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Die Fahne der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik wehen nebeneinander.
© DPA

70 Jahre Grundgesetz: Beide deutsche Staaten feiern Geburtstag

Eine ernst gemeinte Erinnerungskultur darf die DDR nicht nur von ihrem Ende her feiern. Auch ihre Anfänge müssen gewürdigt werden. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

Das feierliche Hochamt zum 70-Jahre-Demokratie-Gedenken hat gerade erst angefangen, da muss man sich ängstlich fragen: Fehlt da nicht etwas? Was ist mit der Erinnerung an die andere Verfassung, die andere Staatsgründung, die anderen Wahlen, die vor 70 Jahren ebenfalls stattfanden? In den vergangenen Jahren sind die Sorgen wegen eines weiteren Auseinanderdriftens von West- und Ostdeutschland gewachsen. Nach der Grundgesetz-Geburtstagswoche muss man sagen: zu Recht. Die westdeutsche Geschichte wird stolz von ihrem Anfang her erzählt. Die ostdeutsche dagegen nur von ihrem heroischen Ende her.

Dass die DDR-Staatsgründung keinen Grund für eine Feierlichkeit bietet, versteht sich von selbst. Das Selbstbewusstsein der Bundesrepublik entwickelte sich aber nach 1949 in der ständigen Präsenz der Teilung. Und auch die DDR-Identität wurde vom Systemgegensatz geprägt und am Ende mit ihm aufgehoben.

Der 17. Juni als westdeutscher Nationalfeiertag ist neben dem 9. November 1989 die einzige historische Marke, die es in das gemeinsame Geschichtsbuch geschafft hat. Während in diesem Jahr die Ostdeutschen eingeladen werden, den Geburtstag des Grundgesetzes und des Bundestags als gemeinsamen Feiertag zu begehen, wissen die Bürger der alten Bundesländer bis heute nicht, dass und wie Walter Ulbricht 1971 von Erich Honecker gestürzt wurde.

DDR nicht nur vom Ende her feiern

Eine „The winner takes it all“-Erinnerungskultur aber weist nicht nur dem Sozialismus, sondern auch den früheren DDR-Bürgern den Platz am Katzentisch der Geschichte zu. Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert hat zu Recht verlangt, dass an den Geburtstag beider deutschen Staaten erinnert wird. Eine tatsächlich ernst gemeinte Erinnerungskultur nämlich würde die DDR nicht nur von ihrem Ende her feiern, sie würde auch ihre Anfänge würdigen.

Die DDR-Bürger haben einen ungleich härteren, langwierigen und entbehrungsreichen Weg nehmen müssen. Dieser war in keiner Phase umsonst. Er ist die andere Seite der gemeinsamen Geschichte, die am 9. November 1989 neu begonnen hat.

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