Regierungsbildung in Israel: Benny Gantz könnte dem Land gut tun
Drei Wahlen, keine Regierung - nun soll es Ex-Militär Gantz richten. Er könnte der Richtige sein, um Israel aus dem Krisenmodus zu führen. Ein Kommentar.
Der Mann hat als Militär bereits einige Schlachten geschlagen. Er weiß, was es heißt, liefern in schwierigen Zeiten müssen. Nun jedoch muss Benny Gantz eine ganz besondere Herausforderung meistern.
Israels früherer Armeechef ist von Präsident Reuven Rivlin beauftragt worden, eine tragfähige Regierung zu bilden – und nicht der amtierende Premier Benjamin Netanjahu. Dabei hatte der Likudvorsitzende die Parlamentswahl Anfang März gewonnen.
Doch offenkundig geht Rivlin – ohnehin kein Freund Netanjahus – davon aus, dass der Dauer-Ministerpräsident wenig Chancen hat, eine Koalition zu zimmern. Für Gantz dagegen haben sich 61 Abgeordnete ausgesprochen – das ist die denkbar knappste Mehrheit in der Knesset. Und die muss der Oppositionschef mit seinem Bündnis Blau-Weiß erst einmal in mühsamen Verhandlungen sichern.
Da ist sehr viel taktisches Geschick gefragt. Nicht jeder traut das Gantz zu. Er ist im Polit-Geschäft ein Neuling, als großer Kommunikator gilt er ebenfalls nicht. Das ist hinlänglich bekannt. Dennoch scheint die Sehnsucht nach einer Netanjahu-freien Führung so groß zu sein, dass die Parteienvertreter dessen Herausforderer eine Chance geben wollen. Vielleicht auch, weil sie hoffen, Gantz könnte dem jüdischen Staat gut tun.
Damit liegen sie nicht falsch. Israel ist schon lange ein tief gespaltenes Land. Netanjahu hat jahrelang polarisiert, die Welt mit Bedacht in Anhänger und Gegner aufgeteilt. Jede noch so verhaltene Kritik an seinem Handeln und seiner Person wertet er als Majestätsbeleidigung. Der 70-Jährige hält sich für das Maß aller Dinge.
Gantz dagegen mag inhaltlich in vielem mit „Bibi“ übereinstimmen, doch sein Stil ist ein deutlich konzilianterer. Poltern kommt ihm nicht in den Sinn. Wobei: In der Sache kann Gantz schon hart sein. Und all das ist jetzt gefragt. Denn Israel befindet sich im Krisenmodus.
Zum einen, weil das Land politisch stillsteht. Seit mehr als einem Jahr hat es keiner vermocht, trotz dreier Wahlen eine Regierung auf die Beine zu stellen. Zum anderen herrscht wegen der rasanten Ausbreitung des Coronavirus Ausnahmezustand. Der jüdische Staat hat sich abgeschottet, es gelten restriktive Regeln für den Alltag. Israel ist in Quarantäne.
Deshalb muss Gantz bei seinen Sondierungsgesprächen genau darauf achten, sich eine möglichst breite Mehrheit zu verschaffen. Das ist vonnöten, um sich Rückhalt für womöglich noch drastischere Maßnahmen zu sichern. Dazu gehört, sich mit den Repräsentanten der arabischen Minderheit ins Benehmen zu setzen. Eine Kooperation mit den vier Parteien der Vereinigten Liste ist bisher verpönt. Nur: Corona macht vor niemandem halt. Solidarität lautet die Devise der Stunde. Für Israel heißt das mehr denn je: Zeit, dass sich was dreht.