DAK vor drastischer Erhöhung: Beitragsschock gefährdet Krankenkassensystem
Aufgrund einer Beitragsexplosion wird die DAK zur teuersten Krankenkasse. Weil ihre Kunden durch einen Wechsel teilweise mehr als 450 Euro sparen können, rechnen Experten mit einer Austrittswelle. Doch die könnte das gesamte System gefährden.
Die 6,1 Millionen DAK-Versicherten müssen sich auf einen Beitragsschock gefasst machen. Nach Tagesspiegel-Informationen will der drittgrößte gesetzliche Krankenversicherer an diesem Freitag beschließen, seine Zusatzbeiträge um 0,6 Prozentpunkte anzuheben. Weil sich für dessen Kunden durch den Wechsel zu preisgünstigeren Anbietern dann im Jahr teilweise mehr als 450 Euro, in manchen Regionen sogar bis zu 760 Euro sparen lassen, rechnen Experten mit einer Austrittswelle, die das gesamte System ins Wanken bringen könnte.
Beitragsunterschied von 0,9 Prozentpunkten
Durch die geplante Erhöhung käme die DAK auf einen Gesamtbetrag von 16,1 Prozent und wäre die mit Abstand teuerste Kasse Deutschlands. Dagegen entschied die für Berlin und Brandenburg zuständige AOK-Nordost am Donnerstag, ihren 1,75 Millionen Versicherten Beitragserhöhungen zu ersparen. Sie verlangt weiterhin 15,5 Prozent.
Die günstigste bundesweite Kasse, die HKK aus Bremen, nimmt 15,19 Prozent. Und die auf Baden-Württemberg beschränkte Metzinger BKK bleibt sogar bei 14,6 Prozent.
Große Sorgen in der Branche
In der Branche verursacht die Entwicklung bei der DAK erhebliche Unruhe. Als die Hamburger vor fünf Jahren mit einem Zusatzbeitrag von monatlich acht Euro pro Versicherten vorgeprescht waren, hatte sie das schon rund 500.000 Kunden gekostet. Diesmal geht es um weit höhere Beitragsdifferenzen. Und wenn die DAK deshalb in die Knie ginge, wären alle anderen Ersatzkassen mitbetroffen – sie haften mit drei Prozent ihrer Bruttozuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, also teils mit dreistelligen Millionenbeträgen. In diesem Fall drohe „ein Dominoeffekt“, hieß es. Die Risiken für das Gesamtsystem würden „unkalkulierbar“.
Internen Schätzungen zufolge zieht die Anhebung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte Versichertenverluste von bis zu 1,5 Prozent nach sich. Jedoch könnten besonders augenfällige Beitragsunterschiede auch stärker auswirken. Hinzu kommt, dass Versicherer, deren Erhöhung über dem Durchschnitt liegt, ihre Kunden neuerdings schriftlich auf die Wechselmöglichkeit zu günstigeren Kassen aufmerksam machen müssen.
45 Millionen Euro für zehn Versicherte
Die DAK hat bestätigt, dass der Verwaltungsrat über den Antrag auf eine Erhöhung um 0,6 Punkte abstimmen werde. Der formelle Beschluss fällt an diesem Freitag. Kassensprecher Rüdiger Scharf wies darauf hin, dass die DAK „besonders viele alte Menschen“ versichere und allein für ihre zehn teuersten Patienten im vorigen Jahr 45,6 Millionen Euro aufzuwenden gehabt habe. Zum Ausgleich dafür habe man nur drei Millionen Euro erhalten.
"Wir brauchen wieder einen Hochrisikopool“, sagte der Sprecher. Besonders ins Geld gingen schwere Stoffwechselstörungen, die nur mit gentechnisch hergestellten Medikamenten zu behandeln seien. Auch Aids-Kranke und Bluter verursachten gewaltige Kosten. In Berlin hat die DAK 235.000 Versicherte.
Die Branchenführer Techniker Krankenkasse und Barmer GEK erhöhen im kommenden Jahr jeweils um 0,2 Punkte. Dies entspricht dem vom Schätzerkreis errechneten Bundesdurchschnitt. Der Gesamtbeitrag für die Techniker liegt dann bei 15,6 Prozent, der für die Barmer bei 15,7 Prozent. Besonders günstig bleibt es für AOK-Versicherte im Osten. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt müssen sie gerade mal 14,9 Prozent bezahlen.
SPD will Arbeitgeber mitbelasten
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte die Entwicklung besorgniserregend. Jedoch sehe er keine Notwendigkeit, etwas an Risikostrukturausgleich oder Haftungsverbund zu ändern. Wichtiger sei es, die Arbeitgeber bei Beitragssteigerungen wieder mitzubelasten. "Nächstes Jahr muss das Thema der Parität wieder auf die Tagesordnung“, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel.
Zu Beginn der Legislatur war der Arbeitgeberbeitrag auf einen Koalitionsbeschluss hin bei 7,3 Prozent eingefroren worden. Die Kosten für die beschlossenen Gesundheitsreformen seien jedoch höher, als damals absehbar gewesen sei, betonte der SPD-Experte. Es sei „nicht einzusehen, dass die Arbeitnehmer diese Investitionen ins System allein bezahlen müssen“.