weiter für die USA und Russland gelten werde. 

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