Sondersitzung zum Élysée-Vertrag: Bei der AfD rührt sich bei Populismus-Debatte keine Hand
Der Bundestag nimmt eine Resolution zur Weiterentwicklung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages an. Die AfD bleibt nach der Rede des französischen Parlamentspräsidenten demonstrativ sitzen.
So muss man sich parlamentarische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich ganz praktisch vorstellen: Am Montagmorgen sitzen deutsche und französische Parlamentarier einträchtig beim Frühstück im Reichstagsrestaurant beisammen. Der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum und der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter unterhalten sich mit Sabine Thillaye, die den Europaausschuss in der Pariser Nationalversammlung leitet. Einen Tisch weiter lauscht Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) den Ausführungen der französischen Kollegen.
Knapp 30 Abgeordnete der Nationalversammlung sind nach Berlin gekommen, um den 55. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages zu würdigen.
Am 22. Januar 1963 hatten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle im Pariser Elysée-Palast den Vertrag unterzeichnet. Nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie der Parlamente beider Länder soll der Vertrag noch in diesem Jahr erneuert werden, um ihn an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.
Nach dem Frühstück mit den deutschen Kollegen betont die französische Abgeordnete Sabine Thillaye, dass es in relativ kurzer Zeit gelungen sei, gemeinsam mit den deutschen Abgeordneten eine Resolution zu entwerfen, in der die Forderungen der beiden Parlamente für einen neuen Elysée-Vertrag formuliert werden. Im Bundestag wurde die Resolution von Union, SPD, Grünen und FDP ausgearbeitet. Darin wird eine Vielzahl von Initiativen angeregt, die von einheitlichen Regelungen im Unternehmens- und Konkursrecht über eine stärkere Zusammenarbeit beider Länder beim Klimaschutz bis zu einer Stärkung der Kompetenzen der grenzüberschreitenden deutsch-französischen Eurodistrikte reichen.
Pariser Ausschussvorsitzende Thillaye sieht Unterschiede bei der Migrationspolitik
Trotz aller Gemeinsamkeiten, findet die deutsch-französische Unternehmerin Thillaye, gibt es auch „Divergenzen“ zwischen beiden Seiten. Als Beispiele nennt die Abgeordnete von Macrons Regierungspartei „La République en Marche“ die Verteidigungs- und Migrationspolitik sowie die unterschiedlichen Vorstellungen zur Stärkung der Euro-Zone. Macron möchte einen zusätzlichen Finanztopf einrichten, Merkel kann sich bestenfalls ein eigenes Budget für die Euro-Zone mit kleineren Summen vorstellen.
Als der französische Parlamentspräsident François de Rugy dann im Plenum das Wort ergreift, geht es aber in erster Linie um ein Thema, das Parlamentarier beider Seiten mehr denn je zusammenschweißt – die Bedrohung der europäischen Zusammenarbeit durch populistische Bewegungen. Die Geschichte habe gezeigt, dass Populismus „mit der Ablehnung des Fremden“ beginne, sagt de Rugy in seiner auf Deutsch gehaltenen Rede, und „schließlich die Demokratie in Schutt und Asche“ lege. Da brandet Beifall im Plenum auf, nur bei der AfD rührt sich keine Hand.
Am Ende seiner Rede hält der Parlamentspräsident aus Paris schließlich ein Plädoyer für die Idee Macrons, demokratische Konvente zur künftigen Entwicklung der EU abzuhalten: „Die Bürger müssen endlich im Mittelpunkt des europäischen Projekts stehen.“ Als seine Rede zu Ende ist, erheben sich alle Abgeordneten von der Linkspartei bis zur FDP von den Sitzen. Die Gäste aus Frankreich, die oben auf der Besuchertribüne zuschauen, sehen aber auch, dass die AfD-Leute demonstrativ sitzen bleiben.
Bei der anschließenden Debatte betont Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), dass man in Berlin nun „möglichst“ rasch eine Antwort auf die ehrgeizigen Vorschläge vor Weiterentwicklung der Europäischen Union geben wolle, die Macron bei seiner Rede an der Pariser Universität Sorbonne im September gemacht hat. „Wenn es zwischen Deutschland und Frankreich stockt, dann kommt auch Europa nicht voran“, sagt Kauder zur Begründung.
Nahles wird von Dobrindt mit großem Hallo begrüßt
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, die am Vortag beim SPD-Parteitag in Bonn noch eine tragende Rolle gespielt hat und zu Beginn der Bundestagssitzung mit großem Hallo von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt begrüßt wird, erklärt, dass ein neuer Aufschlag „für ein sozialeres Europa“ benötigt werde. Die deutsch-französische Beziehung sei „ein Schatz, den es zu pflegen gilt“, sagt die SPD-Fraktionschefin.
Dagegen bezeichnet AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die Sondersitzungen des Bundestags und der Nationalversammlung, wo an diesem Nachmittag Schäuble seinerseits in Paris eine Rede halten will, als „Heuchelei“. Laut einer Erklärung der AfD-Bundestagsfraktion laufe der Text der Parlamentsresolution "auf eine weitere Aushöhlung der nationalen Souveränität unseres Landes hinaus".
Gauland beklagt, dass die AfD und die Linksfraktion an der Ausarbeitung der Parlamentsresolution nicht beteiligt worden seien. Darauf hin stellt ihm FDP-Fraktionschef Christian Lindner die Frage: „Warum wollen Sie bei etwas Antragsteller sein, das Sie in der Sache ablehnen?“ Am Ende wird die deutsch-französische Resolution im Plenum mit den Stimmen von Union, SPD, FDP und Grünen angenommen.