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Einseitig. Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Kanzlerin Angela Merkel setzten durch, dass die Arbeitgeberbeiträge eingefroren wurden.
© dpa

Beitragserhöhung für Krankenversicherte: Reformen ja, einseitige Belastung nein

Die Beiträge für die Krankenkassen werden bald wieder steigen. Doch der Fehler sind nicht teure Gesundheitsreformen, sondern die Idee, die Arbeitgeber dafür nicht mitzahlen zu lassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Sage keiner, der Ärger sei nicht vorhersehbar gewesen. Als die frisch konstituierte Koalition im Hochgefühl gut gefüllter Kassen das Paritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung aufkündigte und den Arbeitgebern ihren Herzenswunsch eines eingefrorenen Kassenbeitrags erfüllte, wusste jeder, dass ihr das politisch irgendwann um die Ohren fliegen würde. Spätestens bei der nächsten großen Beitragserhöhung. Die Hoffnung war lediglich, dass sich die Krankenkassen damit bis nach der Wahl Zeit lassen würden.

Im Wahljahr wird's richtig unangenehm

Damit aber haben sich die Strategen verrechnet. Schon im nächsten Jahr werden die ersten Versicherer wieder an der Beitragsschraube drehen. Und im Wahljahr 2017 wird’s richtig unangenehm. Nicht nur, weil die Aufschläge dann mit Sicherheit flächendeckend erfolgen. Wegen der Idee, alle Kostensteigerungen allein den Arbeitnehmern aufzuladen, wird sich für den Bürger jeder Beitragsanstieg dann auch doppelt so stark bemerkbar machen wie früher.

Angesichts dieser Aussichten darf gewettet werden, ob die SPD bei dem Thema noch lange still hält – und ob der Beschluss zur einseitigen Belastung nicht doch noch schnell vor der Wahl wieder einkassiert wird. Die Möglichkeit jedenfalls, einfach nur massiv auf die Kostenbremse zu treten, hat sich die Koalition mit ihren milliardenschweren Reformvorhaben selber genommen.

Die Reformen sind teuer, aber dringend nötig

Zum Glück. Denn so ärgerlich die Zusatzbelastung für die Beitragszahler ist: Wann, wenn nicht in Zeiten gut gefüllter Sozialkassen, lassen sich kostspielige Systemreformen überhaupt angehen? Alle fünf Gesetzespakete, die Gesundheitsminister Hermann Gröhe gerade durchzubringen versucht, sind dringend nötig.

Der Ärztemangel in strukturschwachen Regionen ist mit Appellen an die Mediziner nicht in den Griff zu bekommen. Der Pflegenotstand in den Kliniken hat inzwischen das Potenzial, die Patienten massiv zu gefährden. Statt endlich die Chancen von elektronischer Vernetzung und Telematik zu nutzen, verlassen sich die Mediziner hierzulande weiter auf Verschreibungsblock, Postboten und Faxgerät. Während wir über Sterbehilfe diskutieren, haben zahlreiche Schwerstkranken in diesem Land keinen Zugang zu Palliativmedizin und Hospizen. Und mit Prävention hatten die Versicherer, von Marketing-Aktivitäten abgesehen, bisher auch nicht viel am Hut.

Ein Kraftakt, der sich rechnet

Das alles geht die Politik jetzt nahezu gleichzeitig an. Ein Kraftakt, der kostet. Doch was in den Alarmmeldungen der Krankenkassen nicht auftaucht, ist das Sparpotenzial. Wenn in ambulante Versorgung investiert wird und dadurch weniger Menschen im Krankenhaus landen, spart das dem System viel Geld. Wenn in Kliniken nicht gepfuscht, gehetzt oder unnötig operiert wird, bloß um Kasse zu machen, entlastet das auch den Beitragszahler.

Und bei Prävention ist die Sache sowieso klar: Durch mehr Ermunterung und Anleitung zu gesundheitsbewusstem Verhalten lassen sich immens teure Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, „Rücken“ oder Herz-Kreislauf-Defekte hinausschieben oder ganz vermeiden. Hier macht sich jede Investition um ein Vielfaches bezahlt.

Der Fehler ist die Arbeitgeber-Entlastung

Nein, falsch sind nicht die Kostensteigerungen durch überfällige Systemreformen, die sich rechnen werden – und sei es „nur“ durch bessere Versorgung. Der große Fehler war und ist es, die Arbeitgeber bei alldem außen vor lassen zu wollen. Ausgerechnet hier stellt sich der ansonsten so umgängliche Minister stur. Dabei hat er den Auftrag der Kanzlerin, Ruhe im Karton zu halten, bisher geradezu musterhaft erfüllt. Ob Angela Merkel noch einlenkt? Der Ärger um die Zusatzbeiträge hat das Zeug, der Union die Wahl zu verhageln.

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