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Zwei Tage lang mussten die Flüchtlinge auf dem Deck des Rettungsschiffs "Seefuchs" ausharren, bevor sie im sizilianischen Hafen Porto Empedocle an Land gehen konnten.
© Erik Marquardt
Update

Flüchtlinge im Mittelmeer: Besatzungsmitglied der "Seefuchs" glaubt nach Krisenfahrt an Schikane der Italiener

Tagelang waren 138 Flüchtlinge und Mitglieder der Hilfsorganisation "Sea-Eye" auf einem kleinen Schiff zusammengepfercht. Der deutsche Seenotretter Erik Marquardt versteht nicht, warum sie keine Hilfe bekamen.

138 Menschen kauerten an Deck der „Seefuchs“, eines nur 26 Meter langen Rettungsschiffs im Mittelmeer. Ohne Schutz vor der Sonne während des Tages, oder vor der Kälte in der Nacht, berichtet der Berliner Seenotretter und Grünenpolitiker Erik Marquardt. Er ist Teil der Besatzung.

Die Organisation „Sea-Eye“ hatte die Menschen am Sonntag nach eigenen Angaben von einem überfüllten Schlauchboot gerettet. Ausgelegt ist ihr Schiff nicht für so viele Menschen. Eigentlich verteilt die Crew hauptsächlich Schwimmwesten und Wasserflaschen an jene, die die gefährliche Reise von der libyschen Küste nach Europa antreten. Sie konnten die Flüchtlinge kaum versorgen, das Frischwasser ging aus, ständig bestand die Gefahr, dass jemand bei etwas Wellengang über Bord geht, schildert Marquardt die Situation. Normalerweise nehme das Schiff nur kurzzeitig Flüchtlinge auf, wenn eine akute Gefahr bestehe, dass deren Boot kentert und die Menschen ertrinken. Dann werden größere Schiffe zu Hilfe gerufen. Doch diesmal, erzählt Marquardt, wollte die Seenotrettungsleitstelle MRCC in Rom, die für diese Gewässer verantwortlich ist, dass das Schiff die Menschen selbst nach Italien bringt.

In der Nacht zum Montag habe ein Patrouillenboot der italienischen Küstenwache die „Seefuchs“ erreicht und einige Frauen und Kinder übernommen, sagte Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler. Weitere Unterstützung habe Italien aber nicht schicken können.

„Es kann nicht sein, dass es im ganzen Mittelmeer niemanden gibt, der uns helfen kann“, sagte Erik Marquardt. Außerdem hätte man ihr Schiff nicht zum nächstgelegenen Hafen geschickt, sondern zu einem weiter entfernten – auf Anweisung des Innenministeriums, sagt er.

Dienstagvormittag konnte die Besatzung mit den Flüchtlingen schließlich das Boot im Hafen von Porto Empedocle auf Sizilien verlassen. Marquardt vermutet hinter der Behandlung eine Schikane der Italiener, um Flüchtlinge und Helfer abzuschrecken. Sea-Eye hatte zuletzt am Donnerstag und Freitag jeweils mehr als 100 Menschen gerettet oder bei deren Rettung geholfen.

Italien zieht sich immer weiter aus der Seenotrettung zurück und hat vergangenes Jahr ein Abkommen mit Libyen geschlossen. Die Küsten sollen besser kontrolliert, Migranten daran gehindert werden, die Bootsfahrt überhaupt anzutreten. Wenn sie auf dem Meer aufgegriffen werden, geht es zurück nach Libyen.

Auch die Europäische Union hat sich auf eine Kooperation mit der libyschen Küstenwache eingelassen, die manchmal Flüchtlinge rette, manchmal aber selber Hilfsbedürftigen nicht helfe, sie ausraube oder sogar erschieße, schrieb der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad al Hussein, in einem Beitrag vergangenen September.

Die Präsidentin von „Ärzte ohne Grenzen“, Joanne Liu, hatte zuvor in einem offenen Brief die Unterstützung der libyschen Regierung durch die EU beklagt, die „geblendet vom alleinigen Ziel“ sei, „Menschen von Europa fernzuhalten“. Die Europäer würden dadurch ihr eigenes Recht umgehen, sagt Marquardt.

Werden Flüchtlinge nämlich von europäischen Schiffen aufgenommen, müssten sie „zum nächsten sicheren Hafen gebracht werden”, erklärt er. Libyen gelte nicht als sicher. Die Seenotrettungsleitstelle in Rom informiere sogar gezielt die libysche Küstenwache, wenn sie Flüchtlingsboote auf dem Meer entdecken. Zurück in dem Bürgerkriegsland kommen die Menschen in Haftzentren, wo sie „ausgebeutet und misshandelt werden“, erklärte Amnesty International.

Seit dem Abkommen schaffen es weniger Menschen an die italienische Küste, berichtete die Internationalen Organisation für Migration. Die Zahlen sanken von 181.000 im Jahr 2016 auf 119.000 im Jahr 2017.

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